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21) Winde

Unsere Atmosphäre wird durch die Winde vielfach verändert. Man kann nicht genau angeben, wie dieser oder jener Wind überhaupt wirkt, weil der gleiche Wind an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten auf unserem Erdball sehr variiert. Ein jeder Wind bringt stets uns dasjenige ins Land, was auf dem ganzen Striche liegt, worüber er zu uns gelangt. Der von den Dichtern so verherrlichte Zephyr oder Westwind kommt zu uns über das atlantische Meer und Frankreich, bringt uns Regen und Ermattung des Geistes und Körpers. Der Ostwind ist bei uns meist sehr trocken, im Sommer heiß, im Winter rau, kalt und scharf; er macht bei robusten Leuten, weht er anhaltend, zu Hals- und Lungenentzündungen geneigt. Das Harnlassen, wobei der Ostwind die Genitalien des Mannes trifft, kann auch Harnstrenge und Blasenentzündung durch Erkältung erregen. Der Nordwind kommt zu uns über Schnee und Eis; er ist daher kalt, rau, stürmisch, gewöhnlich trocken, selten feucht. Er wirkt am nachteiligsten auf schwache Personen, die eine sitzende Lebensweise führen. Bei uns in Norddeutschland ist der Nordwind weniger kalt, als der gerade zu uns vom Nordpol herkommende Nordostwind. — Hippokrates sagt vom Nordwind (in Griechenland), dass er den Körper kräftig, die Luft rein and heiter mache, überhaupt von allen Winden der gesündeste sei, obgleich er Personen, die ihn nicht gewohnt wären, Husten, Bräune, Harnschneiden mache. — Der Südwind gelangt zu uns aus Asiens und Libyens heißen Sandwüsten, er fährt dann über das mittelländische Meer, wo er eine große Menge von Dünsten aufnimmt Dieser Wind ist daher warm und feucht, macht im Sommer schwüle Tage, Gewitter und Regen, im Winter Nebel, Regen und Schnee. Er erschlafft den Körper, macht träge, müde, ermattet, und führt in Persien, Sizilien, Nubien u. s. w. schädliche Luftarten und einen völligen Mangel an Elektrizität herbei, der erstickend wirkt, woran besonders der Boden, worüber er wehet, Schuld ist. Daher sind die schädlichen Winde vorzüglich: der Sumiel am persischen Meerbusen, der Simoon in der Wüste von Nubien, der Harmattan an der Küste von Guinea, und der Scirocco in Sizilien, wodurch viele Menschen wegen Lufthitze und Atmungsnot erkranken, ja sterben, und die ganze Vegetation versengt wird. Auch Frankreich wird zuweilen vom Scirocco heimgesucht, besonders im mittägigen Teile dieses Landes. So teilt Zimmermann (l. c. II. p. 229) folgendes Ereignis mit: „Am 30. Heumonat 1705 verspürte man“ — so erzählt er — „in der Stadt Montpellier einen so heißen Wind, dass man Eier an der Sonne gahr machen konnte, dass viele Thermometer zersprangen, dass alle Perpendikeluhren zu früh gingen, und dass die Blätter an den Bäumen verdorrten. Zum Glück kam ein wohltätiger Regen den erschrockenen Einwohnern zu Hilfe.“ Nicht selten streicht ein erstickend heißer Scirocco über die Alpen, erregt große Schwäche, ja manche Krankheitserscheinungen bei den Schweizern, welche ihn Föhr nennen, ja ein solcher ungewöhnlich heißer Scirocco kann einen Ungeheuern Orkan erregen, der sich sehr weit verbreitet. Dieses war der Fall mit dem Orkan am 18. Juli 1841. Aus einer Menge Berichten hierüber ergibt sich, dass ein heißer Sciroccowind am 17. Juli sich über die ganze italienische Halbinsel erstreckte, am 18. Vormittags über die Alpen vorgedrungen war, sich dann gegen das Rheintal besonders lebhaft fortbewegte und sich nördlich von Mainz Nachmittags (hier in Rostock Abends sieben Uhr), und zu Kopenhagen erst spät Abends in größter Wirksamkeit zeigte. Am Rhein vertrockneten durch die heiße Luft Weinblätter und Trauben; im Östlichen Deutschland, bei uns an der Ostsee, im südlichen Russland war die Wärme bedeutend groß (s. Victor, Der Orkan am 18. Juli 1841. Wiesbaden 1841). In Kairo sind die Winde schon im März und April so heiß, dass alle Menschen sie mit der Luft aus dem heißen Backofen vergleichen, sich höchst schwach fühlen, allen Appetit verlieren und an einem unauslöschlichen Durste leiden. Das beste Getränk ist dann guter Essig oder Limonensaft mit Wasser und Zucker. Die Fremden leiden zu solcher Zeit in Kairo am meisten; sie flüchten sich in unterirdische Gewölbe, tiefe Keller, wo sie so lange bleiben, bis der Wind sich gelegt hat. — An den Ufern des persischen Meerbusens sind die Winde so brennend heiß, dass manche Reisende in wenigen Minuten dadurch den Erstickungstod erleiden, wenn sie nicht Kopf und Gesicht mit Kaltwasserumschlägen bedecken. Auf Malabar herrscht im April und Juni ein gefährlicher Landwind von Morgens sieben, bis Mittags zwölf, der so heiß ist, dass die Luft aus dem heißen Ofen zu kommen scheint und dem der stärkste Mensch kaum widerstehen kann. Die Europäer halten denselben nur mit der größten Mühe aus, und Einige lassen sich schon vom frühsten Morgen bis in die Nacht mit Wasser besprengen, damit sich ein sie sonst verzehrendes Feuer vermindere.

