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Praktische Urteilskraft

Urteilskraft, praktische. Die Begriffe des Guten und Bösen „bestimmen dem Willen zuerst ein Objekt“. „Sie stehen selbst aber unter einer praktischen Regel der Vernunft, welche, wenn sie reine Vernunft ist, den Willen a priori in Ansehung seines Gegenstandes bestimmt.“ „Ob nun eine uns in der Sinnlichkeit mögliche Handlung der Fall sei, der unter der Regel stehe oder nicht, dazu gehört praktische Urteilskraft, wodurch dasjenige, was in der Regel allgemein (in abstracto) gesagt wurde, auf eine Handlung in concreto angewandt wird.“ Für diese Anwendung gibt es keine „Schemate“ (s. d.), da das Sittlichgute etwas Übersinnliches, also nichts Anschauliches ist. Es kommt aber bei der „Subsumtion einer mir in der Sinnenwelt möglichen Handlung unter einem reinen praktischen Gesetze“ nicht die Möglichkeit der Handlung als einer Begebenheit in der Sinnenwelt in Betracht. Dem Naturgesetze muß ein „Schema“ korrespondieren. Aber „dem Gesetze der Freiheit (als einer gar nicht sinnlich bedingten Kausalität), mithin auch dem Begriffe des Unbedingt-Guten“ kann „keine Anschauung, mithin kein Schema zum Behuf seiner Anwendung in concreto untergelegt werden“. Folglich hat das Sittengesetz „kein anderes die Anwendung desselben auf Gegenstände der Natur vermittelndes Erkenntnisvermögen als den Verstand (nicht die Einbildungskraft), welcher einer Idee der Vernunft nicht ein Schema der Sinnlichkeit, sondern ein Gesetz, aber doch ein solches. das an Gegenständen der Sinne in concreto dargestellt werden kann, mithin ein Naturgesetz, aber nur seiner Form nach, als Gesetz zum Behuf der Urteilskraft unterlegen kann, und dieses können wir daher den Typus des Sittengesetzes nennen“. „Die Regel der Urteilskraft unter Gesetzen der reinen praktischen Vernunft ist diese: Frage dich selbst, ob die Handlung, die du vorhast, wenn sie nach einem Gesetze der Natur, von der du selbst ein Teil wärest, geschehen sollte, sie du wohl als durch deinen Willen möglich ansehen könntest? Nach dieser Regel beurteilt in der Tat jedermann Handlungen, ob sie sittlich gut oder böse sind.“ Diese Vergleichung der Maxime des Handelns mit einem allgemeinen Naturgesetze ist nicht der Bestimmungsgrund des Willens, aber doch ein „Typus“ der Beurteilung der Maxime nach sittlichen Prinzipien. „Wenn die Maxime der Handlung nicht so beschaffen ist. daß sie an der Form eines Naturgesetzes überhaupt die Probe hält, so ist sie sittlich unmöglich.“ „Es ist also erlaubt, die Natur der Sinnenwelt als Typus einer intelligiblen Natur zu brauchen, solange ich nur nicht die Anschauungen, und was davon abhängig ist, auf diese übertrage, sondern bloß die Form der Gesetzmäßigkeit überhaupt ... darauf beziehe. Denn Gesetze als solche sind sofern einerlei, sie mögen ihre Bestimmungsgründe hernehmen, woher sie wollen.“ Diese Typik bewahrt vor dem Empirismus wie vor dem Mystizismus. „Dem Gebrauche der moralischen Begriffe ist bloß der Rationalismus der Urteilskraft angemessen, der von der sinnlichen Natur nichts weiter nimmt, als was auch reine Vernunft für sich denken kann, d. i. die Gesetzmäßigkeit, und in die übersinnliche nichts hineinträgt, als was umgekehrt sich durch Handlungen in der Sinnenwelt nach der formalen Regel eines Naturgesetzes überhaupt wirklich darstellen läßt“, Kp VI. B. 2. H. V. der Typik ... (II 87 ff.).