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Des wohlachtbaren Herrn Thingum Bob

frühern Herausgebers der »Blechschmiede«, literarischer Werdegang

Von ihm Selbst

Man wird älter, und da ich mir darüber klar bin, daß Shakespeare und Mr. Emmons gestorben sind, so halte ich es nicht für unmöglich, daß auch ich einst sterben muß. So kommt mir der Gedanke, mich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen und auf meinen Lorbeeren auszuruhen. Doch mein Ehrgeiz spornt mich an, den Entschluß der Niederlegung meiner literarischen Herrschaft durch irgendeine für die Nachwelt wichtige Tat zu feiern. Kann ich es besser tun, als indem ich meinen literarischen Lebenslauf niederschreibe? Mein Name hat so lange und so beständig der Öffentlichkeit gehört, daß ich wohl verstehe, wie natürlich das Interesse ist, welches er überall erregt hat, und ich bin gern bereit, die außerordentliche Neugierde, deren Ziel sein Träger war, zu befriedigen. Wahrlich, es ist die unbedingte Pflicht dessen, der Großes erreicht hat, auf dem Pfade zur Höhe deutliche Wegzeichen zu hinterlassen, damit auch andre den Weg zur selben Höhe finden. Das Ziel, das mir beim gegenwärtigen Aufsatz (den ich eigentlich »Memoranda zur Literaturgeschichte Amerikas« nennen wollte) vorschwebt, ist also, die wichtigen, wenn auch schwachen und schwankenden ersten Schritte, durch die ich zulegt den Höhenweg zum Gipfel menschlichen Ruhmes erreichte, näher zu beschreiben.

Es ist wohl unnötig, viel Worte über die entfernteren Vorfahren zu verlieren. Mein Vater, der ehrenwerte Thomas Bob, stand jahrelang an der Spitze seiner Kollegen, der Barbiere in der Stadt Smug. Sein Laden war der Zusammenkunftsort aller hervorragenden Leute der Stadt, besonders aber kam bei ihm die Gilde der Herausgeber zusammen, eine Vereinigung, die tiefste Ehrfurcht und größte Scheu einflößt. Was mich betrifft, so betrachtete ich sie als Götter. Ich schlürfte leidenschaftlich den glänzenden Witz und die tiefe Weisheit, die von ihren göttlichen Lippen floß, während jenes Aktes der Behandlung, den wir »einseifen« nennen. Die erste Inspiration kam blitzartig über mich, als der geistvolle Leiter der »Bremse« in den Pausen, die die Zeremonie der Einseifung ihm ließ, mit lauter Stimme vor der Versammlung unsrer Lehrlinge ein unvergleichbares Gedicht zu Ehren des »einzig echten Bobschen Öles« (nach meinem Vater, seinem genialen Erfinder, so genannt) vortrug. Für diesen Erguß wurde der Herausgeber der »Bremse« mit königlicher Freigebigkeit von der Firma Thomas Bob & Co. belohnt.

Die Genialität, die aus den Zeilen des »Bobschen Öles« mich anwehte, hauchte mir, wie gesagt, göttliche Begeisterung ein. Auf der Stelle beschloß ich, ein großer Mann zu werden. Weiter beschloß ich, dies damit anzufangen, daß ich ein großer Dichter wurde. An diesem Abende warf ich mich meinem Vater zu Füßen.

»Vater,« sagte ich, »verzeihe! Aber meine Seele strebt über das Einseifen hinaus. Es ist mein fester Entschluß, meinen Beruf zu wechseln. Ich will ein Herausgeber werden, ein Poet. Ich will Verse über das ›Bobsche Öl‹ niederschreiben. Verzeihe mir und bahne mir den Weg zur Größe.«

»Mein lieber Thingum,« antwortete mein Vater (ich war Thingum getauft worden nach einem sehr reichen Verwandten, der diesen Namen führte), »mein lieber Thingum,« sagte er, indem er mich bei den Ohren aus meiner knienden Stellung emporzog, »Thingum, mein Sohn, du bist ein Maulheld und artest deinem Vater nach, denn du besitzt Seele. Außerdem hast du einen Riesenschädel, in dem eine ganze Menge Gehirnmasse stecken muß. Das habe ich schon lange bemerkt, und wegen dieser Eigenschaft war ich schon auf den Gedanken gekommen, einen Juristen aus dir zu machen. Diese Laufbahn ist aber jetzt nicht mehr vornehm, und die politische nicht mehr lohnend. Im großen ganzen hast du ja recht. Der Herausgeberstand ist immer noch der beste, und wenn du es fertig bringst, gleichzeitig ein Dichter zu werden, wie die meisten Herausgeber es sind, so wirst du wohl im Laufe der Zeit zwei Fliegen mit einer Klappe treffen. Zu deiner Ermutigung will ich dir im Anfange mit folgendem unter die Arme greifen: einer Dachkammer, Feder, Tinte und Papier, einem Reimwörterbuch und Exemplaren der ›Bremse‹. Mehr kannst du wohl nicht verlangen.«

»Ich würde ein undankbarer Schuft sein, wenn ich das nicht anerkennen wollte«, antwortete ich begeistert. »Deine Freigebigkeit ist grenzenlos. Ich will sie vergelten, indem ich dich zum Vater eines Genies mache.«

So endete meine Unterredung mit dem besten der Menschen, und sofort stürzte ich mich mit Eifer in meine poetische Beschäftigung, da ich hauptsächlich durch sie den Hochsitz eines Herausgebers zu erklimmen hoffte.

Bei meinen Versuchen in der Reimkunst waren mir die Verse über das »Bobsche Öl« eher ein Hindernis als eine Hilfe. Ihr Glanz erleuchtete mich nicht, er blendete. Bei der Betrachtung ihrer Vorzüglichkeit wurde ich naturgemäß sehr entmutigt, verglich ich sie mit meinen selbstgeschaffenen »Produkten«. So arbeitete ich also lange Zeit fruchtlos. Zulegt tauchte in meinem Gehirn einer jener außerordentlichen Einfalle auf, die hie und da das Gehirn eines genialen Mannes durchkreuzen. Es war folgender, oder, besser gesagt, folgendermaßen wurde er zur Ausführung gebracht: aus dem Bücherplunder eines alten Ladens, der im äußersten Winkel der Vorstadt lag, kaufte ich verschiedene alte, unbekannte und vergessene Bände zusammen. Der Buchhändler überließ sie mir spottbillig. Aus einem derselben, das die Übersetzungen des Werkes Inferno eines gewissen Dante vorstellen sollte, schrieb ich mit besonderer Sorgfalt eine lange Stelle ab, die über einen Mann handelte, dessen Name Ugolino war, der Rangen in stattlicher Zahl besaß. Einem andern Buch, das eine Menge altertümlicher Schauspiele enthielt, die von einer Person geschrieben waren, deren Namen ich vergessen habe, entnahm ich in gleicher Art und mit gleicher Sorgfalt eine Anzahl Verse, die über »Engel«, »frohe Botschafter«, »verdammte Wichte« und anderes dieser Art sich verbreiteten. Einem dritten, das die Schöpfung eines Blinden oder sonstwie Bresthaften war, eines Griechen vielleicht oder Kalmücken – ich kann mich natürlich nicht jeder Einzelheit erinnern – entnahm ich ungefähr fünfzig Verse, die mit »Achills Zorn« und »Fett« und ähnlichen Dingen begannen. Aus einem andern, das, soviel ich mich entsinne, auch das Werk eines Blinden war, wählte ich ein oder zwei Seiten über »Heil« und »heiliges Licht«; und wenn es auch eigentlich nicht ins Fach eines Blinden schlägt, über Licht zu schreiben, so waren die Verse in ihrer Art doch recht gut.

