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Ontologischer Gottesbeweis

Ontologischer Gottesbeweis. Von Kant erst neu zu begründen versucht, dann verworfen. „Was ... unbedingt notwendig existieren soll, das existiert nicht irgendeinem Grunde zuliebe, sondern, weil sein Gegenteil ganz undenkbar ist. Diese Unmöglichkeit des Gegenteils ist der Grund für die Erkenntnis seines Daseins; aber an einem voraufgehend-bestimmenden Grunde fehlt es ihm.“ „Indem wir uns den Begriff eines Wesens bilden, das wir Gott nennen, haben wir ihn so bestimmt, daß auch sein Dasein in ihm enthalten ist. Ist also dieser so gebildete Begriff ein wahrer, so ist es auch wahr, daß er Dasein hat“, N. diluc. Propos. 6, Scholion (V 1, 16). — „Es gibt ein Wesen, dessen Dasein seiner eigenen und aller Dinge Möglichkeit vorausgeht, von dem deshalb zu sagen ist, daß sein Dasein unbedingt notwendig ist. Es heißt: Gott.“ Nichts kann als möglich vorgestellt werden, „wenn nicht das, was in jedem möglichen Begriff real ist, Dasein hat, und zwar ein unbedingt notwendiges Dasein“, ibid. Propos. 7 (V 1, 17 f.). Auf die Frage: „ob es möglich sei, daß ganz und gar nichts existiere?“ ist zu sagen, „daß alsdann gar kein Dasein gegeben ist, auch nichts zu denken, und keine Möglichkeit stattfinde“. Die Untersuchung des Begriffs vom „Dasein desjenigen, was aller Möglichkeit zum Grunde liegen muß“, ergibt den Begriff des „schlechterdings notwendigen Wesens“, Nat. Theol. 4. Btr. § 1 (V 1, 142). Das Dasein Gottes ist, rein begrifflich, nur aus der inneren Möglichkeit der Dinge abzuleiten. Es kann nichts möglich sein ohne ein Wirkliches, ein Seiendes, da sonst kein Material zum Denkbaren, Möglichen bestände (vgl. Sein). Es ist schlechterdings unmöglich, daß nichts existiert. „Alle Möglichkeit ist in irgend etwas Wirklichem gegeben, entweder in demselben als eine Bestimmung, oder durch dasselbe als eine Folge“, Beweisgr. Gottes 1. Abt. 2. Btr. (VI 28 ff.). „Es existiert ein schlechterdings notwendiges Wesen.“ Weil das notwendige Wesen den letzten Realgrund aller anderen Möglichkeit enthält, so ist jedes andere Ding nur möglich, sofern es durch ihn als einen Grund gegeben ist, also nur als eine Folge von ihm. Es können also nicht mehrere Dinge absolut notwendig sein: das notwendige Wesen ist einig. Es ist ferner einfach, unveränderlich, ewig, es enthält die höchste Realität (da die Data zu aller Möglichkeit in ihm anzutreffen sein müssen), es ist ein Geist (es hat Verstand und Willen, da doch von den Realitäten ihm nichts fehlen kann). Es existiert also ein Gott, ibid. 3. Btr. (VI 32 ff.) Gegenüber dem üblichen ontologischen Gottesbeweis aber ist zu bemerken: Das Dasein ist kein Prädikat; die Aufhebung des Daseins ist keine Verneinung eines Prädikats, wodurch ein innerer Widerspruch entstehen könnte, denn die logischen Beziehungen zwischen dem Dinge als einem Möglichen und seinen Prädikaten bleiben gleichwohl. Die bloß „logische“ Notwendigkeit ist von der absoluten „Realnotwendigkeit“ zu unterscheiden, ibid. (VI 32 f.). Nur das, dessen Nichtsein das Material zu allem Möglichen (Denkbaren) aufhebt, ist realnotwendig (vgl. oben). Der Begriff eines absolutnotwendigen Wesens ist ein „reiner Vernunftbegriff“, d. h. eine bloße „Idee“, „deren objektive Realität dadurch, daß die Vernunft ihrer bedarf, noch lange nicht bewiesen ist“. Die unbedingte Notwendigkeit (s. d.) der Urteile ist „nicht eine absolute Notwendigkeit der Sachen“, nur eine bedingte Notwendigkeit dieser (wenn A ist, so ist B). „Wenn ich das Prädikat in einem identischen Urteile aufhebe und behalte das Subjekt, so entspringt ein Widerspruch, und daher sage ich: jenes kommt diesem notwendigerweise zu. Hebe ich aber das Subjekt zusamt dem Prädikate auf, so entspringt kein Widerspruch; denn es ist nichts mehr, welchem widersprochen werden könnte.“ Hebt man also das Dasein eines absolutnotwendigen Wesens auf, so hebt man das Ding selbst samt allen seinen Prädikaten auf; da kann es keinen Widerspruch geben. Sage ich: Gott ist allmächtig, so kann die Allmacht nicht aufgehoben werden, wenn eine Gottheit, d. h. ein unendliches Wesen gesetzt wird. Sagt man aber: Gott ist nicht, so ist in diesem Gedanken kein Widerspruch, KrV tr. Dial. 2. B. 3. H. 4. Abs. (I 512 ff.