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Staatsverfassung

Staatsverfassung ist die Bestimmung über die Ausübung der höchsten Gewalt im Staate. Man unterscheidet 1. nach der Zahl der Herrschenden: a) Monarchie (wählbare oder erbliche Alleinherrschaft) und b) Polyarchie (Vielherrschaft, Republik), welche nach der Art und Zahl der Herrschenden a) Aristokratie (Adelsherrschaft), ß) Oligarchie (Herrschaft weniger Geschlechter) oder .)Demokratie (Volkesherrschaft) sein kann; 2. nach der Art der Herrschaft: a) unbeschränkte (Autokratie) und b) beschränkte (Synkratie) Staatsverfassungen. Daraus ergeben sich folgende Kombinationen: 1. Monarchie: a) Autokratie (Despotie), b) Konstitutionalismus; 2. Polyarchie (Republik): a) Demokratie und Aristokratie und Oligarchie; b) Repräsentativsystem. – Die Frage, die sich von selbst aufdrängt, welche Regierungsform die beste sei, ist dahin zu beantworten, daß bei der Verschiedenheit der Völker und ihrer Entwicklungsstufen nicht für jedes dieselbe Form gleich gut sei. Es hat Monarchien und Republiken gegeben, welche mächtig, glücklich und dauerhaft waren, und andrerseits hat jede Staatsform ihre Mängel. Die Monarchie ist am wenigsten der Anarchie ausgesetzt, weil sie die Staatsgewalt konzentriert; ist sie erblich, so ist eine Stetigkeit des Interesses, der Regierungsprinzipien gesichert, das gefährliche Streben Ehrgeiziger nach der Krone ausgeschlossen. Ist sie dabei konstitutionell, d.h. hat das Volk durch seine Vertreter Anteil an Gesetzgebung und Besteuerung, so ist damit genügende Garantie für die Berücksichtigung des Volkswohls gegeben; aber sie hat ihre Gefahr darin, daß Unfähige an die Spitze des Staates treten und Herrschergeschlechter entarten können. Die Republik kann die Selbsttätigkeit des Volkes hoch entwickeln und echte Tugenden erzeugen; aber sie gibt auch dem Ehrgeize weiten Spielraum und bewährt sich oft nicht in Momenten der Gefahr. Jede Staatsform muß sich aus den gegebenen Verhältnissen bilden und sich mit ihnen fortentwickeln. Konstruieren läßt sich kein Staat. Im Altertum hat Platon (4:27-347) in seiner Republik (politeia ê peri dikaiou, politikos), ohne an die bestehenden Staaten unmittelbar anzuknüpfen, eine ideale Staatsverfassung vom Begriffe der Gerechtigkeit aus zu konstruieren versucht. Aristoteles (384-322) hat auf Grund reichen Beobachtungsmaterials und in Kritik der Lehren Platons vom Idealstaate die beste mögliche Verfassungsform (eine verbesserte solonische Verfassung) aufgestellt (politika, politeiai). – Polybios (210-127) hat hierauf zu einer Zeit, wo die römische Weltherrschaft schon im Entstehen war, den Kreislauf der Verfassungen im Altertum dargestellt und die Forderung einer Verfassung, in der die Vorzüge der einzelnen Verfassungen vereinigt wären, erhoben. (Vgl. U.v. Wilamowitz- Moellendorf, Griechisches Lesebuch, Berlin 1902. Erster Halbband). Cicero (106-43) hat in seinen politischen Schriften (de re publica, de legibus) die römische Staatsverfassung idealisiert. Bei Beginn des Mittelalters hat Augustinus (353-430) in seiner Schrift de civitate dei libri XXII (413-426) die weltgeschichtliche Entwicklung unter die Idee des göttlichen Ratschlusses gestellt und in ihr einen Kampf zweier Reiche, des Reiches Gottes und des Reiches des Teufels (civitas terrena), gesehen. Im irdischen Staate erkannte er nur eine von Gott verordnete Zwangsanstalt zur Bestrafung und Linderung des Bösen an, im Gottesstaat sah er den Zukunftsstaat. In der Neuzeit beginnen die philosophischen Untersuchungen über den Staat mit dem Wiedererwachen der Wissenschaft im 15. u. 16. Jhrhdt. Der erste selbständige Staatsphilosoph der Neuzeit war Macchiavelli (1469-1527), der bei seinen Zeitverhältnissen für die Idee der absoluten Monarchie eintrat (Il principe 1615). Von da an hat die Philosophie das Problem der Staatsverfassung nicht wieder fallen gelassen. In der neuesten Zeit ist eine Überschätzung des Wertes des Staates eingetreten (Politismus). Zwischen dem Verhalten der Staaten und der Moral ist oft eine weite Kluft gewesen. Joh. Bodinus, de rep. 1584. Th. Hobbes, de cive 1632 u. Leviathan 1651. Spinoza, tractat. theologico-politieus. 1670. Rousseau, contrat social. 1762. Kant, die Metaphysik der Sitten. 1797. J. G. Fichte, der geschlossene Handelsstaat. 1800; Staatslehre. 1820. Hegel, Philos. d. Rechts. 1833. Schleiermacher, Die Lehre v. Staat. 1840. Trendelenburg, Naturrecht. 1868.