Nachwort
Die Tagespresse hat unsere Leser von den näheren Umständen, die mit dem unerwarteten und betrübenden Tod des Herrn Pym in Zusammenhang stehen, genau unterrichtet. Es ist zu befürchten, daß die wenigen Kapitel, die seine Erzählung abschließen sollten und die er, während das übrige bereits im Druck war, noch einmal durchzusehen beabsichtigte, durch den Unfall, der ihm das Leben kostete, vernichtet worden sind. Doch vielleicht ist diese Sorge unbegründet, und dann sollen die fehlenden Papiere noch nachträglich der Öffentlichkeit übergeben werden.
Man hat auf jede Art danach getrachtet, die Lücke auszufüllen. Der Herr, dessen Name in der Vorrede erwähnt ist und der, nach den dortigen Ausführungen zu urteilen, einen Ersatz zu schaffen wohl imstande wäre, hat den Auftrag abgelehnt; er tat das aus zureichenden Gründen, die mit der allgemeinen Ungenauigkeit der ihm vorgelegten Einzelheiten und mit den Zweifeln im Zusammenhang stehen, die er in die Wahrhaftigkeit des letzten Teiles von Pyms Bericht zu setzen gezwungen ist. Peters, von dem einiges zu erfahren wäre, lebt noch und hält sich gegenwärtig in Illinois auf, seine nähere Adresse ist aber nicht zu ermitteln. Hoffentlich gelingt es, ihn später aufzufinden; er wird dann ohne Zweifel den Stoff, der für die Beendigung von Herrn Pyms Geschichte nötig ist, zu liefern imstande sein.
Der Verlust von zwei oder drei abschließenden Kapiteln – mehr dürften es nicht sein – ist um so mehr zu beklagen, als sie gewiß Mitteilungen über den Pol selbst oder wenigstens über die ihm zunächst gelegenen Länder enthielten; auch wäre es interessant gewesen, die Meldungen des Verfassers an Hand der Untersuchungen, die eine von unserer Regierung geplante Südpolexpedition anstellen wird, auf ihre Richtigkeit zu prüfen.
Über einen Punkt des Berichtes wäre wohl einiges Bemerkenswerte zu sagen; und es würde dem Verfasser dieses Anhanges nicht wenig Freude bereiten, wenn seine Äußerungen an dieser Stelle geeignet sein sollten, der denkwürdigen Veröffentlichung Pyms eine höhere Glaubwürdigkeit zu verleihen. Wir denken dabei an die Klüfte der Insel Tsalal und die im dreiundzwanzigsten Kapitel des Buches enthaltene Darstellung ihrer ungewöhnlichen Gestalt.
Herr Pym hat sich jeden Kommentars enthalten, was die Klüfte anbetrifft; und die Ähnlichkeit der am Ende der östlichsten Schlucht eingekratzten Zeichen mit Buchstaben des Alphabetes will ihm als ein Spiel der Einbildungskraft erscheinen. Das muß sein Ernst sein, denn er behauptet es mit schlichter Überzeugung und glaubt durch Einpassung der im Staub vorgefundenen Splitter einen sicheren Beweis für seine Ansicht erbracht zu haben; kein vernünftiger Leser wird ihm darin mißtrauen. Da jedoch die Tatsachen, die sich auf alle Figuren beziehen, höchst eigentümlicher Art sind – besonders wenn man andere Stellen des Berichtes mit ihnen in Zusammenhang bringt –, so möchten doch ein paar Worte darüber erlaubt sein, um so mehr, als die erwähnten Tatsachen Herrn Poes Scharfsinn ohne Zweifel entgangen sind.
Wenn man die Figuren 1, 2, 3 und 5, die von den vier Klüften oder Pingen gebildet werden, in topographischer Reihenfolge nebeneinander stellt (die Abzweigungen und Tore, die nur zur Verbindung zwischen den Haupträumen dienen, kommen hier nicht in Betracht), so bilden sie eine äthiopische Wurzel – die Wurzel des Zeitwortes Symbol »schattig sein«, von dem alle Ausdrücke für Schatten und Dunkel abgeleitet werden.
Was nun die linken oder die nördlichsten der in die Wand gekratzten Linien in Figur 4 anbetrifft, so ist es nicht mehr als wahrscheinlich, daß Peters recht hatte: Diese Hieroglyphe ist künstlich hervorgebracht und sollte eine menschliche Gestalt vorstellen. Der Leser hat die Skizze vor Augen und wird gewiß die Ähnlichkeit bemerken. Die übrigen Einschnitte bestätigen jene Annahme auf ganz überraschende Weise. Die obere Zeichenreihe offenbart sich als die Wurzel des arabischen Zeitwortes Symbol »weiß sein«, von dem alle Ausdrücke für Glanz und Weiße abgeleitet sind. Schwieriger ist die Deutung der unteren Reihe. Die Zeichen sind, wenigstens in Pyms Bleistiftkopie, etwas unklar und vielfach unterbrochen; dennoch ist kein Zweifel möglich, daß sie in ihrem ursprünglichen Zustand das vollständige ägyptische Wort Symbol »Die Region des Südens« gebildet haben. Diese Deutung gibt der Ansicht Peters' über die nördlichste Figur recht. Der ausgestreckte Arm zeigt nach Süden.
Diese Feststellungen eröffnen dem Nachdenken und allerhand aufregenden Vermutungen ein weites Feld. Man sollte sie doch wohl mit einigen, nur flüchtig ausgeführten Einzelheiten des Berichtes in Verbindung bringen, obwohl sich ein lückenloser Zusammenhang nirgends ergeben könnte. »Tekeli-li!« war der Ruf der entsetzten Bewohner von Tsalal, als sie den Körper des im Meer aufgefischten weißen Tieres erblickten. »Tekeli-li!« stöhnte schaudernd der gefangene Tsalalier, als ihm die weißen Gegenstände in Herrn Pyms Besitz vor Augen gerieten. Dieser Ausruf gleicht vollkommen dem Schrei der schnellfliegenden, ungeheuren weißen Vögel, die unter dem weißen Dunstvorhang des Südens hervorrauschten. Nichts Weißes war auf Tsalal und auf den benachbarten Inseln zu finden. Es scheint nicht unmöglich, daß »Tsalal«, der Name des Eilands der Klüfte, sich einer genaueren philologischen Nachforschung entweder als ein auf jene Zerklüftung hindeutendes Wort offenbaren oder eine Beziehung zu den geheimnisvollen äthiopischen Zeichen, die dort im Felsengrund eingegraben sind, aufweisen wird.
»Ich grub mein Wort in das Angesicht der Berge und schrieb meine Rache in das Herz des Felsens.«