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Möglich

Möglich heißt dasjenige, was den Bedingungen, der Erfahrung entspricht. Wir unterscheiden das formal Mögliche und das real Mögliche. In erster Linie muß das Mögliche den formalen Bedingungen der Erfahrung, also den Denkgesetzen entsprechen. Demgemäß definiert Kant Kr. d. r. V., S. 218: „Was mit den formalen Bedingungen der Erfahrung übereinkommt, ist möglich.“ Diese logische oder formale Möglichkeit ist die Denkbarkeit einer Sache. Das logisch Unmögliche ist also der Widerspruch in sich selbst (contradictio in adjecto). In zweiter Linie muß das Mögliche den realen Bedingungen der Wirklichkeit, also dem Inhalte der Erfahrung, den Gesetzen, die wir in der Außenwelt vorfinden, entsprechen. Das inhaltlich Denkbare heißt das real Mögliche. Die reale Möglichkeit ist aber nicht ein Zustand der Außenwelt – in ihr gibt es nur Wirkliches, nicht Mögliches; selbst potentielle Energie (s. d.) ist wirklich vorhandene Energie, nicht nur mögliche Energie -, sondern sie ist ein Verhältnis des menschlichen Gedankens zur Wirklichkeit. Es war also falsch, wenn Aristoteles (384-322) die reale Möglichkeit als ein rein physisches Verhältnis ansah und hiernach den Begriff der Materie bestimmte. Er verstand unter Materie das Mögliche, das Noch-nicht-Seiende, welches erst durch Hinzutritt der Form zum Wirklichen wird. So wird nach ihm eine Bildsäule erst durch die Form wirklich, während sie aus dem Stoffe nur werden kann. Die Materie ist nur „der Möglichkeit nach seiend“ (dynamei on), die Form dagegen der Wirklichkeit nach seiend (energeia on) oder (entelecheia on). Aristoteles irrt aber, wenn er die Gestaltung des Stoffes durch die Form für den objektiven Übergang des Möglichen ins Wirkliche ansieht. Der Stoff, z.B. das Erz der Bildsäule, war, bevor er in die neue Form gebracht wurde, auch schon wirklich, auch schon geformt; nur in bezug auf das Kunstwerk betrachten wir ihn als formlosen Stoff. Der subjektive Begriff des Möglichen ist also von Aristoteles fälschlich in die objektive Welt hineingetragen. – Zu weit ist andrerseits die Definition der Möglichkeit, die Chr. Wolf (1679-1754) im Anschluß an Leibniz gegeben hat: „Möglich ist, was nichts Widersprechendes in sich enthält.“ Sie bestimmt den Begriff der Möglichkeit nur rational ohne Beziehung auf die Erfahrung. – Wir unterscheiden auch das psychisch und das moralisch Mögliche. Ich kann manches, was ich nicht darf. Das psychisch Mögliche kann also geschehen, das moralisch Mögliche darf geschehen; jenes ist das Ausführbare, dieses das Erlaubte. Vgl. Form, Modalität, Kategorie. Vgl. F. A. Lange, Gesch. d. Materialismus I, 162 f.