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Satz

Satz (propositio) nennt man den Ausdruck für einen in unserem Bewußtsein stattfindenden Vorgang, durch welchen zwei oder mehr Vorstellungen in ein solches Verhältnis zueinander gesetzt werden, daß die eine mit der anderen verbunden und die eine durch die andere bestimmt wird. Wie den Vorstellungsformen im wesentlichen die Wortarten entsprechen, so entsprechen den logischen Urteilsformen im wesentlichen die (grammatischen) Satzarten. Sätze enthalten in ihrer einfachen Form eine zu bestimmende Vorstellung, das Subjekt, und eine zweite Vorstellung (eine Sache, eine Eigenschaft, eine Tätigkeit, einen Zustand, eine Wirkung usw.), welche mit der ersten verbunden und wodurch die erste Vorstellung bestimmt wird, das Prädikat. Der Übergang vom Subjekt zum Prädikat ist eine lebendige Fortbewegung des Bewußtseins von einem zum anderen; ihm entspricht in der Sprache das Verbum finitum oder die Copula, die den aktuellen Prozeß des Denkens wiedergeben und auf denen die Architektonik des Satzes beruht. Indem die Sprache mehrere Sätze mit gemeinschaftlichen Bestandteilen zusammenzieht, erweitert sie die Form des Satzes; die indogermanischen Sprachen haben als Satzteile neben dem Subjekt und Prädikat noch das Objekt (d.h. denjenigen Satzteil, welcher einen Gegenstand oder Vorgang bezeichnet, der durch den im Prädikate ausgedrückten Vorgang hervorgerufen oder beeinflußt wird), die adverbiale Bestimmung (d.h. denjenigen Satzteil, welcher eine Beschränkung bezeichnet, unter der ein Vorgang stattfindet oder ein Zustand eintritt), und die attributive Bestimmung (d.h. die Bestimmung eines Substantivums im Satze). Das Objekt ist aber seinem Wesen nach nichts anderes als eine Art der adverbialen Bestimmung, und darf in einer philosophischen Grammatik nicht als besonderer Satzteil gelten. Durch die Beseitigung des Objektes gewinnt erst die Architektonik des Satzes volle Symmetrie. Mit dem Wesen des Satzes haben sich die alten Philosophen von der Zeit der Sophistik ab beschäftigt. Platon (427 bis 347) erklärt den Aussagesatz (logos) als die Bekundung des Gedankens durch die Stimme mittels der Worte, in denen er sich gleichsam abpräge. Nach Aristoteles (384 -322) ist der Satz die Rede, die etwas von einem anderen bejaht oder verneint (Analyt. prior I, 1, p. 24 a 16 protasis men oun esti logos kataphatikos ê apophatikos tinos kata tinos). Die Stoiker schieden die Arten der Sätze voneinander. Kant (1724-1804) will nur ein assertorisches Urteil als Satz bezeichnen. Steinthal (1823 bis 1899) bezeichnet den Satz als Ausgangspunkt der Sprachbildung; Wundt (geb. 1832) sieht Satz und Wort für gleich ursprüngliche Formen des Denkens an, läßt aber im gewissen Sinne, den Satz als die ursprünglichere Form gelten. H. Paul (Prinzipien der Sprachgeschichte, § 85) sieht in dem Satz „den sprachlichen Ausdruck, das Symbol, dafür, daß sich die Verbindung mehrerer Vorstellungen oder Vorstellungsgruppen in der Seele des Sprechenden vollzogen hat, und das Mittel dazu, die nämliche Verbindung der nämlichen Vorstellungen in der Seele des Hörenden zu erzeugen“. Diese Erklärung ist die beste bisher gegebene; aber sie irrt in der Behauptung, daß die Verbindung der Vorstellungen eine schon vollzogene ist, vielmehr ist sie eine sich erst vollziehende. Im Satz liegt das Leben und die Bewegung des Gedankens, nicht aufgespeichertes Gut. Die Satzteile sind zuerst richtig bestimmt von Joh. Werner Meiner, Rektor in Langensalza, in seinem Versuch einer an der menschlichen Sprache abgebildeten Vernunftlehre der philosophischen und allgemeinen Sprachlehre. Leipzig 1781. Hierauf hat Adelung (1732-1806) die Satzlehre ausgebaut.