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"Hyazinthe"

Die naive Art antiken Fabulierens ist allerdings über- wunden. Ein äußerstes Beispiel solchen unwissenschaftlichen Denkens mag uns die griechische Legende von der Entstehung der Hyazinthe sein; Legende und Naturgeschichte vermochten die Griechen ja doch noch nicht voneinander zu trennen.

Irgend eine uns unauffindbare Volksetymologie mag den Namen dieser Blume und den Namen des griechischen Allerseelenfestes, der Hyakinthien, in Verbindung gebracht haben; und wie wir im Schlafe einen Sinneseindruck zu einem Traum ausgestalten, so bildeten wohl die Griechen aus Volksetymologien und Zufallsbeobachtungen ihre Legenden. Sie sahen in den Blumenblättern der Hyazinthe die Buchstaben A I, welche zusammen im Griechischen den gewöhnlichsten Ausruf des Schmerzes wiedergeben. Daraus wurde eine ganze Geschichte. Der Sonnengott des Festes der Hyakinthien wurde mit der Blume in persönliche Verbindung gebracht. Hyakinthos, natürlich ein Königssohn, war der Liebling Apollons. Beim Spiele wird Hyakinthos getötet, er stirbt mit dem griechischen Schmerzensruf ai auf den Lippen und aus seinem Blute läßt Apollon die Blume hervorsprießen, welche diese Interjektion für griechische Augen zeigt. Man denke sich, dass unser Volk denjenigen unter den Fuchsschmetterlingen, welcher auf der Unterseite seiner Flügel ganz deutlich die Figur eines kleinen deutschen Fraktur-c bildet, in ähnlicher Weise entstehen ließe. Geradezu abgeschmackt wird die Geschichte, wenn ein lateinischer Dichter sie in seiner Sprache vorträgt, während doch in der lateinischen Sprache der Schmerzensruf ai unbekannt ist. Solche Albernheiten finden sich häufig in Ovids "Metamorphosen", von denen — seltsam genug — die Anfänge der modernen Pflanzenmorphologie ihren Namen genommen haben.