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Deutschheit

Deutschheit, ein durch die Dichtungen Klopstocks und der Göttinger Hainbündler wohl vorbereitetes Schlagwort, das seit den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts in aller Munde war und besonders durch die deutschen Ritterdramen eine Zeitlang neuen Impuls empfing. Obwohl das Wort seit dem Mittelalter öfter gewagt wurde (vergl. außer DWb. den von Feldmann, ZfdW. 6, 107 aus dem Jahre 1644 angeführten Beleg!), versichert Wieland 34, 318 ausdrücklich: „In meiner Kindheit wurde mir zwar viel von allerlei Pflichten vorgesagt; aber von der Pflicht, ein deutscher Patriot zu sein, war damals so wenig die Rede, dass ich mich nicht entsinnen kann, das Wort Deutsch (Deutschheit war noch ein völlig unbekanntes Wort) jemals ehrenhalber nennen gehört zu haben.“

Hauptvertreter dieser sogenannten „Deutschheit“ waren Claudius und Bürger, der u. a. im Teutschen Merkur 1776, 4. Bd. S. 63 über seine teutsche Ilias schrieb: „Teutschheit würde sich nicht hereinbringen lassen, und Griechheit, dass ich so sage, noch weniger … Teutschheit, gedrungene, markige, nervenstraffe Teutschheit find’ ich auf dem Wege, den ich wandle, und sonst auf keinem andern.“ Vgl. Feldmann a. a. O. Ein Schlagwort, das so in die Mode kam, forderte von selbst bald zum Spotte heraus. Schon 1776 erschien ein Büchlein unter dem satirischen Titel: „Die neue Deutschheit nuniger Zeitverstreichungen. Erstes Pröbchen. Allen Pritschmeistern, After-, Morven-, Skalden-, Barden-, Minniglichen- und Wonniglichen Possierlichkeits-Machern zugeeignet“.

Seitdem wird die Opposition immer lebhafter. Wieland höhnt nach Feldmanns Zeugnis, ZfdW. 6, 302 im Jahre 1780: „Sodann und zweitens möchten wohl die noch übrigen 1071, 428 fl. 3 kr. schwerlich, und gemein-ersprieslicher benutzt werden können, als zu Erbauung und reichlicher Dotierung eines alten zehn Reichskreisen gemeinschafttichen Hospitals, worinn alle die wackeren Leute, die vor übermäßiger Weisheit, Teutschheit, Empfindsamkeit, Menschen- und Vaterlandsliebe, in Abfall ihres Verstandes gekommen sind, lebenslänglich und standesgemäß versorgt würden.“

Auch Goethe, der noch 1776 an Bürger geschrieben hatte: „Freu dich der Natur, Homers und deiner Teutschheit!“ liebt es, von 1780 ab ironisch von „Deutschheit“ zu sprechen. Siehe die im DWb. gegebenen Stellen! Dann tritt gegen Ende des Jahrhunderts der Ausdruck einige Zeit zurück. Im Jahre 1807 entschuldigt J. G. Jacobi geradezu seine Anwendung. Um so lebhafter erwacht er zur Zeit der neuen Freiheitsbestrebungen. Da wird vor allem Jahn der begeisterte Wortführer der Deutschheit in seiner patriotischen Mahnschrift vom „Deutschen Volkstum“. Vgl. 1, 155 ff. (1810): „Deutsch heißt volkstümlich. Anders mit uns Neudeutschen. Immer mehr verschwindet durch eigene Sündenschuld unsere Volkstümlichkeit oder die Deutschheit; so müssen wir wenigstens in einer Benennung die Rückerinnerung an das verlorene Ebenbild bewahren.“ Und er rechnet bei seinen Bemühungen auf Leser, „die für die Hochgedanken „Volk, Deutschheit und Vaterland“ noch nicht gänzlich abgestorben sind“ usw. Ebenda S. 371 überschreibt er einen besonderen Abschnitt mit dem neu beflügelten Schlagwort: Deutschheit. Vgl. aber auch hier wieder Zeugnisse des Rückschlags, z. B. Rückert 1, 104 (1814—5) und 1, 236, sowie A. Wilhelm Schlegels späteren Ausfall 2, 193 (1836):

„Zu guten Muß-Almanachen
Muß man haben dreierlei Sachen.
Deutschheit, Romantik und Melancholei
Rühre zu Brei!“

Für die erst dem 19. Jahrhundert angehörigen Spottworte Deutschtümeln, Deutschtümler, Deutschtümelei usw. vergl. DWb. und Sanders 1, 289 a und Ergb. S. 144.