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8. Die psychologistische Lösung als transzendentaler Zirkel

Die Herausarbeitung der Idee einer phänomenologisch reinen Psychologie hat die Möglichkeit erwiesen, in konsequenter phänomenologischer Reduktion das Eigenwesentliche der Bewußtseinssubjekte in eidetischer Allgemeinheit zu enthüllen, nach allen seinen möglichen Gestalten. Das befaßt auch diejenigen der Recht begründenden und bewährenden Vernunft und damit alle Gestalten möglicherweise erscheinender und als an sich seiend durch zusammenstimmende Erfahrung auszuweisender und in theoretischer Wahrheit zu bestimmender Welten. Danach scheint diese phänomenologische Psychologie in ihrer systematischen Durchführung die gesamte Korrelationsforschung für Sein und Bewußtsein und von vornherein in prinzipieller (eben eidetischer) Allgemeinheit in sich zu fassen, also die Stätte aller transzendentalen Aufklärungen zu sein. Demgegenüber darf aber nicht übersehen werden, daß die Psychologie in allen ihren empirischen und eidetischen Disziplinen „positive Wissenschaft“ ist, Wissenschaft in der natürlichen Einstellung, in der die schlechthin vorhandene Welt der thematische Boden ist. Was sie erforschen will, sind die in der Welt vorkommenden Seelen und Seelengemeinschaften. Die phänomenologische Reduktion dient als psychologische nur dazu, das Psychische der animalischen Realitäten in seiner reinen Eigenwesentlichkeit und seinen rein eigenwesentlichen Zusammenhängen zu gewinnen. Es behält, auch in der eidetischen Forschung, den Seinssinn von weltlich Vorhandenem, nur bezogen auf mögliche reale Welten. Der Psychologe ist auch als eidetischer Phänomenologe transzendental naiv, er nimmt die möglichen „Seelen“ (Ichsubjekte), ganz dem relativen Wortsinn gemäß, als solche schlechthin als vorhanden gedachter Menschen und Tiere einer möglichen Raumwelt. Lassen wir aber anstatt des natürlich-weltlichen das transzendentale Interesse theoretisch maßgebend werden, so erhält die gesamte Psychologie den Stempel des transzendental Problematischen, sie kann also der Transzendentalphilosophie keinerlei Prämissen beistellen. Die Bewußtseinssubjektivität, die als seelische ihr Thema ist, kann nicht diejenige sein, auf die transzendental zurückgefragt werden soll.

Um an diesem entscheidenden Punkte zu einsichtiger Klarheit zu kommen, ist der thematische Sinn der transzendentalen Frage scharf im Auge zu behalten und zu erwägen, wie sich ihm gemäß die Regionen des Fraglichen und Unfraglichen scheiden. Das transzendentalphilosophische Thema ist eine konkrete und systematische Aufklärung jener mannigfaltigen intentionalen Bezogenheiten, die einer möglichen Welt überhaupt als Umwelt einer entsprechenden möglichen Subjektivität wesensmäßig zugehören, für die sie die vorhandene, praktisch und theoretisch zugängliche wäre. Diese Zugänglichkeit bedeutet für die Subjektivitäten hinsichtlich aller Kategorien für sie vorhandener Weltobjekte und Weltstrukturen Regelungen ihres möglichen Bewußtseinslebens, die in ihrer Typik erst enthüllt werden müssen. Solche Kategorien sind „leblose Dinge“, aber auch Menschen und Tiere mit ihren seelischen Innerlichkeiten. Von hier aus soll sich der volle und ganze Seinssinn einer möglichen vorhandenen Welt im Allgemeinen und hinsichtlich aller für sie konstitutiven Kategorien klären. Wie jede sinnvolle Frage setzt diese transzendentale einen Boden unfraglichen Seins voraus, in dem alle Mittel der Lösung beschlossen sein müssen. Dieser Boden ist hier die Subjektivität desjenigen Bewußtseinslebens, in dem eine mögliche Welt überhaupt als vorhandene sich konstituiert. Andererseits ist es eine selbstverständliche Grundforderung vernünftiger Methode, daß dieser als unfraglich seiend vorausgesetzte Boden nicht mit solchem vermengt wird, was die transzendentale Frage in ihrer Universalität als in Frage stehend meint. Das Reich dieser Fraglichkeit ist das gesamte der transzendentalen Naivität, umfaßt also jede mögliche Welt als die in natürlicher Einstellung schlechthin in Anspruch genommene. Danach sind alle positiven Wissenschaften transzendental einer Epoché zu unterwerfen so wie alle ihre Gegenstandsgebiete, also auch die Psychologie und das gesamte in ihrem Sinne Psychische. Es wäre also ein transzendentaler Zirkel, die Beantwortung der transzendentalen Frage auf die Psychologie zu stützen, einerlei ob auf empirische oder eidetisch-phänomenologische. Die Subjektivität und das Bewußtsein — hier stehen wir vor der paradoxen Zweideutigkeit —, auf das die transzendentale Frage rekurriert, kann also wirklich nicht diejenige Subjektivität und das Bewußtsein sein, von dem die Psychologie handelt.