Ich schrieb nun diese Gedichte, jedes für sich, ordentlich ab und unterzeichnete jedes mit »Oppodeldoc« (wirklich doch ein schöner, wohlklingender Name), steckte jedes einzeln in ein besonderes Kuvert und schickte je eines an jede der vier Hauptgazetten mit der Bitte um schnelle Veröffentlichung und schleunigste Honorarzahlung. Das Resultat dieses wohldurchdachten Planes (dessen Erfolg mir in meinem späteren Leben viel Arbeit erspart haben würde) überzeugte mich, daß manche Redakteure an der Nase herumzuführen ein vergeblicher Versuch ist. Es gab, mit den Transzendentalsten zu reden meiner jung keimenden Hoffnung den »coup-de-grâce« (wie man in Frankreich sagt).

Um bei der Wahrheit zu bleiben, muß ich gestehn, daß jedes der Blätter dem Mr. Oppodeldoc in dem Monatsbericht für Korrespondenten eine gründliche Abfuhr bereitete. Die »Brummtrommel« richtete ihn folgendermaßen zu:

»›Oppodeldoc‹ (oder wer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt) hat uns eine lange Tirade über einen Tollhäusler eingeschickt, den er ›Ugolino‹ nennt, der einen Haufen Kinder hatte, die alle durchgeprügelt und ohne Abendessen ins Bett hätten geschickt werden sollen. Die ganze Geschichte ist unglaublich zahm, um nicht zu sagen platt. ›Oppodeldoc‹ (oder wer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt) ist aller Phantasie bar; aber Phantasie ist, nach unsrer unmaßgeblichen Meinung, nicht allein die Seele der ›Poesie‹, sondern ihr Herz selbst. ›Oppodeldoc‹ (oder wer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt) hat die Keckheit, von uns für sein Gewäsch ›schnelle Veröffentlichung und schleunigste Honorarzahlung‹ zu erbitten. Wir veröffentlichen weder solches Zeug, noch bezahlen wir es. Es ist jedoch unzweifelhaft, daß er all den Galimathias, den er da zusammenschmiert, bei den Redaktionen des ›Radau‹, des ›Honigsüßen‹ oder der ›Blechschmiede‹ loswerden würde.«

Man kann nicht leugnen: das war ein reichlich strenges Urteil über »Oppodeldoe«; aber die schärfste Spitze lag doch darin, daß das Wort Poesie durch besonderen Druck hervorgehoben war. Welch eine Welt von Bitterkeit ist in diesen fünf hervorstechenden Buchstaben ausgedrückt!

Der »Radau« strafte »Oppodeldoc« mit gleicher Strenge. Er schrieb:

»Wir haben eine seltsame und unverschämte Zuschrift von einem Individuum, mit dem Pseudonym ›Oppodeldoc‹ (wer immer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt) unterzeichnet, erhalten. Der Kerl entblödet sich nicht, den gleichlautenden Namen des berühmten römischen Kaisers zu entweihen. Dem Schreiben ›Oppodeldocs‹ (oder wer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt) waren verschiedene Verse beigeschlossen, die in schwülstiger Sprache von ›Gnaden boten und Engeln‹ handeln, wie sie eben nur ein Verrückter vom Schlage ›Oppodeldocs‹ selbst verbrechen kann. Und für diesen Quadratschund wird bescheiden von uns ›prompte Bezahlung‹ gefordert. Keine Rede davon, mein Herr! Für solches Zeug zahlen wir nicht. Wenden Sie sich an die ›Brummtrommel‹, den ›Honigsüßen‹ oder die ›Blechschmiede‹. Diese ›Zeitschriften‹ werden fraglos jede Art von literarischem Müll, den Sie ihnen anbieten, aufnehmen und ebenso fraglos Bezahlung – versprechen.«

Das war sicherlich recht hart für den armen »Oppodeldoc«; aber in diesem Falle fiel doch die Hauptschwere der Satire auf die »Brummtrommel«, den »Honigsüßen« und die »Blechschmiede«, die beißend als »Zeitschriften« – das Wort sogar in Gänsefüßchen – bezeichnet wurden, was sie mitten ins Herz treffen mußte.

Kaum weniger wild gebärdete sich der »Honigsüße« der sich folgendermaßen vernehmen ließ:

»Irgendein Individuum, das sich, offenbar sehr zu seinem eigenen Behagen, den Namen ›Oppodeldoc‹ beilegt (zu welch minderwertigen Zwecken werden die Namen berühmter Toten oft erniedrigt), hat uns fünfzig bis sechzig Verse zugehen lassen, die ungefähr so beginnen:

›Achills Zorn, für Griechenland der Grund
Unzähligen Unheils,‹ usw. usw. usw. usw.

›Oppodeldoc‹ (oder wer sich unter diesem Pseudonym verbirgt) wird mit aller Höflichkeit darauf hingewiesen, daß in unsrer Redaktion nicht ein einziger Laufjunge beschäftigt ist, der nicht täglich gewohnheitsmäßig bessere Verse zusammenschustert. ›Oppodeldocs‹ Verse sind unskandierbar. ›Oppodeldoc‹ sollte lieber zählen lernen. Aber wie er auf den Gedanken kam, daß wir (unter allen gerade wir) unsre Seiten mit seinem unsagbaren Blödsinn verschandeln würden, entzieht sich unserm Begriffsvermögen. Du lieber Gott, das absurde Gewäsch wäre kaum gut genug für die ›Brummtrommel‹, den ›Radau‹ oder die ›Blechschmiede‹, Zeug, das seinen Lesern sogar ›Mutter Gänsins Lieder‹ als Originallyrik vorzusehen sich nicht entblödet. Und ›Oppodeldoc‹ (oder wer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt) verlangt sogar mit kecker Stirne Bezahlung für sein Gefasel. Weiß ›Oppodeldoc‹ (oder wer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt) denn tatsächlich nicht, ist es ihm denn wirklich nicht eingefallen, daß wir es nicht einmal drucken könnten, wenn man uns dafür honorierte?«

Wie ich dies las, wurde ich von Augenblick zu Augenblick kleiner, und als ich an die Stelle kam, wo der Redakteur ironisch von »Versen« spricht, war nicht viel mehr von mir übrig als eine Unze. Was den »Oppodeldoc« anbetrifft, so begann ich mit dem armen Teufel Mitleid zu fühlen. Aber die »Blechschmiede« übte, wenn möglich, noch weniger Gnade als der »Honigsüße«. Das Blatt schrieb:

»Ein erbärmlicher Poetaster, der ›Oppodeldoc‹ unterschreibt, ist töricht genug, sich einzubilden, wir würden seinen bombastischen, unzusammenhängenden, ungrammatikalischen Mischmasch, den er uns übersandte, drucken und zahlen. Das Zeug beginnt mit der faselnden Zeile:

›Heil, göttliches Licht. Erstling des Himmels!‹

Wir sagen ›faselnd‹. ›Oppodeldoc‹ (oder wer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt) ist vielleicht so gütig, uns darüber aufzuklären, wie ›Hagel‹1 ›göttliches Licht‹ sein kann. Wir haben ihn immer für gefrorenen Regen gehalten. Will er uns wohl auch sagen, wie gefrorener Regen zugleich ›göttliches Licht‹ (was dies auch bedeuten möge) und ein ›Erstling‹ sein kann? Letztere Bezeichnung wird (wenn wir uns der Kenntnis unserer Sprache rühmen dürfen) nur auf kleinste Babys bis etwa zur sechsten Woche angewendet. Doch es wäre Torheit, sich überhaupt mit solchen Absurditäten abzugeben, wenn ›Oppodeldoc‹ (oder wer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt) nicht auch noch die unvergleichliche Frechheit besäße, vorauszusehen, daß wir seine blöden Wahnprodukte nicht nur ›abdrucken‹, sondern sogar ›bezahlen‹ würden!

