Lady Percy
(Heinrich IV.)
Ich träumte mir ihr Gesicht und überhaupt ihre Gestalt minder vollfleischig, als sie hier konterfeit ist. Vielleicht aber kontrastieren die scharfen Züge und die schlanke Taille, die man in ihren Worten wahr nimmt und welche ihre geistige Physiognomie offenbaren, desto interessanter mit ihrer wohlgeründeten äußern Bildung. Sie ist heiter, herzlich und gesund an Leib und Seele. Prinz Heinrich möchte uns gern diese liebliche Gestalt verleiden und parodiert sie und ihren Percy:
Ich bin noch nicht in Percys Stimmung, dem Heißsporn des Nordens, der euch sechs bis sieben Dutzend Schotten zum Frühstück umbringt, sich die Hände wäscht und zu seiner Frau sagt: „Pfui, über dies stille Leben! Ich muß zu tun haben.“ – „O mein Herzens-Heinrich“, sagt sie, „wie viele hast du heute umgebracht?“ – „Gebt meinem Schecken zu saufen“, und eine Stunde drauf antwortet er: „Ein Stücker vierzehn; Bagatell! Bagatell!“
Wie kurz, so entzückend ist die Szene, wo wir den wirklichen Haushalt des Percy und seiner Frau sehen, wo diese den brausenden Helden mit den kecksten Liebesworten zügelt:
Komm, komm, du Papagei! Antworte mir
Geradezu auf das, was ich dich frage.
Ich breche dir den kleinen Finger, Heinrich,
Willst du mir nicht die ganze Wahrheit sagen.
PERCY.
Fort! Fort!
Du Tändlerin! – Lieben? – Ich lieb dich nicht,
Ich frage nicht nach dir. Ist dies ’ne Welt
Zum Puppenspielen und mit Lippen fechten?
Nein, jetzo muß es blut’ge Nasen geben,
Zerbrochne Kronen, die wir doch im Handel
Für voll anbringen. – Alle Welt, mein Pferd!
Was sagst du, Käthchen? Wolltest du mir was?
LADY PERCY.
Ihr liebt mich nicht? Ihr liebt mich wirklich nicht?
Gut, laßt es nur; denn, weil Ihr mich nicht liebt,
Lieb ich mich selbst nicht mehr. Ihr liebt mich nicht?
Nein, sagt mir, ob das Scherz ist oder Ernst?
PERCY.
Komm, willst mich reiten sehn?
Wenn ich zu Pferde bin, so will ich schwören,
Ich liebe dich unendlich. Doch höre, Käthchen:
Du mußt mich ferner nicht mit Fragen quälen,
Wohin ich geh, noch raten, was es soll.
Wohin ich muß, muß ich: und kurz zu sein,
Heut abend muß ich von dir, liebes Käthchen.
Ich kenne dich als weise, doch nicht weiser
Als Heinrich Percys Frau; standhaft bist du,
Jedoch ein Weib, und an Verschwiegenheit
Ist keine besser: denn ich glaube sicher,
Du wirst nicht sagen, was du selbst nicht weißt,
Und so weit, liebes Käthchen, trau ich dir.