Auch die kalten Winde sind, nach Zimmermann, in verschiedenen Ländern von verschiedener Wirkung. „Man will“ — sagt er — „bemerkt haben, dass die Nordwinde in Europa seit 20 Jahren (seit dem Jahre 1744) häufiger, als früher, geherrscht haben, und man meint, dass auch seitdem das Gliederreißen aus dieser Ursache in Europa, so wie der Keuchhusten mehr, als sonst bemerkt worden sei. Dass beim scharfen Ost- und Nordwind, ja schon 24 Stunden früher, bei uns Rheumatische und Gichtische sich schlechter, als zu anderer Zeit befinden, ist Tatsache. — In Spanien fühlt man zuweilen einen kühlen Wind von den galizischen Gebirgen herstreichen, der das unreinliche Madrid vor den bösen Folgen der faulen Dünste bewahrt, aber auch den Spaniern den Frost in die Adern jagt und bis auf die Knochen dringt, wenn er stark brauset oder plötzlich einbricht; — er verursacht selbst unheilbare Lähmungen, wenn man sich ihm, ermattet von der Hitze, zu sehr aussetzt. — Auch in Peru sind die Nord- und die noch kälteren Nordostwinde allen Menschen nachteilig; dagegen ist der Nordwind wegen seiner Kühle in Ägypten gesund.

Im Ganzen ist ein mäßiger Wind, zumal im Sommer, mehr nützlich, als schädlich, doch darf er der Luft keine schädliche Eigenschaft beimischen, die er aus ungesunden, sehr heißen, feuchten oder sehr trocknen Gegenden mitbringt — Indessen vermag allmähliche Gewohnheit unendlich viel! So z. B. gewöhnen sich zu Cartagena die Menschen mit den Jahren so sehr an das Klima, dass alte Leute in der Regel eine gesunde Gesichtsfarbe wieder bekommen, die sie in der Jugend verloren hatten, so wie denn auch die Einwohner heißer Länder weniger, als Fremdlinge zu erkranken pflegen. Die Malabaren vertragen ihr Klima sehr gut und man findet unter ihnen viele alte Leute. Dagegen werden die Europäer daselbst, wie man dieses oft an den Missionaren bemerkt hat, doch selten über 50 Jahre alt, ja fast die Hälfte der Fremden erkrankt schon in den ersten Monaten nach ihrer Ankunft an einem sehr schmerzhaften nervösen Purpurfieber.