Das ist denn doch unglaublich. Und wir hätten fast Lust, diesen jungen Schmierer für sein überhebendes Gekrähe dadurch zu bestrafen, daß wir seinen Erguß ›verbatim et literatim‹ genau publizieren, wie er ihn geschrieben hat. Wir könnten keine schwerere Strafe für ihn finden, und wir würden ihm diese auch zudiktieren, wenn wir unsern Lesern nicht die schreckliche Langeweile dieser Lektüre ersparen wollten.

›Oppodeldoc‹ (oder wer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt) mag alle künftigen Werke dieser Art an die ›Brummtrommel‹, den ›Honigsüßen‹ oder den ›Radau‹ schicken. Sie werden ihre Spalten dafür öffnen, sie veröffentlichen ja jeden Monat solches Zeug. Schicken Sie es ihnen nur ein. Wir aber lassen uns nicht ungestraft beleidigen.«

Das gab mir den letzten Stoß. Wie aber die »Brummtrommel«, der »Radau« und der »Honigsüße« den Angriff überstanden, ist mir bis heute schleierhaft. Ihre Namen waren in der kleinstmöglichen Kolonelschrift gesetzt (das war nämlich der Hieb, um zu zeigen, wie niedrig, wie gering sie seien), während das »Wir« von der »Blechschmiede« in riesigen Buchstaben gewissermaßen auf sie herab blickte. Das war doch zu bitter! Das war Wermut, das war Galle. Wenn ich eine dieser Zeitschriften gewesen wäre, so hätte ich alles dafür geopfert, der »Blechschmiede« einen Prozeß anzuhängen. Man hätte das Blatt auf Grund der Tierschutzgesetze in Anklagezustand versehen können. Was nun den »Oppodeldoc« (oder wer sich hinter diesem Pseudonym verbarg) anbetrifft, so hatte ich endlich alle Geduld mit dem Burschen verloren, und alle meine Sympathie für den Kerl war dahin. Ein Narr war er (wer sich auch hinter seinem Pseudonym verbarg) und hatte die erhaltenen Fußtritte alle wohl verdient.

Das Resultat meines Versuchs mit den alten Büchern überzeugte mich erstens, daß »Ehrlichkeit am längsten währt«, und zweitens, daß, wenn ich nicht besser schreiben könnte als Mr. Dante, die zwei Blinden und die übrigen alten Datteln, es doch immerhin schwer sein würde, schlechter zu schreiben. Ich faßte daher Mut und beschloß, von jetzt an mich nur mehr dem »völlig Originellen« (wie es auf dem Titelblatte der Zeitschriften heißt) zu widmen, wieviel Arbeit und Mühe mir auch immer die Durchführung dieses Entschlusses verursachen möchte. Und wieder hielt ich mir die glänzenden Verse über das »Bobsche Öl«, die dem Herausgeber der »Bremse« ihren Ursprung verdankten, vor Augen und beschloß, über das gleiche erhabene Thema eine Ode zu verfassen und so in Wettbewerb mit dem bereits bestehenden Meisterwerk zu treten.

Die Niederschrift der ersten Zeile ging ohne Schwierigkeit vonstatten. Sie lautete:

Über das »Prachtöl des Herrn Bob« …

Nachdem ich nun aber mit alleräußerster Sorgfalt alle passenden Reimworte auf »Bob« durchgegangen war, saß ich fest. In dieser Schwierigkeit nahm ich Zuflucht zu meinem Vater, und nach einigen Stunden tiefen Nachdenkens selten mein Vater und ich den Text folgendermaßen fest:

Über das »Prachtöl des Herrn Bob«
Eine Ode zu schreiben, lohnt sich gottlob!
(Unterschrift) Snob.

Gewiß ist, daß dieses Kunstwerk nicht allzu lang war, doch mir muß, wie die »Edinburgh Review« zu sagen pflegt, »erst bewiesen werden«, daß die bloße Länge einer literarischen Schöpfung etwas mit ihrem Werte zu tun hat. Was nun das zunftmäßige, immer wiederholte Getue über »dauernde Anspannung« betrifft, so kann ich dem Ausdruck mit dem besten Willen keinen Sinn abgewinnen. Im großen ganzen war ich also mit dem Ausfall meiner Jungferndichtung zufrieden, und nun war die einzige Frage, wie ich sie verwenden sollte. Mein Vater schlug vor, sie an die »Bremse« zu schicken; aber zwei Gründe hielten mich von der Befolgung dieses Rates ab. Ich fürchtete die Eifersucht des Redakteurs, und ich hatte herausgebracht, daß er für Originalbeiträge nichts bezahlte. Ich bestimmte daher nach reiflicher Erwägung den Beitrag für die würdevolleren Spalten des »Honigsüßen« und wartete das Ergebnis dieses Schrittes etwas unruhevoll zwar, doch mit Ergebung ab.

Mit stolzer Befriedigung fand ich in der nächsten Nummer mein Gedicht unverkürzt an der Stelle des Leitartikels abgedruckt. Beigefügt waren, in Kursivdruck und zwischen Klammern, noch die folgenden so bezeichnenden Worte:

»(Wir möchten die Aufmerksamkeit unserer Leser auf die unten abgedruckten bewundernswerten Verse über das ›Bobsche Öl‹ hinlenken. Es wäre überflüssig, ein Wort über ihre Erhabenheit oder über den Pathos, der aus ihnen spricht, zu verlieren. Niemand kann sie wohl trockenen Auges lesen. Diejenigen, die sich vor einiger Zeit durch eine traurige Stilprobe über denselben herrlichen Gegenstand aus dem Gänsekiel des Redakteurs der ›Bremse‹ angeekelt fühlten, mögen abwägen und vergleichen.

P.S. Wir zittern vor Begierde, das Geheimnis zu durchdringen, das offenbar unter dem Pseudonym ›Snob‹ verborgen liegt. Dürfen wir auf den Vorzug eines persönlichen Interviews hoffen?)«

