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Papiernot

Gewiß – es ist nicht immer schön gewesen
das aberwitzige Echo unsrer Zeit:
man konnte rechtsrum, konnte linksrum lesen
und war zum Schluß meist ebenso gescheit.
Die Presse schmückte stets mit neuen Funkelthesen
ihr Morgen-, Mittags- und ihr Abendkleid …
Und doch: ein Quentchen blieb – es war nicht viel,
ein Stückchen Bürgerfreiheit – kurz: ein Dampfventil.

Doch jetzt, im Krieg, schwillt des Geheimrats
Weste, er liebt die Einfachheit für die Nation,
und hilflos spricht er: »Es ist wohl das beste:
Ein Volk, Ein Heer, Ein Fölljetohn.
Spart nur Papier!« Doch mit empörter Geste
erhebt sich brüsk die Zeitungskonfektion:
»Der Fortschritt ist bedroht! das Volk! der Staat!«
Dahinter, riesengroß: das Inserat!

Das ist der deutsche Zustand. Und du, Zeitung,
du kleener Freiheitshut, wie stehst du da?
Noch hast du Platz – zum Beispiel zur Verbreitung
von Kintopschwatz für ganz Christiania.
Es strömt bei Arras. Die Annoncen-Leitung
pflegt eifrig Gasthaus-Personalia …
Ob ihr genug Papier habt oder keins:
Ihr helft dem Land nicht!
Es ist alles eins.

Theobald Tiger
Die Schaubühne, 12.07.1917.