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Vorwort

Was ich hier als „Einfuhrung in die Psychoanalyse“ der Öffentlichkeit übergebe, will auf keine Weise in Wettbewerb mit den bereits vorliegenden Gesamtdarstellungen dieses Wissensgebietes treten. (Hitschmann, Freuds Neurosenlehre, 2. Aufl., 1913; Pfister, Die psychoanalytische Methode, 1913; Leo Kaplan, Grundzüge der Psychoanalyse, 1914 ; Régiset Hesnard, La Psychoanalyse des névroses et des psychoses, Paris 1914; Adolf F. Meijer, De Behandeling van Zenuwzieken door Psycho-Analysé, Amsterdam 1915.) Es ist die getreue Wiedergabe von Vorlesungen, die ich in den zwei Wintersemestern 1915/6 und 1916/7 vor einer aus Ärzten und Laien und aus beiden Geschlechtern gemischten Zuhörerschaft gehalten habe.

Alle Eigentümlichkeiten, durch welche, diese Arbeit den Lesern des Buches auffallen wird, erklären sich aus den Bedingungen ihrer Entstehung. Es war nicht möglich, in der Darstellung die kühle Ruhe einer wissenschaftlichen Abhandlung zu wahren; vielmehr mußte sich der Redner zur Aufgäbe machen, die Aufmerksamkeit der Zuhörer während eines fast zweistündigen Vortrags nicht erlahmen zu lassen. Die Rücksicht auf die momentane Wirkung machte es unvermeidlich, daß derselbe Gegenstand eine wiederholte Behandlung fand, z. B. das eine Mal im Zusammenhang der Traumdeutung und dann später in dem der Neurosenprobleme. Die Anordnung des Stoffes brachte es auch mit sich, daß manche wichtige Themen, wie z. B. das des Unbewußten, nicht an einer einzigen Stelle erschöpfend gewürdigt werden konnten, sondern zu wiederholten Malen aufgenommen und wieder fallen gelassen wurden, bis sich eine neue Gelegenheit ergab, etwas zu ihrer Kenntnis hinzuzufügen.

Wer mit der psychoanalytischen Literatur vertraut ist, wird in dieser „Einführung“ wenig finden, was ihm nicht aus anderen, weit ausführlicheren Veröffentlichungen bekannt sein könnte. Doch hat das Bedürfnis nach Abrundung und Zusammenfassung des Stoffes den Verfasser genötigt, in einzelnen Abschnitten (bei der Ätiologie der Angst, den hysterischen Phantasien) auch bisher zurückgehaltenes Material heranzuziehen.

Wien, im Frühjahr 1917.

Freud