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Regeln bei Anstrengung des Geistes

1) Der Nachteil übermäßiger Geistesanstrengung als Ursache vielfacher Krankheiten, worüber K. Wenzel im Jahre 1826 eine kleine, lesenswerte Schrift geschrieben hat. Ein Übermaß in Geistesanstrengungen findet in folgenden Fällen statt:

a) Wenn wir das Denkvermögen oder die Einbildungskraft zu stark anstrengen, alle Kraft unserer Seele zur Bearbeitung eines Gegenstandes aufbieten und uns in die Geistesarbeit so sehr vertiefen, das wir uns von der Sinnenwelt ganz losziehen und vor lauter Studieren, so zu sagen, nichts mehr hören und sehen.

b) Wenn man zu lange fort das Denkver- mögen oder auch die Einbildungskraft anstrengt, besonders über einen und denselben Gegenstand. — Abwechselung in den Studien ist schon Erholung, ein lange fortgesetztes abstraktes Denken verträgt der Geist nicht, es muss mit angenehmer Lektüre abwechseln. Der große Königsberger Philosoph verlor im Alter seinen Verstand, womit er früher die reine Vernunft kritisiert hatte.

c) Wenn man keine Lust und Neigung zu dem Gegenstand der geistigen Beschäftigung hat, und wenn uns die Fähigkeit zur Bearbeitung desselben fehlt. Nur die Ungelehrten, die einseitigen Pedanten unter den sogenannten Gelehrten, nicht die wahren Gelehrten, leiden an der Hypochondrie.

d) Wenn ein Mensch, der vorher wenig oder gar nicht an Kopfarbeit gewöhnt war, nun auf einmal geistigen Beschäftigungen sich mit Anstrengung unterzieht. So z. B. leiden junge Leute, die sich in spätem Jahren den Studien widmen, in der Jugendzeit aber, aus Mangel an Erziehung und Unterricht, keine Geistesübung hatten, sehr leicht an ihrer Gesundheit.

e) Wenn man zu frühzeitig in der Kindheit den Geist zum Lernen anstrengt. — Vor dem siebenten Lebensjahr sollte kein Kind mit Kopfarbeiten geplagt werden. Geist und Körper leiden darunter, und leider! dies ist ein Hauptgrund von der Schwäche der Stadtkinder in unserer hochzivilisierten Zeit (s. Most’s Gesundheit und Krankheit S. 63—66).

f) Wenn ein Schwacher, wohl gar ein Kranker oder von einer Krankheit eben Genesener sich mit geistigen Arbeiten, die Kraftaufwand von Seiten des Geistes erheischen, beschäftigt.

g) Wenn man während der Zeit der Verdauung den Kopf anstrengt.

h) Wenn man die naturgemäße Zeit des Schlafs, die Nacht, zu geistigen Arbeiten verwendet.

i) Wenn der Mensch sich mit Gegenständen befasst, für welche seine Seelenkräfte noch nicht reif genug sind. — Hier haben die Jugendlehrer durch ihren oft verkehrten Schulplan viel auf dem Gewissen, desgleichen diejenigen Eltern, welche ihre Söhne je eher je lieber als Studenten sehen möchten und sie zu früh, vor dem 20. Lebensjahr der Schule entziehen, um sie zur Universität zu schicken.

Dies sind die vorzüglichsten Ursachen, wodurch Geistesanstrengung schädlich wird, und zwar um so mehr, wenn damit Mangel an körperlicher Bewegung, vieles Sitzen mit zusammengekrümmtem Körper, eingeschlossene Stubenluft, und der Missbrauch künstlicher, die Tätigkeit der Seelenkräfte augenblicklich erweckender Reizmittel (Wein, Kaffee, Tabak) verbunden ist.

Viele Gelehrte entziehen sich gänzlich der menschlichen Gesellschaft und den gemütsaufheiternden Vergnügungen, und schaden sich dadurch, dass sie den größten Teil des Tages das Studierzimmer nicht verlassen und unreine Luft atmen, doppelt.

Die Krankheiten, welche durch übermäßige Geistesanstrengung entstehen, sind folgende: Entzündliche Fieber, besonders bei jungen, reizbaren, vollblütigen Leuten, Faulfieber, wegen eingeschlossener Luft, Mangel an Körperbewegung und daraus entstandenen, verdorbenen Säften; Nerven- und Gallenfieber, wegen Schwäche des Nervensystems und der Verdauung; Gehirnentzündung, besonders wenn bei heftigen Geistesanstrengungen hitzige Getränke, Nachtwachen und Geschlechtsausschweifungen stattfinden; — Augenentzündung, vorzüglich durch vieles Lesen bei Licht und im Winter; Auszehrung, Dörrsucht, Skrofelkrankheit, zumal bei Kindern; Nasenbluten, Hämorrhoiden, übermäßiger Geschlechtstrieb, Gicht, Harnsteine, Gallensteine und daraus entspringende Gelbsucht — heftiger Kopfschmerz, der oft halbseitig und höchst hartnäckig ist; — vermindertes Sehvermögen, selbst schwarzer Star. — Übermaß in Geistesanstrengungen erregt aber nicht allein die eben genannten Übel, sondern es macht auch vor der Zeit alt, befördert das Ausfallen der Haare und hat nicht selten traurige Geisteskrankheiten: Melancholie, Blödsinn, Narrheit, Raserei, Hypochondrie zur Folge, desgleichen heftigen Magenkrampf, Schwindel, Schlafsucht, Epilepsie und Schlagfluss, wovon Wenzel aus der Erfahrung mehrere Beispiele anführt.