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Zeppelin-Spende

Herrn Eckener dargewidmet

Hier ist ein wahrhaft deutscher Mann.

Spannt den Ballon für den Ozean an,
und alle Leute mögen ihn leiden:
so aufdringlich schlicht und so laut bescheiden …
Es steigt sein Ruhm in die Höhe und weiter –
niemand gedenkt der Mitarbeiter.
Es steigen die nationalsten Faxen –
niemand gedenkt der Angelsachsen,
die den Flug immerhin zuerst unternommen.
Und als er drüben angekommen,
brüllt auf ein Volk: Es ist erreicht!
Die Stammtischgehirne sind sanft erweicht.
Ehrendoktor. Geschrei. Baldachin:
»Zeppelin –! Zeppelin –!«

Das läßt den wahrhaften Deutschen nicht schlafen.

Aus dem nationalen Luftschiffhafen
bittet er um milde Gaben.
Weil wir sonst keine Sorgen haben:
Der Nordpol! Er muß zum Nordpol fliegen!
Deutschland liegt vorn! Und Deutschland muß siegen!
Wer darf das bezahlen? Arbeiter. Kinder.
Auch schwere Kriegsbeschädigte nicht minder,
kurz: die Geld haben. Er wird führen,
15% Verwaltungsgebühren,
Reklame auf Postkarten und Plakat,
Direktoren, Briefbogen, Apparat …
Stumm bleiben die Massen, auf dem Land, in Berlin:
»Zeppelin … ? Zeppelin … ?«

Keinen Pfennig.
Eine Million
Männer hungern seit Monaten schon,
haben kein Geld für deine Taten,
pfeifen auf Nordpol und Luftakrobaten;
suchen sich hier das kleine Stück
trocken Brot und Arbeit, ihr bißchen Glück …
Fahr immerzu!
Pack ein! Pack ein
in deinen Ballon den ganzen Verein
der großmäuligen Militaristen,
der Fememörder, Gerichtssadisten –
Singt bei der Abfahrt brausende Lieder!
Nimm sie mit und komm nie mehr wieder!
Beglücke die Eskimos! Laufe Ski
und begründe da eine Monarchie!
Du bist nicht Deutschland. Du bist nicht der Staat.

Das ausgehungerte Proletariat
sieht dich ohne Bedauern ziehn –
Zeppelin –! Zeppelin –!

Theobald Tiger
Die Weltbühne, 12.01.1926, Nr. 2, S. 51.