Dies alles war nicht mehr als gerecht, doch überraschte es mich, offen gestanden, da ich nicht so viel erwartet hatte – ein Geständnis, das ich zur Schande der undankbaren Menschheit im allgemeinen und meines Vaterlandes im besonderen nicht verheimlichen kann. Immerhin verlor ich keine Zeit und besuchte den Herausgeber des »Honigsüßen«. Ich hatte das Glück, den Herrn zu Hause zu treffen. Er begrüßte mich mit allen Zeichen großen Respekts, der eine kleine Beimischung von väterlicher und gönnerhafter Bewunderung zeigte. Offenbar kam dieser kleine Beischmack vom außerordentlich Jugendlichen und Unerfahrenen meiner Erscheinung. Er bot mir einen Sitz an und begann sogleich, von meinem Gedicht zu sprechen. Meine Bescheidenheit erlaubt mir nicht, die tausend Komplimente zu wiederholen, die er in verschwenderischer Fülle über mich ausstreute. Die Lobsprüche des Herrn Sauertopf (so hieß der Redakteur) waren jedoch keineswegs unkritisch oder übermäßig. Er analysierte meine Schöpfung mit viel Freimut und großer Geschicklichkeit und stand nicht an, einige kleinere Fehler zu erwähnen, was ihn hoch in meiner Achtung steigen ließ. Die »Bremse« wurde selbstverständlich auch aufs Tapet gebracht, und ich hoffe, niemals solch durchdringender Kritik, solch vernichtendem Tadel ausgesät zu werden, wie sie Herr Sauertopf über das unglückselige Machwerk des Redakteurs der »Bremse« ausgoß. Früher hatte ich diesen Redakteur als ein übermenschliches Wesen betrachtet; aber Herr Sauertopf belehrte mich bald eines bessern. Er setzte den literarischen und den persönlichen Charakter der »Klapper« (wie er höhnisch seinen Gegenpart nannte) ins rechte Licht. An dieser Klapper war wirklich wenig zu loben. Er hatte niederträchtige Sachen geschrieben. Er war ein Zeilenfuchser, ein Hansnarr, ein Schurke. Er hatte eine Tragödie geschrieben, über die das ganze Land in Gelächter ausbrach, und eine Farce, die das Weltall in Tränen versenkte. Neben diesen schlimmen Taten hatte er noch die Unverschämtheit gehabt, ein Zeug niederzuschreiben, das er als Schmähschrift auf ihn (Herrn Sauertopf) verfaßt hatte, und die Frechheit, ihn einen Esel zu nennen. Wenn ich die Absicht hätte, in den Spalten des »Honigsüßen« die Klapper anzugreifen, so, versicherte mir Herr Sauertopf, würde er zu meiner unbeschränkten Verfügung stehen. Inzwischen sei es aber ziemlich sicher, daß die Klapper mich wegen meines Versuches, mit seinem Gedicht über das »Bobsche Öl« zu rivalisieren, angreifen würde. Dann würde er (Herr Sauertopf) es auf sich nehmen, in äußerst energischer Weise meine privaten und persönlichen Interessen zu verteidigen. Wenn ich jetzt also nicht auf einen Schlag ein gemachter Mann werde, so läge das gewiß nicht an ihm, Herrn Sauertopf.

Da nun Herr Sauertopf eine kurze Pause in seiner Rede (deren letzten Teil ich beim besten Willen nicht verstehen konnte) machte, so wagte ich es, etwas von dem Honorar zu erwähnen, das ich für mein Gedicht erwartete, da ich auf dem Umschlag des »Honigsüßen« eine Notiz bemerkt hatte, die verkündigte, daß der »Honigsüße« »seinen Ehrgeiz« darin sehe, exorbitante Honorare für alle angenommenen Beiträge zu bezahlen, daß er oft mehr Geld für ein einziges kurzes Gedicht ausgebe, als die jährlichen Auslagen von der »Brummtrommel«, dem »Radau« und der »Blechschmiede« zusammen betrügen.

Kaum aber war das Wort »Honorar« meinen Lippen entflohen, als Herr Sauertopf zuerst seine Augen weit aufriß und dann seinen Mund zu ungeheurer Weite aufsperrte, so daß der Eindruck, den er bot, ganz dem glich, den eine aufgeregte alte Ente in dem Moment auf uns macht, wo sie im Begriff ist, zu quaken. Und in diesem Zulande blieb er. Hie und da preßte er seine Hände krampfhaft an seine Stirne, als wenn er sich in einem Zustande verzweifelter Verwirrung befände, und so also blieb er, bis ich mit dem, was ich zu sagen hatte, so ziemlich zu Ende war.

Als ich aufhörte, zu sprechen, sank er in seinen Stuhl mit einer Gebärde zurück, als sei er tief erschüttert; schlaff ließ er die Arme zu beiden Seiten sinken und vergaß seinen noch immer offenen Mund zu schließen, als wäre er wirklich eine Ente. Während ich nun so in sprachlosem Erstaunen vor ihm stand und mir sein Besorgniserregendes Benehmen nicht zu deuten wußte, sprang er plötzlich auf und rannte nach dem Klingelzug. Im Moment, wo er ihn erreichte, schien er seine Absicht zu ändern (welche, weiß ich nicht), denn er tauchte unter den Tisch und erschien in unglaublich kurzer Zeit mit einem Knüttel. Gerade erhob er ihn (zu welchem Zwecke, kann ich mir nicht vorstellen), als sich plötzlich ein mildes Lächeln über seine Züge verbreitete und er friedlich wieder in seinen Stuhl zurücksank.

»Herr Bob,« sagte er (denn ich hatte ihm meine Visitenkarte hinaufgeschickt, eh' ich selbst eintrat), »teuerster Herr Bob, Sie sind ein junger Mann – ich vermute, sehr jugendlich?«

Ich gab das zu und fügte bei, daß ich vorläufig noch nicht drei Lustren vollendet habe.

»Ah, ja.« äußerte er, »ganz gewiß. Die Sache ist mir jetzt klar; Sie brauchen weiter nichts zu sagen. Was nun die Honorarfrage betrifft, so muß ich zugestehen, daß, was Sie da sagten, wohl sehr richtig ist, sogar äußerst richtig. Aber – hm – hm – der erste Beitrag, wissen Sie, der erste Beitrag, muß ich Ihnen sagen, wird gewohnheitsmäßig von der Zeitung nicht bezahlt. Sie begreifen – hm, um ganz die Wahrheit zu sagen – gewöhnlich sind wir noch die Empfangenden in solchen Fällen.« (Herr Sauertopf lächelte süßlich und betonte ganz besonders das Wort »Empfangenden«). »Im Durchschnitt werden wir für die Aufnahme eines Jungfernbeitrags bezahlt, besonders wenn es sich um Verse handelt. Und dann, Mr. Bob, ist es Prinzip bei den Zeitschriften, niemals en argent comptant (wie man in Frankreich sagt) – also sozusagen niemals bar zu bezahlen. Sie verstehen sicher, nicht wahr? Ein Vierteljahr, manchmal auch zwei nach der Veröffentlichung eines Artikels, oder ein Jahr oder zwei Jahre später haben wir nichts dagegen, ein Akzept auf neun Monate auszustellen, vorausgeht natürlich, daß wir unsere geschäftlichen Verpflichtungen so ordnen können, daß eine Pleite für die nächsten sechs Monate ausgeschlossen erscheint. Ich hoffe von Herzen, Herr Bob, daß Sie diese Erklärung als ausreichend betrachten werden.« Jetzt schwieg Herr Sauertopf und seine Augen füllten sich mit Tränen. Tief betrübt, die allerdings unschuldige Ursache der Schmerzen dieses so hervorragenden und gefühlvollen Mannes zu sein, beeilte ich mich, ihn um Entschuldigung zu bitten und ihn durch die Versicherung zu beruhigen, daß ich seinen Ansichten völlig beistimme, und die Schwierigkeit seiner Stellung vollkommen einsähe. Ich tat dies in gewählten Worten und verabschiedete mich.

Eines schönen Morgens, nicht lange nach dieser Unterredung, wachte ich auf – und war berühmt. Die Größe des Ruhmes kann am besten nach den empfehlenden Äußerungen waren in den kritischen Notizen über die Nummer des »Honigsüßen« enthalten, in der mein Gedicht erschienen war. Sie sind sehr befriedigend, erschöpfend und klar, mit Ausnahme von einigen hieroglyphenähnlichen Zeichen am Ende jeder Notiz.

