I. Bis um 1760


Zunächst schien es, als werde sich unser Philosoph, mindestens in Erkenntnistheorie und Metaphysik, nicht wesentlich von der zeitgenössischen Philosophie entfernen. Er bewegt sich wenigstens größtenteils in den Formen und Kunstausdrücken der Leibniz-Wolffschen Schule, wenn auch von vornherein mit einer gewissen Selbständigkeit. So in seiner lateinisch geschriebenen Habilitationsschrift (1755), in der er die »Neue Beleuchtung der ersten Prinzipien der metaphysischen Erkenntnis« wesentlich vom Leibnizschen Gesichtspunkte aus, wenngleich mit bemerkenswerten Änderungen, vollzieht. - Die naturwissenschaftlichen Schriften zeigen eine größere Selbständigkeit, die sich auch in seinem, im Gegensatz zu den meisten seiner philosophischen Zeitgenossen erfolgten, Anschluß an Newton offenbart. Schon die Erstlingsschrift des 23 jährigen (Titel S. 174) hatte sich kühn den Autoritäten entgegenzustellen gewagt; denn man soll, wenn es sich um die Entdeckung der Wahrheit handelt, »keinen anderen Überredungen als dem Zuge des Verstandes gehorchen« Die bedeutendste Schrift aus dieser ersten, wesentlich naturphilosophischen Periode ist die Friedrich II. gewidmete Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels (1755), welche aus dem hypothetisch vorausgesetzten nebelähnlichen Urzustand der Materie mit ihren zwei Kräften (Anziehungs - und Abstoßungskraft) die Entstehung unseres gesamten Sonnensystems ableitete: die bekannte, vier Jahrzehnte später durch den Franzosen Laplace selbständig weiter ausgeführte, in ihrem Kern heute noch nicht ernstlich bestrittene Kant-Laplacesche Theorie. Philosophisch zeigt die infolge äußerer Umstände anfangs wenig bekannt gewordene Schrift bereits die Grundstimmung seines späteren Kritizismus, reinliche Scheidung der Wissensgebiete: auf dem naturwissenschaftlichen streng-mechanische Auffassung, während auf dem ethischen der religiösen Vorstellung ihr voller Anspruch gewahrt bleibt. - Die einzelnen Atome sind, wie die Monadologia physica (1756) entwickelt, indem sie Leibniz mit Newton zu vereinen sucht, Kraftpunkte, die auf gesetzmäßige Weise zusammenwirken und so den großen Urzusammenhang der Natur erweisen.


 © textlog.de 2004 • 08.12.2024 18:40:57 •
Seite zuletzt aktualisiert: 29.10.2006 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright