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Bewegung

Bewegung. Die Bewegung ist eine allgemeine Eigenschaft der körperlichen Erscheinungen; sie ist selbst Erscheinung, nicht Eigenschaft des „Ding an sich“ als solchen. Alle Bewegungen sind relativ; eine absolute Bewegung ist nicht gegeben (wohl aber eine „wahre“). Der Bewegung liegen anziehende und abstoßende Kräfte zugrunde. Der Begriff der Bewegung ist kein apriorischer Begriff, wenn auch der Raum (s, d.), auf den er sich bezieht, etwas Apriorisches (eine „reine Anschauung“) ist; die Bewegung als solche (abgesehen von dem, was sich im Raum bewegt) setzt eine Synthese seitens des Verstandes voraus.

Die Bewegung ist „nur das äußerliche Phänomenon des Zustandes des Körpers, da er zwar nicht wirket, aber doch bemüht ist zu wirken“. „Der Körper wird ... seine Kraft nicht auf einmal, sondern nach und nach anwenden“, und zwar „immer in andern Substanzen“, die eine andere Relation des Orts und der Lage haben; d. h. der Körper „verändert seinen Ort, indem er sukzessive wirket“, Schätzung d. leb.. Kräfte §§ 3 f. (VII 3, 17 ff.). Es gibt zwei Hauptarten der Bewegung. „Die eine hat die Eigenschaft, daß sie sich in dem Körper, dem sie mitgeteilet worden, selber erhält und ins unendliche fortdauert, wenn kein Hindernis sich entgegen setzet. Die andere ist eine immerwährende Wirkung einer stets antreibenden Kraft, bei der nicht einmal ein Widerstand nötig ist, sie zu vernichten, sondern die nur auf der äußerlichen Kraft beruhet und eben so bald verschwindet, als diese aufhöret, sie zu erhalten.“ Die Bewegung von der ersteren Art ist vom „toten Druck“ nicht unterschieden; die von der zweiten Art „setzet eine Kraft voraus, die sich wie das Quadrat der Geschwindigkeit verhält“, ibid. §§ 15—17 (VII 3, 29 f.). Ein Körper kann auch durch die Wirkung einer ruhenden Materie eine wirkliche Bewegung erhalten. Die „allerersten Bewegungen“ in diesem Weltgebäude sind nicht durch die Kraft einer bewegten Materie hervorgebracht worden, denn sonst würden sie nicht die ersten sein. „Ist nun die Bewegung durch die Kraft einer an sich toten und unbewegten Materie in die Welt zu allererst hineingebracht worden, so wird sie sich auch durch dieselbe erhalten und, wo sie eingebüßet hat, wiederherstellen können“, ibid. § 51 (VII 3, 71). Die Bewegung ist „die Veränderung des Ortes“. Der Ort eines Dinges wird erkannt durch die Lage, „durch die Stellung oder durch die äußere Beziehung desselben gegen andere“. Ein Körper kann in bezug auf gewisse äußere Gegenstände ruhen, in Beziehung auf andere aber ist er bewegt, Bewegung und Ruhe sind also relativ. „Unerachtet aller Ruhe ..., darin der Körper B in Ansehung der andern nächsten Gegenstände des Raumes sein mag, hat er dennoch eine wahrhafte Bewegung in Ansehung eines jeden Körpers, der gegen ihn anrückt, und zwar eine Bewegung. die jenes seiner gleich ist,“ Die beiden Körper nähern sich einander, einer mit so viel Kraft als der andere. 1. „Ein jeder Körper, in Ansehung dessen sich ein anderer bewegt, ist auch selber in Ansehung jenes in Bewegung. und es ist also unmöglich, daß ein Körper gegen einen andern anlaufen sollte, der in absoluter Ruhe ist.“ 2. „Wirkung und Gegenwirkung ist in dem Stoße der Körper immer gleich“, Neuer Lehrbegr. d. Beweg, u. Ruhe, Neue Begriffe... (VII 3, 398 ff.). „Die Ruhe ist als eine unendlich kleine Bewegung anzusehen“, ibid. V. d. Gesetze der Kontinuität Anm. (VII, 3, 405).

Die Bewegung (welche Raum und Zeit vereinigt) setzt etwas „Empirisches“ voraus, nämlich die „Wahrnehmung von etwas Beweglichem“. „Im Raum, an sich selbst betrachtet, ist aber nichts Bewegliches; daher das Bewegliche etwas sein muß, was im Raum nur durch Erfahrung gefunden wird, mithin ein empirisches Datum“, KrV tr. Ästh. § 7 (I 95—Rc 112 f.). „Bewegung eines Objekts im Raume gehört nicht in eine reine Wissenschaft, folglich auch nicht in die Geometrie, weil, daß Etwas beweglich sei, nicht a priori, sondern nur durch Erfahrung erkannt werden kann. Aber Bewegung, als Beschreibung eines Raumes, ist ein reiner Aktus der sukzessiven Synthesis des Mannigfaltigen in der äußeren Anschauung überhaupt durch produktive Einbildungskraft, und gehört nicht allein zur Geometrie, sondern sogar zur Transzendentalphilosophie“, KrV tr. Anal. § 24 1. Anm. (I 167—Rc 209). Bewegung als Handlung des Subjekts, als „Synthesis des Mannigfaltigen im Raume, wenn wir von diesem abstrahieren und bloß auf die Handlung Acht haben, dadurch wir den inneren Sinn seiner Form gemäß bestimmen, bringt . .. den Begriff der Sukzession zuerst hervor“, ibid. § 24 (I 167—Rc 209). Es ist zu beachten, daß die Bewegung nicht die Wirkung des unbekannten Ding an sich, sondern bloß die Erscheinung des „Einflusses“ dieser „unbekannten Ursache“ auf unsere Sinne ist, daß sie also nicht selbst in uns Vorstellungen wirkt, sondern selbst „bloße Vorstellung“ ist, KrV 1. A. tr. Dial. 2. B. 1. H. Betr. üb. d. Summe.. (I 756—Rc 476 f.); vgl. Materie, Seele, Körper.

Alle Bewegung, die ein Gegenstand der Erfahrung ist, ist „bloß relativ“ (im relativen Raum), der freilich ins Unendliche einen anderen relativen Raum (s. d.) voraussetzt, Anfangsgr. d. Naturw. 1. H. Erklär. 1. Anmerk. 2 (VII 2, 205 f.). „Bewegung eines Dinges ist die Veränderung der äußeren Verhältnisse desselben zu einem gegebenen Raum“, ibid. Erklär. 2 (VII 2, 207). Es gibt Bewegung, die nicht Ortsveränderung ist (Achsendrehung), ibid. Anmerk. 1 (VII 2,207). Die beiden Momente der Bewegung sind Richtung und Geschwindigkeit, ibid. Anmerk. 3 (VII 2, 209 f.). Ruhe ist nicht Mangel an Bewegung, sondern „beharrliche Gegenwart an demselben Orte“. Der Begriff der Ruhe kann auch durch die „Vorstellung einer Bewegung mit unendlich kleiner Geschwindigkeit, eine endliche Zeit hindurchkonstruiert und angewandt werden“, ibid. Erklär. 3 Anmerk. (VII 2, 213). — Den Begriff einer zusammengesetzten Bewegung konstruieren, heißt „eine Bewegung, sofern sie aus zweien oder mehreren gegebenen in einem Beweglichen vereinigt entspringt, a priori in der Anschauung darstellen“, ibid. Erklär. 4 (VII 2, 213). Jede Bewegung kann nach Belieben als „Bewegung des Körpers in einem ruhigen Raume, oder als Ruhe des Körpers und dagegen Bewegung des Raumes in entgegengesetzter Richtung mit gleicher Geschwindigkeit angesehen werden“, ibid. Grunds. 1 (VII 2, 214). Eine „absolute“ Bewegung (in Beziehung auf einen „absoluten Raum“) ist nicht erfahrbar und „für uns also nichts“. Wir sind nicht imstande, „in irgendeiner Erfahrung einen festen Punkt anzugeben, in Beziehung auf welchen, was Bewegung und Ruhe absolut heißen sollte, bestimmt würde; denn alles, was uns auf die Art gegeben wird, ist materiell, also auch beweglich, und (da wir im Raume keine äußerste Grenze möglicher Erfahrung kennen) vielleicht auch wirklich bewegt, ohne daß wir diese Bewegung woran wahrnehmen können“, ibid. Anmerk. (VII 2, 214 ff.). „Die Zusammensetzung der Bewegung ist die Vorstellung der Bewegung eines Punkts als einerlei mit zweien oder mehreren Bewegungen desselben zusammen verbunden“, ibid. Erklär. 5 (VII 2, 216). „Die Zusammensetzung zweier Bewegungen eines und desselben Punkts kann nur dadurch gedacht werden, daß die eine derselben im absoluten Raume, statt der anderen aber eine, mit der gleichen Geschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung geschehende Bewegung des relativen Raums, als mit derselben einerlei, vorgestellt wird“, ibid. Lehrs. 1 (VII 2, 218). Die Lehre der Zusammensetzung der Bewegungen ist zugleich die „reine Größenlehre“ derselben, und zwar „nach allen drei Momenten, die der Raum an die Hand gibt, der Einheit der Linie und Richtung, der Vielheit der Richtungen in einer und derselben Linie, endlich der Allheit der Richtungen sowohl als der Linien, nach denen die Bewegung geschehen mag, welches die Bestimmung aller möglichen Bewegung als eines Quantum enthält, wiewohl die Quantität derselben (an einem beweglichen Punkte) bloß in der Geschwindigkeit besteht“, ibid. Anmerk. 3 (VII 2, 225 f.).

„Die Bewegung ist, so wie alles, was durch Sinne vorgestellt wird, nur als Erscheinung gegeben. Damit ihre Vorstellung Erfahrung werde, dazu wird noch erfordert, daß etwas durch den Verstand gedacht werde, nämlich zu der Art, wie die Vorstellung dem Subjekte inhaliert, noch die Bestimmung eines Objekts durch dieselbe. Also wird das Bewegliche, als ein solches, ein Gegenstand der Erfahrung, wenn ein gewisses Objekt (hier also ein materielles Ding) in Ansehung des Prädikats der Bewegung als bestimmt gedacht wird“, ibid. 4. H. Erklär. Anmerk. (VII 2, 305). Die geradlinige Bewegung einer Materie ist zum Unterschiede von der entgegengesetzten Bewegung des Raumes „ein bloß mögliches Prädikat“. Ohne Relation auf eine andere Materie, d. h. „als absolute Bewegung gedacht“, ist sie unmöglich. „Durch den Begriff der Bewegung, als Gegenstandes der Erfahrung, ist es an sich unbestimmt, mithin gleichgeltend, ob ein Körper im relativen Raume, oder dieser in Ansehung jenes als bewegt vorgestellt werde“, ibid. Lehrs. 1 u. Beweis (VII 2, 306 f.). Hingegen ist die Kreisbewegung (wie jede krummlinige) einer Materie zum Unterschiede von der entgegengesetzten Bewegung des Raumes ein „wirkliches“ Prädikat derselben; die entgegengesetzte Bewegung eines relativen Raumes ist ein „bloßer Schein“. Jeder Körper in der Kreisbewegung beweist durch seine Bewegung eine bewegende Kraft, während die Bewegung des Raumes keine bewegende Kraft hat, so daß nur die erstere Bewegung eine „wirkliche“ Bewegung ist, ibid. Lehrs. 2 (VII 2, 308). — „In jeder Bewegung eines Körpers, wodurch er in Ansehung eines anderen bewegend ist, ist eine entgegengesetzte gleiche Bewegung des letzteren notwendig“, ibid. Lehrs. 3 (VII 2, 310). Der absolute Raum (s. d.) ist nur „eine Idee, welche zur Regel dienen soll, alle B, in ihm bloß als relativ zu betrachten“. Keine Bewegung oder Ruhe kann als absolut gelten, nur als „bloß relativ gegeneinander, als alternativ-wechselseitig“, ibid. Allgem. Anmerk. z. Phänomenol. (VII 2, 212 f.). Es gibt keine absolute, aber eine „wahre“ im Unterschied von der scheinbaren Bewegung, ibid. (VII 2, 314). „Absolute Bewegung würde also nur diejenige sein, die einem Körper ohne ein Verhältnis auf irgendeine andere Materie zukäme. Eine solche wäre allein die geradlinige Bewegung des Weltganzen, d. i. des Systems aller Materie“ (VII 2, 316); vgl. Altpreuß. Mth. XIX—XXI; N 4648; vgl 40, 63 u. a. (Reflex, z. Physik). Vgl. Kraft, Ruhe, Äther, Trägheit.