Die »Eule«, eine Zeitschrift voll tiefer Weisheit und wegen des überlegenen Tones ihrer literarischen Urteile allbekannt, die »Eule« schrieb wie folgt:

»›Der Honigsüße!‹ Die Oktobernummer dieser vorzüglichen Zeitschrift überragt ihre Vorgänger und schlägt jede Konkurrenz aus dem Felde. Durch die Schönheit des Druckes und des Papiers, die Menge und Vorzüglichkeit der Reproduktionen, den literarischen Wert der Beiträge erscheint der ›Honigsüße‹ neben einem Satyr. Der ›Brummtrommel‹, dem ›Radau‹ und der ›Blechschmiede‹ muß man allerdings den Vorrang in der Prahlerei zugestehen, allein in jeder andern Hinsicht ist ihnen der ›Honigsüße‹ überlegen! Wie die berühmte Zeitschrift ihre offensichtlich horrenden Spesen zu decken vermag, geht über unsere Begriffe. Allerdings erscheint sie in einer Auflage von 100000 Exemplaren, und ihre Abonnentenzahl ist im letzten Monat um ein Viertel gestiegen, aber andrerseits ist die Summe, die sie fortlaufend für Beiträge aufzubringen hat, eine ungeheure. Es wird behauptet, daß Herr Schlauesel nicht weniger als 371/2 Pfennig für seinen unnachahmlichen Beitrag über ›Schweine‹ erhielt. Mit Herrn Sauertopf als Redakteur und solchen Namen wie Snob uns Schlauesel als Mitarbeiter ist der Erfolg des ›Honigsüßen‹ als gesichert zu betrachten. Eilen Sie! Abonnieren Sie! Sept., 15-I t.«

Ich muß gestehen, daß ich mich von solch hochtönender Kritik von seiten eines solchen Blattes wie der »Eule« sehr gehoben fühlte. Daß mein Name, d.h. mein ›nom de guerre‹ dem des großen Schlauesel vorangestellt war, war ein Kompliment, das mich an und für sich ebenso erfreute wie das Gefühl, es verdient zu haben.

Nun wurde meine Aufmerksamkeit durch folgende Stelle in der »Kröte« angezogen. Die »Kröte« zeichnet sich vor allem durch ihre Geradheit und Unabhängigkeit, durch ihren völligen Verzicht auf Schmeichelei und Kriecherei Essenspenden gegenüber aus:

»Die Oktobernummer des ›Honigsüßen‹ ist allen konkurrierenden Blättern weit voraus und übertrifft sie, wie nicht anders zu erwarten ist, sowohl durch die Pracht ihrer Ausstattung wie durch den Inhalt. Die ›Brummtrommel‹, der ›Radau‹ und die ›Blechschmiede‹ ragen, wie wir zugeben müssen, durch Prahlerei hervor, aber in jeder andern Hinsicht ist ihnen der ›Honigsüße‹ überlegen! Wie die berühmte Zeitschrift ihre offensichtlich horrenden Spesen zu decken vermag, geht über unsre Begriffe. Allerdings erscheint sie in einer Auflage von 200000 Exemplaren, und ihre Abonnentenzahl ist in den letzten 14 Tagen noch um ein Drittel gestiegen, aber andrerseits ist die Summe, die sie monatlich für Beiträge aufzubringen hat, erschreckend hoch. Wir hören, daß Herr Saugfinger nicht weniger als 50 Pfennige für sein ›Trauerlied im Lehmpfuhl‹ erhielt.

Unter den Mitarbeitern mit Originalbeiträgen wollen wir (neben dem hervorragenden Redakteur, Herrn Sauertopf) nur Namen erwähnen wie Snob, Schlauesel, Saugfinger. Abgesehen vom Leitartikel, scheint uns der wertvollste Beitrag ein poetisches Juwel aus der Feder von Snob über das Bobsche Öl zu sein. Unsre Leser müssen aber nicht aus dem Titel dieses unvergleichlichen Kleinodes schließen, daß es die geringste Ähnlichkeit mit dem über denselben Gegenstand verfaßten Schwulst habe, den ein gewisses verachtenswertes Individuum verfaßt hat, dessen Namen man vor zarten Ohren überhaupt nicht erwähnen kann. Das hier erwähnte Gedicht über das ›Bobsche Öl‹ hat allgemein Neugierde und das Verlangen erweckt, den Träger des offenbaren Pseudonyms ›Snob‹ kennen zu lernen, eine Neugierde, die zu befriedigen wir in der glücklichen Lage sind. ›Snob‹ ist der ›nom de plume‹ des Herrn Thingum Bob, Bürgers der Stadt, Verwandten des großen Herrn Thingum (dessen Namen er trägt) und auch sonst mit den besten Familien des Staates verwandt und verschwägert. Sein Vater, der sehr ehrenwerte Thomas Bob, ist ein reicher Kaufmann in Smug. Sept. 15-I t.«

Diese edelmütige Anerkennung rührte mich tief, um so mehr, als sie aus einer so unzweifelhaft, so sprichwörtlich lauteren Quelle (der »Kröte«) floß. Der Ausdruck »Schwulst« als Bezeichnung des von der »Klapper« verfaßten »Bobschen Öles« erschien mir außerordentlich treffend und angemessen. Etwas zu lau jedoch fand ich die auf mein Werk bezüglichen Worte »Juwel« und »Kleinod«. Es mangelte ihnen die innere Kraft, le prononcé (wie man in Frankreich sagt).

Kaum hatte ich die »Kröte« verdaut, als ein Freund mir ein Exemplar des »Maulwurf« in die Hand drückte.

Der »Maulwurf« ist eine Tageszeitung und genießt einen großen Ruf wegen der durchdringenden Schärfe seiner Auffassungen im allgemeinen und des offenen, ehrlichen, lichtvollen Stils seiner Leitartikel im besonderen. Der »Maulwurf« äußerte sich über den »Honigsüßen« wie folgt:

»Eben ist der Redaktion die Oktobernummer des ›Honigsüßen‹ zugegangen. Wir müssen gestehen, daß uns noch nie eine Nummer irgendeines Journals vor Augen gekommen ist, deren Lektüre uns so viel innere Befriedigung gewährt hat. Wir sagen dies mit gutem Bedacht. Die ›Brummtrommel‹, der ›Radau‹ und die ›Blechschmiede‹ werden einen harten Stand haben. Diese übertreffen zweifellos alle andern Blätter, was geräuschvolle Sensationsmacherei anbelangt, in jeder andern Hinsicht aber ist ihnen der ›Honigsüße‹ überlegen! Wie die berühmte Zeitschrift ihre offensichtlich horrenden Spesen zu decken vermag, geht über unsre Begriffe. Allerdings erscheint sie in einer Auflage von 300000 Exemplaren und ihre Abonnentenzahl ist in der letzten Woche um die Hälfte gestiegen, aber andrerseits ist die Summe, die sie monatlich für Beiträge aufzubringen hat, erschreckend hoch. Uns ist von zuverlässiger Seite berichtet worden, daß Herr Fettquaker nicht weniger als zweiundsechzigeinhalb Pfennig für seine häusliche Novelette ›Der Scheuerlappen‹ erhalten hat.

Die Mitarbeiter der Nummer, die vor uns liegt, sind: Herr Sauertopf (der hervorragende Redakteur), Snob, Saugfinger, Fettquaker und andre; aber nächst den unnachahmbaren Beiträgen des Redakteurs ziehen wir allen den diamantgleichen Erguß vor, der aus der Feder eines neu aufsteigenden Dichters stammt, der ›Snob‹ unterzeichnet. ›Snob‹ ist nur ein ›nom de guerre‹, der eines schönen Tages sicher selbst die glanzvollsten Autoren überstrahlen wird. Wir hören, daß ›Snob‹ ein Herr Thingum Bob ist, der einzige Erbe eines reichen Kaufherrn dieser Stadt, des sehr ehrenwerten Herrn Thomas Bob, und ein naher Verwandter des hochgeachteten Herrn Thingum. Der Titel des bewunderungswerten Gedichtes von Herrn Bob ist ›Das Bobsche Öl‹, nebenbei erwähnt ein etwas unglücklich gewählter Name, da ein verächtlicher Vagabund, der Beziehungen zur Schundpresse unterhält, der Stadt den Gegenstand durch ein unsagbar minderwertiges Versgeschmiere über dasselbe Thema verekelt hat. Gott sei Dank ist eine Verwechslung der Produkte vollständig unmöglich. Sept., 15-I t.«

Die edle Anerkennung einer so klarblickenden Zeitung wie des »Maulwurf« erfüllte mein Herz mit Wonne. Das einzige, was ich zu tadeln fand, war der Ausdruck »verächtlicher Vagabund«. Ich hätte die Bezeichnung »widerlicher, verächtlicher Tropf, Schurke und Vagabund« für zweckmäßiger gehalten. Das würde, meiner Meinung nach, anmutiger geklungen haben. Auch »diamantgleich« war, wie man wohl zugeben muß, kaum ein Ausdruck von genügender Intensität. Es kam doch darin nicht ganz zum Ausdruck, was der »Maulwurf« offenbar von dem Glanz und der Leuchtkraft des »Bobschen Öles« sagen wollte.

Am Nachmittag desselben Tages, an dem ich mich an den Kritiken der »Eule«, der »Kröte« und des »Maulwurf« erfreut hatte, kam mir ein Exemplar des »Langlebigen« zu Gesicht. Er äußerte sich wie folgt:

»›Der Honigsüße‹!!! Diese prächtige Zeitschrift liegt uns bereits in ihrer Oktobernummer vor. Der Streit um den Vorrang unter den Zeitschriften scheint uns jetzt entschieden, und zwar definitiv. Ein weiterer Vorstoß von seiten der Konkurrenten ›Brummtrommel‹, ›Radau‹ und ›Blechschmiede‹ erscheint uns als ein äußerst abgeschmacktes Beginnen. Sie sind ein für allemal erledigt. Was die Marktschreierei betrifft, so setzen sie allerdings den ›Honigsüßen‹ tief in Schatten, aber in jeder andern Hinsicht ist ihnen der ›Honigsüße‹ überlegen. Wie die berühmte Zeitschrift ihre offensichtlich horrenden Spesen zu decken vermag, geht über unsre Begriffe. Allerdings erscheint sie in einer Auflage von genau einer halben Million Exemplaren, und ihre Abonnentenzahl ist in den letzten zwei Tagen um 75 Prozent gestiegen, aber andrerseits ist die Summe, die sie monatlich für Beiträge aufzubringen hat, von kaum glaublicher Höhe. Es ist uns nicht unbekannt geblieben, daß Fräulein Kleindieb nicht weniger als siebenundachtzigeinhalb Pfennige für ihre letzte Erzählung aus der Revolutionszeit bekam, die den Titel führt: ›Die Großstadt-Pflanze und die Häusler-Unschuld.‹

Die besten Artikel der uns vorliegenden Nummer sind natürlich die des Redakteurs (des hervorragenden Herrn Sauertopf), doch enthält das Blatt außerdem noch großartige Beiträge. Wir finden Namen wie: Snob, Fräulein Kleindieb, Schlauesel, Frau Schwindlian, Saugfinger, Fräulein Spottvogel, und als letzten, nicht geringsten, Fettquaker. Wir fordern die Welt in die Schranken. Sie mag zeigen, ob sie eine so glänzende Versammlung genialer Autoren zum zweitenmal vorweisen kann.

Das mit ›Snob‹ unterzeichnete Gedicht zieht, wie wir besonders betonen möchten, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich, und wir müssen zugeben, daß es, wenn möglich, noch mehr und höheres Lob verdient, als es bereits erhalten hat. Dies Meisterwerk der Kunst und der Beredsamkeit führt den Titel ›Das Bobsche Öl‹. Ein oder der andre Leser mag noch eine schwache, wenn auch reichlich widerliche Erinnerung an ein ähnlich betiteltes Gedicht (?) haben, die Freveltat eines Zeilenfuchsers, eines elenden Bettlers, eines Halsabschneiders, der, wie wir glauben, als Küchenjunge bei einem der unanständigen Vorstadtblätter angestellt ist. Wir bitten die Leser, um Gottes willen die Gedichte nicht zu verwechseln. Der Verfasser des ›Bobschen Öles‹ ist, wie uns gesagt wird, der sehr ehrenwerte Thingum Bob, ein hochbegabter Mann und ein Gelehrter. ›Snob‹ ist nur ein ›nom de guerre.‹ Sept. 15-I t.«

Ich konnte meine Entrüstung kaum zurückhalten, als ich die Endzeilen dieser Kritik las. Es war mir klar: die gewundene »Wasch mir den Pelz und mach mich nicht naß!«-Manier, um nicht zu sagen: die sanfte Art, die Schonung, mit der der »Langlebige« das Schwein, den Redakteur der »Bremse«, behandelte – es war mir ganz klar, daß diese milde Sprache von nichts anderm herrühren konnte, als von einer Voreingenommenheit für die »Bremse«. Es lag am Tage, daß der »Langlebige« die Absicht hatte, die »Bremse« auf meine Kosten herauszustreichen. Selbst ein Blinder mußte deutlich erkennen, daß der »Langlebige« sich in spitzeren, präziseren, dem Zweck mehr angepaßten Ausdrücken hätte ergehen können, wäre seine Absicht wirklich die gewesen, die er vorgab. Die Worte »Zeilenfuchser«, »Bettler«, »Küchenjunge« und »Halsabschneider« waren so absichtlich zweideutig und ausdruckslos gewählt, daß sie schlimmer waren als gar nichts, wenn man in Betracht zieht, daß sie einem Verfasser galten, der die schlechtesten Verse verbrochen hatte, die je eine menschliche Feder verbrochen hat. Wir alle wissen, was der Ausdruck »durch schwaches Lob verurteilen« bedeutet. Hier war es unverkennbar, daß der »Langlebige« eine versteckte Absicht hatte, nämlich – durch leichten Tadel zu erheben.

Schließlich ging es mich ja nichts an, was der »Langlebige« in seinem Verkehr mit der »Bremse« zu sagen für richtig befand. Aber was er über mich äußerte, darin hatte ich ein Wort mitzureden. Nach der achtungsvollen Kritik, die »Eule« »Kröte« und »Maulwurf« über mein Können von sich gegeben hatten, war es wirklich unerträglich, sich von einer solchen Kreatur wie dem »Langlebigen« mit so kühlen Worten, wie z.B. »ein hochbegabter Mann und Gelehrter«, abfertigen zu lassen. Also nichts als – ein hochbegabter Mann. Ich faßte sofort den Entschluß, entweder den »Langlebigen« zu einer schriftlichen Entschuldigung zu zwingen oder ihn herauszufordern.

Ganz erfüllt von meinem Vorhaben, sah ich mich nach einem Freunde um, den ich mit einer Botschaft an Ihro Gnaden den »Langlebigen« betrauen könnte, und da der Redakteur des »Honigsüßen« mir deutliche Beweise seines Wohlwollens gegeben hatte, so entschloß ich mich zulegt, seinen Beistand im vorliegenden Falle nachzusuchen.

Ich habe es niemals fertig gebracht, mir in ausreichender Weise Rechenschaft über das sonderbare Benehmen zu geben, das Herr Sauertopf zur Schau trug, als ich ihm meine Absicht darlegte. Er führte wieder die ganze Szene mit dem Klingelzug und dem Knüttel auf und vergaß auch die Ente nicht. Einen Augenblick lang glaubte ich, daß er wirklich losquaken würde. Sein Anfall ging jedoch wieder vorbei, wie er das letzte Mal vorübergegangen war, und er fing an, in vernünftiger Weise zu handeln und zu sprechen. Er lehnte es rundweg ab, mein Kartellträger zu sein, und redete mir aus den »Langlebigen« überhaupt herauszufordern. Andrerseits gab er mit liebenswürdigster Offenherzigkeit zu, daß der »Langlebige« stark im Unrecht sei, besonders was die Bezeichnungen »hochbegabter Mann« und »Gelehrter« beträfe.

