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15) Neumond und Vollmond

Die elektrische Materie und der magnetische Strom, welche wir durch Oersted’s, Faraday’s und Anderer Entdeckungen in neuester Zeit als wesentlich identische Imponderabilien kennen gelernt haben, — diese lebendigen Kräfte des Elektromagnetismus und des Elektrochemismus stehen mit dem Leben in innigster Verbindung; — unser Leben ist, so viel wissen wir bis jetzt genau, wenigstens das Resultat jener Kräfte, die wir vorzugsweise an unserem Erdballe und an der Fortsetzung desselben in Dunstgestalt, in unserer Atmosphäre, vorfinden (Alex. v. Humboldt, Vorles. über physikalische Geographie. Mnscpt.). Es gibt keine Erscheinung im sogenannten anorganischen Reiche der Natur, die sich auch nicht mehr oder minder deutlich im organischen Lebensprozesse offenbart. Der Organismus ist bei aller Selbstständigkeit seiner lebendigen Natur den Gesetzen der Schwere, der Kristallisation, der chemischen Prozesse, der Elektrizität und des Magnetismus nicht entzogen. Dies sind physiologische Tatsachen. Die Respiration und Digestion sind elektrochemische Prozesse, welche vorzugsweise tierische Wärme erzeugen und gleichsam den Körper als elektrische Säule laden, dagegen die Assimilation sie entladet, wobei die Haut als Nichtleiter die Maschine von der Erde isoliert. Eine große Menge Beobachtungen und Erfahrungen haben nun aber zugleich dargetan, dass periodische Veränderungen und Abnormitäten in der normalen Grundbeschaffenheit unserer Atmosphäre, besonders zur Zeit des Neu- und Vollmondes, stattfinden, welche aufs organische Leben im Allgemeinen, so wie auf Geist und Körper des Menschen insbesondere einwirken (wobei der Elektromagnetismus und die Luftelektrizität eine Hauptrolle spielen), und welche Einflüsse nicht allein viele Lebenserscheinungen einfach erklären lassen, sondern auch zur Entstehung zahlreicher Krankheiten, namentlich rheumatischer und nervöser Übel, bedeutend beitragen. — Schon vor mehr als 100 Jahren schrieben die Engländer Balfour und Richard Mead über den Einfluss der Sonne, des Mondes und der Gestirne auf Fieber und andere Krankheiten. Diesen durch unsere Atmosphäre vermittelnden Einfluss wird kein praktischer Arzt leugnen; und Stark (Allgem. Pathologie 1838. Bd. I. S. 191) sagt sehr wahr: „dass eine beträchtliche Annäherung größerer Kometen an unsere Erde in dem makro- und mikrokosmischen Leben derselben bedeutende Veränderungen, welche sich in vulkanischen Ausbrüchen, ungewöhnlicher Witterung, so wie in seuchenartigem Erkranken einzelner Pflanzen- und Tiergattungen offenbaren, hervorbringen möge, lässt sich mit Wahrscheinlichkeit vermuten und durch die Erfahrung von Jahrhunderten und den Volksglauben rechtfertigen.“ Folgende hierher zu zählende Tatsachen stehen wenigstens fest:

a) Die Menses zeigen sich sowohl bei verheirateten, als bei unverheirateten Frauenzimmern am häufigsten um die Zeit des Neumondes, bald zwei oder drei Tage früher, häufiger noch eben so viele Tage später, als vor Eintritt desselben. Sind sie aus irgend einer Krankheitsursache beim Frauenzimmer ins Stocken geraten, so gibt es kein kräftigeres Mittel dagegen, als eine tägliche Anwendung des Elektromagnetismus, drei bis vier Wochen lang fortgesetzt (s. Magneto-elektrisches Bad).

b) Die bekannten entscheidenden oder kritischen Tage bei Fiebern, als der 7., 14. und 21. Tag, entsprechen den Tagen des Mondwechsels.

c) Die meisten Geburten fallen auf die Zeit des Vollmondes, die meisten Sterbefälle auf die des Neumondes, — in London tatsächlich auf die Tages- und Nachtzeit, wo Ebbe eingetreten. Um Mitternacht und gegen Morgen ereignen sich die meisten Geburten, die meisten Sterbefälle dagegen zur Zeit des Mittags. Da nun die magnetische Intensität unserer Erde am schwächsten um elf Uhr Morgens ist, so mag dieses vielleicht auf Sterbende von Einfluss sein.

d) Die Eingeweidewürmer gehen bei abnehmendem Monde am leichtesten ab. Die Bandwürmer kann man allein durch elektrische Schläge, auf den Unterleib appliziert, krank machen und abtreiben.

