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„Der Mensch handelt immer gut“

102.

Der Mensch handelt immer gut“. — Wir klagen die Natur nicht als unmoralisch an, wenn sie uns ein Donnerwetter schickt und uns nass macht: warum nennen wir den schädigenden Menschen unmoralisch? Weil wir hier einen willkürlich waltenden, freien Willen, dort Notwendigkeit annehmen. Aber diese Unterscheidung ist ein Irrtum. Sodann: selbst das absichtliche Schädigen nennen wir nicht unter allen Umständen unmoralisch; man tötet z. B. eine Mücke unbedenklich mit Absicht, blos weil uns ihr Singen missfällt, man straft den Verbrecher absichtlich und tut ihm Leid an, um uns und die Gesellschaft zu schützen. Im ersten Falle ist es das Individuum, welches, um sich zu erhalten oder selbst um sich keine Unlust zu machen, absichtlich Leid tut; im zweiten der Staat. Alle Moral lässt absichtliches Schadentun gelten bei Notwehr: das heißt wenn es sich um die Selbsterhaltung handelt! Aber diese beiden Gesichtspunkte genügen, um alle bösen Handlungen gegen Menschen, von Menschen ausgeübt, zu erklären: man will für sich Lust oder will Unlust abwehren; in irgend einem Sinne handelt es sich immer um Selbsterhaltung. Sokrates und Plato haben Recht: was auch der Mensch tue, er tut immer das Gute, das heißt: Das, was ihm gut (nützlich) scheint, je nach dem Grade seines Intellektes, dem jedesmaligen Maße seiner Vernünftigkeit.