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Mode-Römerinnen

Diese Federn, weiß’ und schwarze,
Die ihr auf den Häuptern traget,
Holde Herzensköniginnen,
Eure Schönheit mehren sie.

Ihr erscheinet unsern Augen
So viel aufgeputzte Lerchen,
So viel Pfauen, die stolzirend
Auf der Wies’ in Freiheit gehn.

Prächtig war’s am Carnevale,
In der Oper euch zu sehen,
Wie erhabne Sultaninnen,
Wie des Moguls Herrscherin.

Nur wer in den hintern Bänken
Nichts vom Schauspiel sehen konnte,
Zog die unbescheidnen Federn
Sotto voce weidlich durch.

Diese schöne fremde Sitte
Kam aus England nicht herüber,
Nicht aus Frankreich, nicht aus Spanien,
Nicht aus Persien noch Catay.

Unter unsre Römerinnen,
Schnell sich vom Olympus stürzend,
Brachte sie der Götterbote,
Der geflügelte Mercur.

Er erzählte, daß da droben
Jede Göttin ihre Locken
Hoch und breit mit Federn zieret,
Wenn sie sich verschönern will.

Daß Minerva, die bescheidne,
Jungferlich und blau von Augen,
Diese Mode mitzumachen
Ihren armen Kauz gerupft.

Daß der Liebe schöne Mutter
Selbst ihr Taubenpaar entfiedert,
Ja die Federn von dem Helme
Ihrem Kriegesgott entwandt.

Und daß sich die hohe, stolze
Juno, Jupiters Gemahlin,
Von dem Schweife ihres Pfauen
Einen Federbusch gemacht.

Billig reizt euch das Verlangen,
Holde Töchter unsrer Tiber,
Mit den Federn in den Locken
Götterfrauen gleich zu sein.

Aber hinter jener Ulme
Seh’ ich einen Satyr lauschen,
Der euch in’s Gesichte lachend
Unterm Ziegenbarte knurrt,

Und euch zuruft: „Liebe Damen!
Diese Federn, die ihr traget,
Fliegen freilich; doch ihr flieget
Mit dem Hirnchen weiter um.

Sind nicht bunte Pfauenfedern,
Nicht die Federn weißer Tauben,
Sind die Federn der Verehrer,
Die ihr jeden Tag berupft.“

Unverschämter Satyr, schließe
Deine tückisch bittre Lippe!
Unsre schönen Römerinnen
Sind so tugendreich als schön.

Jetzt noch wallt in ihrem Busen
Der Lucretia alt Geblüte,
Und ihr Herz und ihre Seele
Sind voll Zärtlichkeit und Treu’.