e) Bei vielen Nervenkrankheiten (Neurosen) stellen sich periodische Anfälle häufiger, als zu jeder anderen Zeit dann ein, wenn gerade der Neu- oder der Vollmond eintritt; auch sind die Anfälle des Wahnsinns und der Epilepsie dann am häufigsten und intensiv am stärksten. Daher auch die richtige Benennung, welche die Alten, die solche Kranke Mondsüchtige (selêniakoi) nannten, ihren Ursprung hat.

f) Viele, sonst gesunde Menschen leiden nur am Tage des Neu- und Vollmondes, Andere nur an den beiden anderen Tagen der übrigen Mondphasen, an Kopfweh und Gemütsverstimmung; die übrigen Tage des Mondesmonats befinden sie sich ganz wohl. So litt selbst der große Philosoph Baco von Verulam jedes Mal am Tage des Neumondes periodisch an Gedächtnisschwäche (s. R. Mead, De imperio Solis ac Lunae in corpora humana etc. 1746. p. 659). — Auch die Anfälle der periodischen Trunksucht, bekanntlich der schlimmsten Form der traurigen Säuferkrankheit, fallen meist in diese Zeit, so wie die der periodischen Manie bei vielen Irren. Interessant und lesenswert ist in dieser Hinsicht folgende kleine Schrift: L. Cerrutti, Beobacht. über den zufälligen und periodischen Einfluss von besondern Zuständen der Atmosphäre auf die Gesundheit und die Krankheiten des Menschen, insbesondere auf den Wahnsinn. A. d. Engl. des Thomas Forster. Leipz. 1822.

g) Gehirn und Nerven sind die geheimnisvolle Quelle der Funktionen des Körpers, wie der Seele; dort findet sich die Grenze zwischen Geist und Leib, — wenn sie anders existiert. — Die Nerven sind die Träger der Nervenkraft, welche bestimmt elektrischer Natur ist. Die Beobachtung, dass Elektrizität natürlich mit dem Sauerstoff der Luft verbunden ist und beim Einatmen daraus abgeschieden wird, so wie, dass das Eisen und die Kohle im Blute sich als elektrische Leiter verhalten, geben einiges Licht in die dunkle Lehre von den Funktionen des Gehirns und Nervensystems. Bei der willkürlichen Bewegung erregt die Seele die Elektrizität des Gehirns, diese strömt dann längs der Nerven zu den willkürlichen Muskeln; — bei der Empfindung erregt der Kontakt der sinnlichen Gegenstände die elektrischen Aktionen der Sinnesnerven, von wo aus jene zum Gehirn geleitet wird. Für beide wirkt vielleicht dasselbe materielle Agens. Die Natur der nervösen Erscheinungen zeigt deutlich die Erschöpfung und Wiederherstellung dieses Agens. Die beständige Bewegung des Gehirns hat (wie bei der Elektrizität Reibung und Druck), Einfluss auf die Erzeugung des elektrischen Nervenfluidums.

h) Sehr viele Leiden, zumal nervöse und rheumatische, leiten wir davon ab, dass die elektrische Spannung der Organe unter sich und mit der Atmosphäre abnorm geworden ist. Wird das Ausströmen der überflüssigen Elektrizität aus dem Körper gestört und verändert, werden früher isolierende Organe zu leitenden, so bilden sich besonders oben genannte Krankheiten. Auch Starrkrampf, Epilepsie, Gicht, Skrofeln, Croup, Hypochondrie, Kolik, Wassersucht gehören zu derselben Gattung; ihre elektrische Natur lässt sich bestimmt nachweisen. So z. B. bildet sich das Wasser beim Wassersüchtigen völlig so, wie der Regen beim Gewitter. Das Blut zeigt im Allgemeinen + E, bei heftigen Entzündungen — E, bei Schwäche - und Faulfieber wiederum + E. Das wechselnde Befinden vieler nervöser und anderer Fieberkranken während der Tageszeiten steht mit der Stärke des Erdmagnetismus, mit der Zeit, wo die Intensität desselben ihr Maximum und Minimum erreicht, in gewisser Verbindung. Krankheiten von zu großer Reizbarkeit erreichen ihre Höhe Nachmittags drei Uhr, wie, nach Hansteins feinen Versuchen, die magnetische Kraft unserer Erde. Interessant ist hier noch die Tatsache, dass im gesunden Zustande einige Sekretionen des Bluts, z. B. Galle und Speichel alkalisch, Milch, Chylus, Schweiß, Urin dagegen sauer reagieren, ganz wie die verschiedenen Pole der Voltasäule, dass aber in verschiedenen Krankheiten oft das Umgekehrte bemerkt wird, namentlich bei epileptischen Krämpfen, wo der Speichel eine saure, der Schweiß und Urin häufig eine alkalische Reaktion zeigt. Alle mit Gangliennerven versehenen Organe liefern, nach Meandi’s Versuchen, saure Sekrete, die anderen alkalische.