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Dialektik

Dialektik (gr. hê dialektikê sc. technê) ist eigentlich die Kunst der Unterredung, dann die Kunst einer methodischen wissenschaftlichen Forschung, also das, was wir gewöhnlich Logik nennen. Die Sophisten (5. Jahrh. v. Chr.) verstanden darunter die Kunst des logischen Scheins, die Fertigkeit, den Gegner durch Fang- und Fehlschlüsse zu täuschen. Als Erfinder dieser Dialektik wird Zenon der Eleate (5. Jahrh. v. Chr.) genannt. Sokrates (469-399) gestaltete die Dialektik zur Kunst mit anderen zu meditieren (Sokratische Methode) um. Bei Platon (427-347) ist es die Methode, einen Gegenstand begrifflich zu erforschen. Der Eros, welcher das Endliche zum Unendlichen zu erhöhen strebt, ist der philosophische Trieb; das Mittel, die Wahrheit zu erlangen, ist die Dialektik, d.h. die Gesprächskunst. Da sie aber die Wahrheit sucht, so ist die Dialektik schließlich die Wissenschaft von dem wahrhaft Seienden, von den Ideen (Rep. VI, 511 B. Phil. 58A). Aristoteles (384-322) hingegen unterschied wissenschaftliche Beweise von den bloß dialektischen und verstand unter letzteren die Wahrscheinlichkeitsbeweise. Die Dialektik deckt die verschiedenen Seiten auf, von denen aus ein Gegenstand betrachtet werden kann, und dient daher namentlich zur Aufsuchung der verschiedentlichen Prinzipien. (Vgl. Arist. Top. I, 2 p. 101b 2ff.). So näherte sich der Begriff der Dialektik wieder bei Aristoteles dem der Sophistik. Auch bei den Stoikern galt sie wieder als die Kunst gut zu reden (epistêmê tou eu legein). Für Kant (1724-1804) ist die Dialektik nicht die Kunst, sondern die Kritik des dialektischen Scheins der Logik; sie kritisiert die Ideen, die eine unmittelbare objektive Beziehung nicht haben, und sie entwickelt z.B. in der Lehre von der Antinomie der reinen Vernunft den scheinbaren Widerstreit der Vernunft mit sich selbst in bezug auf die Welt als Ganzes und die das Geschehen in ihr betreffenden Fragen. (Kr. d. r. V., S.62ff.) Schleiermacher (1768-1834) und Hegel (1770-1831) hingegen sind zur platonischen Bedeutung zurückgekehrt. Jener betrachtet die Dialektik als eine Architektonik alles Wissens, als Organon für das richtige Verfahren im zusammenhängenden Fortschreiten alles Denkens und als Kriterium für jedes Einzeldenken, welches Wissen zu sein beansprucht. Hegel sieht in ihr die allein wissenschaftliche, dem Gegenstand der Erkenntnis selbst immanente Methode, deren Wesen darauf beruht, daß nicht bei den abstrakten Bestimmungen der Begriffe stehn geblieben, sondern über diese hinausgegangen und dadurch der wahrhaft wissenschaftliche Fortschritt gewonnen wird. Sie ist die Aufzeigung der dem Gegenstand selbst innewohnenden Widersprüche; denn alles Endliche schlägt in sein eigenes Gegenteil um, damit es sich kraft dieser Diremption zu einer höheren, reicheren Einheit erhebe. Das dialektische Denken steht mithin zwischen dem abstrakt verständigen, welches an der sicheren Bestimmtheit der Begriffe festhält, und dem spekulativen Denken, das die Einheit des Entgegengesetzten als das Affirmative betont, was in ihrer Auflösung und ihrem Übergehen enthalten ist. Die dialektische Methode betrachtet das Umschlagen jedes Begriffs in sein Gegenteil und die Vermittlung des Gegensatzes zu der höheren Einheit (Thesis – Antithesis – Synthesis); in ihr ist sowohl der bloß unterscheidende Verstand, wie auch die bloß die Unterschiede aufhebende negative Vernunft oder Skepsis als Moment enthalten. Vgl. H. Ulrici, Prinzip und Methode d. Hegelsch. Philos. 1841. Über das Unhaltbare der dialektischen Methode Hegels siehe conträr und contradictorisch. – Neuerdings hat den Namen Dialektik wieder aufgenommen E. Dühring in seiner natürlichen Dialektik, 1866. Vgl. Maieutik.