Zum Hauptinhalt springen

Décadence

Décadence wurde etwa 1885 in Frankreich zum speziellen Schlagwort ausgeprägt für eine neue Dichterschule, die durch ihre wunderlichen Produktionen allgemeines Aufsehen erregte. Ende der achtziger Jahre wurde der Ausdruck mit gleicher Rührigkeit auf deutsche Verhältnisse übertragen und gehörte eine Zeitlang zum beliebten Rüstzeug literarischer Kritik. Vergl. Nordau, Entartung 1, 159 (1892), der über jene französischen Dichter berichtet: „Sie waren eine kurze Zeit unter der Bezeichnung „décadents“ bekannt. Diese war ihnen von einem Kritiker in der Absicht der Verhöhnung angehängt worden, aber wie die Gueusen der Niederlande den Namen, der sie beschimpfen und verspotten sollte, stolz und trotzig sich selbst beilegten, so steckten auch sie die Beleidigung, die ihnen ins Gesicht geschleudert worden war, wie ein Abzeichen der Empörung gegen die Kritik an den Hut.“ Nachdem das neue Schlagwort der „Symbolisten“ für sie erfunden worden war, behielt nur eine kleinere Gruppe die Benennung „Décadents“ offiziell noch bei, ohne dass damit freilich das Schlagwort auf diese allein beschränkt blieb.

Ins Deutsche hat das französische Schlagwort außer Nietzsche namentlich Herm. Bahr eingeführt, der in seinen „Studien zur Kritik der Moderne“ (1894) einen eigenen Abschnitt betitelt: Die Décadence, worin er S. 19 ausführt: „Es ist heute viel von der Décadence die Rede. Zuerst war das ein Spott des lästerzüngigen, hämischen Boulevards, bald gaben sich die jungen Träumer selber diesen Namen. Heute heißen die Neuen in Frankreich schon allgemein so, die ganze génération montante, und auch in Deutschland wächst der Brauch dieses Wortes. Zwar denkt selten einer etwas dabei, aber es ist wenigstens wieder eine Rubrik. Was man nicht versteht, was man nicht zu deuten weiß .. alle die Leute von morgen und alle die Werke von morgen werden da hinein getan.“ Sicherlich hat die Flucht aus einer sterbenden Kultur und das Gefühl des Todes, das den Décadents ebenso eigentümlich ist wie der fiebernde Drang, aus dem rohen und flachen Naturalismus herauszukommen und in einer Romantik der Nerven verfeinerte und künstlich gesteigerte Ideale zu enthüllen, gerade zur Wahl dieses Namens geführt. Sonst sei nur noch notiert Bierbaum, Pankr. Graunzer (1896) S. 181 f.: „Die Décadence ist bloß ein literarischer Trick. Übrigens keiner von den amüsanten. Er musste kommen, nachdem Euch der Naturalismus abgelaust hatte.“