Gegen das Ende dieser Unterredung mit Herrn Sauertopf, der ein wahrhaft väterliches Interesse an mir zu nehmen schien, rückte er mit dem Vorschlag heraus, daß ich mir eigentlich einen ganz hübschen kleinen Verdienst schaffen und zugleich meinem Ruhme förderlich sein könnte, wenn ich hie und da für den »Honigsüßen« den Thomas Hawk spielen würde.

Ich bat Herrn Sauertopf, mir mitzuteilen, wer denn eigentlich Herr Thomas Hawk sei und wie ich ihn darstellen solle.

Hier machte Herr Sauertopf von neuem »große Augen« (wie man in Deutschland zu sagen pflegt); aber nachdem er sich von seinem heftigen Erstaunen erholt hatte, versicherte er mir, daß er die Worte »Thomas Hawk« anwende, um den pöbelhaften Ausdruck Tommy zu vermeiden, aber daß er eigentlich Tommy Hawk oder, genauer gesagt, Tomahawk meine und daß er durch den Ausdruck »Tomahawk darstellen« auf »Skalpieren« anspielen wolle, das heißt, auf die verächtliche Behandlung, die man der Herde von armen Teufeln angedeihen ließe, die sich Autoren nennen.

Ich versicherte meinem Beschützer, daß, wenn er weiter nichts von mir wolle, ich mich vollkommen damit einverstanden erkläre, die Rolle des Thomas Hawk zu übernehmen. Hierauf forderte mich Herr Sauertopf auf, nur gleich einmal den Herausgeber der »Bremse« ordentlich vorzunehmen und ihn im wildesten Stil, den ich nur aufbringen könnte, abzuschlachten. Es sei dies zugleich eine Probe meines Könnens. Ich machte mich sogleich daran. Ich schrieb eine Kritik seines Gedichtes über das »Bobsche Öl«, die sechsunddreißig Seiten des »Honigsüßen« füllte. Dabei kam es mir zum Bewußtsein, daß das Thomas-Hawk-Spielen eine weit weniger beschwerliche Aufgabe sei als das Verfertigen von Gedichten. Ich verfiel auf ein famoses System, und so war es nicht schwer, die Sache gründlich und vortrefflich abzumachen. Ich griff die Sache nämlich folgendermaßen an. Ich kaufte in Auktionen (und zwar billigst) Exemplare von »Lord Broughams Reden«, »Cobbetts vollständige Werke«, ein »Lexikon der Gaunersprache«, die »Gesamtkunst des Anschnauzens«, »Lehrlings Schimpfredensammlung« (Folio-Ausgabe) und Lewis G. Clarkes »Sprache der Gosse«. Diese Werke zerschnitt ich gründlich mit einem Gerbermesser, dann warf ich die Schnitzel in einen Korb, sortierte dann sorgsam alles heraus, was einigermaßen anständig erschien (es war wenig genug), und hielt nur die pöbelhaften Sätze zurück, die ich in einen großen zinnernen Pfefferstreuer, der in der Längsrichtung Löcher besaß, warf, so daß ein ganzer Satz herausgleiten konnte, ohne irgendwie Schaden zu leiden. Nun war die Mischung gebrauchsfertig. Forderte man mich nun auf, Thomas Hawk zu spielen, so bestrich ich einen Foliobogen mit Klebstoff, zerschnitt das Schriftstück, das ich rezensieren sollte, in derselben Weise, wie ich vorher die Bücher zerschnitten hatte, nur ein wenig sorgfältiger, so daß jedes Wort einzeln zu stehen kam. Nun warf ich die zuletzt gemachten Schnitzel zu denen, die schon im Pfefferstreuer lagen, schraubte den Deckel sorgfältig auf, schüttelte das Ganze gründlich durch und stäubte die Mischung auf das mit Klebstoff versehene Papier, wo sie haften blieb. Das Resultat übertraf alle Erwartungen, es war fesselnd. Niemals hat irgend jemand die Kritiken auch nur von ferne erreicht, die ich auf diese Weise zustande brachte. Sie waren »das Weltwunder«. Im Anfang war ich, aus Mangel an Erfahrung, etwas schüchtern und ließ mich durch eine gewisse Zusammenhangslosigkeit, ein bizarres Aussehen (wie man in Frankreich sagt), die das Werk im ganzen zeigte, verwirren. Nicht alle Sätze saßen (wie man im Angelsächsischen sagt). Manche waren ganz krumm und schief; mehr noch, manche standen direkt auf dem Kopfe. Es waren sogar einige vorhanden, die bis zu einem gewissen Grad durch dieses Ausrenken Schaden nahmen. Nur die des Mr. Lewis G. Clarke waren so derb und kräftig gebaut, daß sie durch keine noch so verrückte Art der Stellung aus dem Konzept zu bringen waren; sie sahen immer gleich befriedigend und frohgemut aus, ob sie auf den Füßen standen oder auf dem Kopfe.

Was aus dem Verfasser der »Bremse« wurde, nachdem meine Kritik über sein »Bobsches Öl« veröffentlicht war, ist schwer festzustellen. Die Vermutung, die die größte Wahrscheinlichkeit für sich hat, ist, daß er sich zu Tode weinte. Wie dem auch sei, er verschwand augenblicklich vom Angesicht der Erde, und niemand hat auch nur mehr seinen Geist erblickt.

Nachdem nun dieses Geschäft in gehöriger Weise erledigt war und die Furien sich besänftigt hatten, stieg ich mächtig in der Gunst des Herrn Sauertopf. Er zog mich ins Vertrauen, gab mir eine Daueranstellung als Thomas Hawk beim »Honigsüßen«, und da er mir für den Augenblick kein Honorar bezahlen konnte, so erlaubte er mir, in jeder Beziehung von seinen Ratschlägen zu profitieren.

»Mein lieber Thingum,« sagte er eines schönen Tages nach dem Essen, »ich habe Achtung vor Ihrem Können und liebe Sie wie einen Sohn. Sie sollen mein Erbe sein. Wenn ich sterbe, will ich Ihnen den ›Honigsüßen‹ hinterlassen. Inzwischen will ich Ihnen aber helfen, daß Sie ein gemachter Mann werden. Ich werde das tun – vorausgeht natürlich, daß Sie meinem Rate Folge leisten. Das erste, was Sie zu tun haben, ist, daß Sie sich den alten Stocherer abhalftern.«

»Stocherer?« sagte ich, »Hauerträger, nicht? – aper? (wie der Lateiner sagt) – Wer? – Wo?«

»Ihren Vater.« sagte er.