—Rc 650 ff.). Wendet man nun ein, es gebe Subjekte, die gar nicht aufgehoben werden können, d. h. schlechthin notwendige Subjekte, so ist doch von solchen nicht der geringste Begriff möglich. Meint man nun, nur eben der Begriff des allerrealsten Wesens sei ein solcher Begriff, dessen Aufhebung in sich widersprechend ist, und man sei berechtigt, ein solches Wesen als möglich anzunehmen, so ist darauf zu erwidern: Erstens beweist der sich nicht widersprechende Begriff noch lange nicht die Möglichkeit (s. d.) des Gegenstandes. Zweitens, man begeht schon einen Widerspruch, wenn man in den Begriff eines als möglich gedachten Dinges schon den Begriff seiner Existenz hineinbringt, was nur eine Tautologie bedeutet. Ist aber jeder Existenzialsatz synthetisch — und er ist es in der Tat — wie kann man behaupten, daß das Prädikat der Existenz sich ohne Widerspruch nicht aufheben lasse, da dieser Vorzug nur den analytischen Sätzen eignet? ibid. (I 514 ff.—Rc 652 ff.).

„Sein“ ist kein „reales Prädikat“, d. h. kein „Begriff von irgend etwas, was zu dem Begriffe eines Dinges hinzukommen könne“. „Es ist bloß die Position eines Dinges oder gewisser Bestimmungen an sich selbst.“ „Der Satz: Gott ist allmächtig, enthält zwei Begriffe, die ihre Objekte haben: Gott und Allmacht; das Wörtchen: ist, ist nicht noch ein Prädikat obenein, sondern nur das, was das Prädikat beziehungsweise aufs Subjekt setzt. Nehme ich nun das Subjekt (Gott) mit allen seinen Prädikaten (worunter auch die Allmacht gehört) zusammen und sage: Gott ist, oder es ist ein Gott, so setze ich kein anderes Prädikat zum Begriffe von Gott, sondern nur das Subjekt an sich selbst mit allen seinen Prädikaten, und zwar den Gegenstand in Beziehung auf meinen Begriff. Beide müssen genau einerlei enthalten, und es kann daher zu dem Begriffe, der bloß die Möglichkeit ausdrückt, darum, daß ich dessen Gegenstand als schlechthin gegeben (durch den Ausdruck: er ist) denke, nichts weiter hinzukommen. Und so enthält das Wirkliche nichts mehr als das bloß Mögliche. Hundert wirkliche Thaler enthalten nicht das mindeste mehr als hundert mögliche ... Aber in meinem Vermögenszustande ist mehr bei hundert wirklichen Thalern, als bei dem bloßen Begriffe derselben (d. i. ihrer Möglichkeit). Denn der Gegenstand ist bei der Wirklichkeit nicht bloß in meinem Begriffe analytisch enthalte, sondern kommt zu meinem Begriffe ... synthetisch hinzu, ohne daß durch dieses Sein außerhalb meinem Begriffe diese gedachten hundert Thaler selbst im mindesten vermehrt werden“, ibid. (I 515 ff.—Rc 653 ff.). „Wenn ich also ein Ding ... denke, so kommt dadurch daß ich noch hinzusetze, dieses Ding ist, nicht das mindeste zu dem Dinge hinzu.“ „Denke ich mir nun ein Wesen als die höchste Realität (ohne Mangel), so bleibt noch immer die Frage, ob es existiere oder nicht.“ „Unser Begriff von einem Gegenstande mag also enthalten, was und wieviel er wolle, so müssen wir doch aus ihm herausgehen, um diesem die Existenz zu erteilen. Bei Gegenständen der Sinne geschieht dieses durch den Zusammenhang mit irgendeiner meiner Wahrnehmungen nach empirischen Gesetzen; aber für Objekte des reinen Denkens ist ganz und gar kein Mittel, ihr Dasein zu erkennen, weil es gänzlich a priori erkannt werden müßte, unser Bewußtsein aller Existenz aber (es sei durch Wahrnehmung unmittelbar oder durch Schlüsse, die etwas mit der Wahrnehmung verknüpfen) gehört ganz und gar zur Einheit der Erfahrung, und eine Existenz außer diesem Felde kann zwar nicht schlechterdings für unmöglich erklärt werden, sie ist aber eine Voraussetzung, die wir durch nichts rechtfertigen können.“ „Der Begriff eines höchsten Wesens ist eine in mancher Absicht sehr nützliche Idee; sie ist aber eben darum, weil sie bloß Idee ist, ganz unfähig, um vermittelst ihrer allein unsere Erkenntnis in Ansehung dessen, was existiert, zu erweitern“, ibid. (I 517 ff.—Rc 656 ff.). Der ontologische Gottesbeweis liegt allen anderen spekulativen Gottesbeweisen zugrunde (vgl. Kosmologischer, Physikotheologischer Gottesbeweis, Notwendig).

