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Fin de Siècle

Fin de Siècle. Dieser Titel einer von H. Micard und F. de Jouvenot verfaßten und zuerst im April 1888 in Paris aufgeführten vieraktigen Komödie entwickelte sich zusehends zum zugkräftigen Modeschlagwort, worin die ganze Abgespanntheit und Blasiertheit einer krankhaft-nervösen Generation einen bündigen, bunt schillernden Ausdruck fand. Das Wort fand ungeahnte Verbreitung. In Deutschland führte es Hermann Bahr ein, der 1890 einen Novellenband unter diesem Titel erscheinen ließ.

Ausdruck und Begriff kritistert eingehend Max Nordau, Entartung 1, 3 ff. (1892), der u. a. bemerkt: „So töricht das Wort ‚fin de siècle‘ sein mag, die Geistesbeschaffenheit, die es bezeichnen soll, ist in den führenden Gruppen tatsächlich vorhanden. Die vorherrschende Empfindung ist die eines Untergehens, eines Erlöschens. ‚Fin de siècle‘ ist ein Beicht-Bekenntnis und zugleich eine Klage.“ Vgl. Büchmann S. 361.

Ferner Bamberger 1, 395 (1892): „Die Vulgarisation des Genialitätsanspruchs ist eines der amüsantesten Phänomene der Gegenwart. In Frankreich hat man dafür den Namen fin de siècle erfunden. ‚Wir, die wir mit einem Fuß im zwanzigsten Jahrhundert stehen, sind über alles hinaus.‘“

Von jenen Stimmen des Unwillens über den gedankenlosen Gebrauch der modischen Wendung sei die geharnischte Abfertigung in den Grenzboten 1900, 1. Viertelj. S. 49 herausgegriffen: „Von einem alternden und geistig verarmenden Volk geprägt, dessen hinwelkende Einbildungskraft sich an zierlichen Worten ohne Inhalt zu erregen liebt, ist die alberne Phrase vom fin de siècle auch außerhalb Frankreichs die Losung aller gelangweilten Schwachköpfe geworden, deren Geringschätzung gegenüber allen Tagesneuigkeiten, den Weltereignissen wie den Busennadeln, von keinem deutschen Ausdruck erreicht wird. Fin de siècle — damit ist für sie die Grenzenlosigkeit ihrer Menschenverachtung in drei Worten gekennzeichnet. Das Ende des Jahrhunderts: das haben unsere Väter und Großväter nicht erlebt, das ist wirklich einmal seit Menschengedenken ‚noch nicht dagewesen‘. Neben diesem Erlebnis dürsten alle überlieferten Vorstellungen als überholt und abgetan gelten.“