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16) Atmosphäre und Krankheiten

Unsere Atmosphäre ist das bedeutendste äußere ursächliche Moment der meisten Krankheiten, zumal der Entzündungen und Fieber aller Art, der akuten und chronischen Nervenleiden, der Gicht, des Rheumatismus, wo schneller Wechsel von Kälte und Wärme, Trockenheit und Feuchtigkeit, Verminderung oder Vermehrung des Luftdrucks, binnen 24 Stunden erfahrungsgemäß oft selbst bis zu 1600 Pfund auf einen Erwachsenen, Abnormitäten in der Elektrizität der Luft so vielfach stattfinden. Mit den Elektrizitätsverhältnissen der Luft stehen aber epidemische Krankheiten in enger Beziehung; letztere wüteten nie stärker, als in solchen Zeiten, wo ungewöhnliche Naturerscheinungen: Erdbeben, vulkanische Eruptionen, ungewöhnliche Witterung und solche Lufterscheinungen u. s. w. sich zeigten, welche sämtlich die Luftelektrizität abnorm machen. Sowohl zur Zeit, wo das gelbe Fieber, als auch zu der, wo die exotische Cholera herrschte, war die Luftelektrizität schwach, so dass die Elektrisiermaschinen wenig taten; — als diese Krankheiten ihre Höhe erreicht hatten, war sie so schwach, dass der Konduktor gar keine Funken mehr gab, und als einst in Charleston nach einem starken Gewitter das gelbe Fieber plötzlich aufhörte, zeigte merkwürdigerweise auch die Elektrizität sich wiederum kräftig an Dr. Shecut’s Elektrisiermaschine (s. Hufeland’s Journal. Bd. 59, St. 6. S. 141). Ähnliche Beziehungen zwischen der Luftelektrizität und der herrschenden asiatischen Cholera hat man auch in Europa seit den Jahren 1831 bis 1836 beobachtet. Nach Strecher (Pabst’s Medic. Zeitung, Altenburg 1833. Nr. 9) bemerkte man während der Cholera stets verminderte Luftelektrizität, die Leidener Flaschen waren schwer zu laden, — dabei Mangel an Gewittern, träger Gärungsprozess. Beim Steigen des Barometers nahm die Krankheit ab, so wie beim Vollmond, dagegen sie beim Neumond gewöhnlich zunahm (s. Protokoll-Extrakte der Rigaer Ärzte über die dort herrschende Cholera. S. 130 u. 172). Aber auch ein herrliches Heilmittel ist unsere Atmosphäre, ein vortreffliches Volksarzneimittel. So lange kurz vor einem Gewitter die Luft- und Erdelektrizität sich noch nicht durch den Regen ausgeglichen haben, empfinden alle sensiblen, nervenreizbaren Personen: Kinder und zarte Individuen, Angst, Brustbeklemmung, ein unangenehmes, stechendes, knebelndes Gefühl an einzelnen Stellen der Arme, Beine, ähnlich dem, was man empfindet, wenn man einer, im elektrischen Bad befindlichen Person kleine elektrische Funken aus dem Körper zieht, — welches Gefühl nach eingetretenem Regen schnell verschwindet und einem höchst angenehmen, behaglichen Gefühle von Leichtigkeit und Frische des ganzen Körpers Platz macht. Setzt man sich einige Minuten mit dem Blitzableiter eines Turms, eines hohen Gebäudes u. s. w. in Verbindung (es versteht sich, dass das bevorstehende Gewitter noch fern sein muss, so dass man sich dem Ableiter ohne Lebensgefahr nähern und ihn berühren kann); so verschwindet jenes unangenehme Gefühl auch schon vor eintretendem Regen. — Gegen langwierigen Gliederrheumatismus, nervösen Kopfschmerz, Ohrenschmerz, Migräne, Magenkrampf, verhaltene, unregelmäßige, unterdrückte Monatszeit, so wie gegen eingewurzelte Hypochondrie und Hysterie ist das elektrische Regenbad von großer Wirkung. Es besteht darin, dass der Kranke sich leicht ankleidet, eine halbe bis eine Stunde im Gewitterregen mäßig rasch spazieren geht, nicht still steht oder sich setzt, alsdann sich nach Hause begibt, die durchnässten Kleider und die Leibwäsche ablegt, sich den ganzen Körper mit erwärmtem Flanell rasch frottieren lässt, reine Leibwäsche anlegt und sich auf eine bis zwei Stunden zu Bett legt, etwas Warmes genießt und den Schweiß gehörig abwartet. — Ich habe Personen gekannt, welche seit Monaten an genannten Beschwerden litten und durch drei bis vier solcher Spaziergänge in starkem Gewitterregen rasch hergestellt wurden, nachdem viele Arzneien fruchtlos angewandt worden waren.