„Wahr ist es, daß, wenn wir uns a priori von einem Dinge überhaupt, also ontologisch einen Begriff machen wollen, wir immer zum Urbegriff den Begriff von einem allerrealsten Wesen in Gedanken zum Grunde legen; denn eine Negation, als Bestimmung eines Dinges, ist immer nur abgeleitete Vorstellung, weil man sie als Aufhebung (remotio) nicht denken kann, ohne vorher die ihr entgegengesetzte Realität als etwas, das gesetzt wird (positio s. reale), gedacht zu haben, und so, wenn wir diese subjektive Bedingung des Denkens zur objektiven der Möglichkeit der Sachen selbst machen, alle Negationen bloß wie Schranken des Alleinbegriffes der Realitäten, mithin alle Dinge, außer diesem einen ihrer Möglichkeit, nur als von diesem abgeleitet müssen angesehen werden.“ „Dieses Eine, welches sich die Metaphysik nun, man wundert sich selbst wie, hingezaubert hat, ist das höchste metaphysische Gut. Es enthält den Stoff zur Erzeugung aller anderen möglichen Dinge.“ Hierbei wird das Böse der Dinge als Einschränkung, Negation gedacht, „und die Weltwesen sind darum nur böse, weil sie nur Teile und nicht das Ganze ausmachen, sondern zum Teil real, zum Teil negativ sind, bei welcher Zimmerung einer Welt dieser metaphysische Gott (das realissimum) gleichwohl sehr in den Verdacht kommt, daß er mit der Welt (unerachtet aller Protestationen wider den Spinozismus) als einem All existierender Wesen einerlei sei“. Aber auch abgesehen von diesen Einwürfen sind die ontologischen Beweise unhaltbar. Zwei solche Argumente sind möglich. „Entweder man schließt aus dem Begriffe des allerrealsten Wesens auf das Dasein desselben oder aus dem notwendigen Dasein irgendeines Dinges auf einen bestimmten Begriff, den wir uns von ihm zu machen haben.“ „Das erste Argument schließt so: Ein metaphysisch allervollkommenstes Wesen muß notwendig existieren; denn wenn es nicht existierte, so würde ihm eine Vollkommenheit, nämlich die Existenz, fehlen.“ „Das zweite schließt umgekehrt: Ein Wesen, das als ein notwendiges existiert, muß alle Vollkommenheit haben; denn, wenn es nicht alle Vollkommenheit (Realität) in sich hätte, so würde es durch seinen Begriff nicht als a priori durchgängig bestimmt, mithin nicht als notwendiges Wesen gedacht werden können.“ Das erste Argument ist unhaltbar, weil darin „das Dasein als eine besondere, über den Begriff eines Dinges zu diesem hinzugesetzte Bestimmung gedacht wird, da es doch bloß die Setzung des Dinges mit allen feinen Bestimmungen ist, wodurch dieser Begriff also gar nicht erweitert wird“. Das zweite Argument geht in den „kosmologischen“ (s. d.) Beweis über, Fortschr. d. Metaph. 2. Abt. Auflösung der Aufgabe, Transzend. Theologie (V 3, 133 ff.); vgl. N 4661, 5759 ff., 6275 f. Vgl. Existenz.