»Gewiß, gewiß« sagte ich. »Schwein!«

»Sie können Ihr Glück machen, Thingum«, fuhr Herr Sauertopf fort; »dieser, Ihr Leiter und Führer, ist ein Mühlstein an Ihrem Hals. Wir müssen ihn schleunigst absäbeln.« (Hier zog er sein Messer heraus.) »Wir müssen ihn absäbeln,« fuhr Herr Sauertopf fort, »und zwar ein für allemal. Wir können ihn nicht brauchen – es geht wahrhaftig nicht. Wenn ich mir die Sache wirklich recht überlege, so sollten Sie ihn eigentlich mit Fußstößen bearbeiten oder ihn durchprügeln oder so was ähnliches.«

»Was würden Sie dazu sagen,« wagte ich bescheiden einzuwerfen, »wenn ich ihm erst ein paar Tritte gäbe, ihn dann durchprügelte und zum Abschluß an der Nase zupfte?«

Herr Sauertopf blickte mich einige Augenblicke nachdenklich an und antwortete wie folgt:

»Ich denke, Mr. Bob, bis zu einem gewissen Punkte sind Ihre Vorschläge sehr praktisch. Ja, – tatsächlich, außerordentlich zweckmäßig. Aber bei Barbieren begegnet das Absäbeln ganz außerordentlich großen Schwierigkeiten, und ich denke, Sie sollten, wenn Sie an Thomas Bob die von Ihnen vorgeschlagenen Operationen vollzogen haben, ihm mit Ihren Fäusten beide Augen so sorgfältig und gründlich bearbeiten, daß er Sie nie wieder auf den vornehmen Promenaden erblicken kann. Wenn Sie dies vollbracht haben, so weiß ich wirklich nicht, was Sie noch mehr tun könnten. Vielleicht wäre es aber auch nicht übel, ihn ein- oder zweimal in der Gosse herumzuwälzen und ihn dann der Polizei anzuvertrauen. Sie können ja am nächsten Morgen zur Polizeiwache gehen und einen Überfall vorgeben.«

Ich war im Innersten von dem gütigen Gefühl ergriffen, das Herr Sauertopf mir gegenüber an den Tag legte, indem er mir diesen vorzüglichen Rat gab, und ich verfehlte auch nicht, mich dieses Rates zu bedienen. Das Resultat war, daß ich den alten Stocherer los wurde und mich unabhängiger und vornehmer zu fühlen begann. Trotzdem war der Geldmangel in den nächsten Wochen eine Quelle der Unbehaglichkeit für mich. Aber mit der Zeit, als ich gelernt hatte, meine beiden Augen gut zu gebrauchen und den Lauf der Welt besser zu verstehen, bekam ich allmählich her aus, wie man den Stier bei den Hörnern fassen müsse und wie das Ding zu deichseln wäre. Ich sage »Ding«, weil ich gehört habe, daß das lateinische Wort dafür »rem« sei. Weil ich übrigens gerade von Latein spreche: kann mir vielleicht jemand sagen, was »quocunque« bedeutet oder welche Bedeutung das Wort »modo« hat?

Mein Plan war außerordentlich einfach. Ich kaufte mir für ein paar Batzen ein Sechzehntel des »Schnapphahn« – und damit war die Sache erledigt. Es war erreicht, ich bekam Geld in meinen Beutel. Allerdings waren später noch einige Einrichtungen zu treffen, aber das waren Kleinigkeiten und gehörten nicht zum Plan. Sie waren vielmehr eine Folge, ein Resultat. Zum Beispiel kaufte ich Feder, Tinte und Papier und versetzte sie in wütende Bewegung. Wenn ich auf diese Weise einen Artikel zustande gebracht hatte, gab ich ihm als Titel zum Beispiel »Narretei vom Verfasser des ›Bobschen Öls‹« und sandte ihn der »Blechschmiede« ein. Wenn nun diese Zeitung in ihren »Monatlichen Anweisungen an die Mitarbeiter« das Schriftstück »Gewäsch« genannt hatte, änderte ich die Überschrift und nannte es »Schwanken und Wanken von Thingum Bob, Verfasser der Ode über das ›Bobsche Öl‹ und Redakteur der ›Schnapp-Schildkröte‹«. Mit dieser Abänderung schickte ich es wieder an die »Blechschmiede« und veröffentlichte während der Wartezeit täglich im »Schnapphahn« sechs Spalten einer philosophisch analytischen Forschung über die literarischen Verdienste der »Blechschmiede« und über den persönlichen Charakter ihres Herausgebers. Am Ende der Woche hatte die »Blechschmiede« bereits entdeckt, daß im Drange der Arbeit durch einen seltsamen Irrtum »irgendein blödsinniger Artikel mit der Überschrift ›Schwanken und Wanken‹, den irgendein unbekannter Ignoramus verbrochen hatte, mit einem strahlenden Juwel verwechselt worden sei, das denselben Titel trüge und das Werk des hochehrenwerten Herrn Thingum Bob, des berühmten Verfassers des ›Bobschen Öles‹, sei.« Die »Blechschmiede« bedauerte tief »diesen begreiflichen Irrtum« und versprach außerdem, das echte »Schwanken und Wanken« in der allernächsten Nummer der Zeitschrift abzudrucken.

Tatsache ist, daß ich glaubte, wirklich glaubte, damals wirklich glaubte – und keinen Grund einsehe, warum ich jetzt anders glauben sollte, daß die »Blechschmiede« wirklich diesen Irrtum begangen hatte. Mit dem besten Willen der Welt kann ich mich nicht entsinnen, jemals irgendwo soviel seltsame Irrtümer beisammen gesehen zu haben wie in der »Blechschmiede«. Seit diesem Tage hatte ich eine erklärte Vorliebe für die »Blechschmiede«, und das Resultat war, daß ich bald in die tiefsten Tiefen ihrer Verdienste eindrang. Ich versäumte nicht, mich darüber im »Schnapphahn« zu verbreiten, sobald sich nur eine passende Gelegenheit dazu finden ließ. Es ist nun als ein sonderbares Zusammentreffen anzusehen, als eines jener auffallend merkwürdigen Zusammentreffen, welche zu tiefem Nachdenken Anlaß geben, daß eine gleiche Meinungsänderung, ein gleiches »bouleversement« (wie man in Frankreich sagt), eine gleiche »Umwertung aller Werte« (wenn es mir erlaubt ist, einen etwas gewaltsamen Ausdruck der Choctaws zu gebrauchen), wie sie »pro« und »contra« zwischen mir einerseits und der »Blechschmiede« andrerseits vorfiel, auch, kurze Zeit später, tatsächlich und von ähnlichen Umständen begleitet zwischen mir einerseits und dem »Radau« andrerseits, zwischen mir einerseits und der »Brummtrommel« andrerseits sich ereignete.

So kam es, daß ich durch einen genialen Meisterstreich auf der höchsten Höhe meines Triumphes anlangte und »Geld in meinen Beutel kriegte«. So hat also wirklich und wahrhaftig jetzt die glänzende und ereignisreiche Laufbahn begonnen, die mich berühmt machte. Wenn ich auf sie zurückblicke, kann ich mit Chateaubriand sagen: »Ich habe Geschichte gemacht – j'ai fait l'histoire

Und in der Tat: ich habe Geschichte gemacht. Von der strahlenden Epoche an, deren Erinnerung ich eben jetzt erweckt habe, sind meine Taten, meine Werke das Allgemeingut der Menschheit. Die Welt kennt sie. So ist es unnötig, zu erzählen, wie ich höher und höher stieg, wie ich das Erbe des »Honigsüßen« antrat, wie ich die Zeitschrift mit der »Brummtrommel« verschmolz, wie ich dann den »Radau« kaufte und die drei Zeitschriften verband, wie ich zuletzt auch noch den einzigen selbständigen Rivalen aufkaufte und so die ganze Literatur des Landes in einer einzigen prachtvollen Zeitschrift vereinigte, überall bekannt als

»Radau und Honigsüßer,
Brummtrommel und Blechschmiede«.

Ja, ich habe Geschichte gemacht. Mein Ruhm strahlt über die Erde. Er breitet sich bis in ihre äußersten Winkel aus. Sie können kein Blatt in die Hand nehmen, ohne auf eine Bemerkung über den unsterblichen Thingum Bob zu stoßen. Da steht: »Mr. Thingum Bob sagte so«, oder: »Mr. Thingum Bob schrieb jenes«, oder: »Mr. Thingum Bob tat dieses.« Aber ich bin bescheiden und demütigen Herzens. Denn was ist es schließlich – jenes undefinierbare Etwas, das die Menschen »Genie« nennen? Ich gebe Buffon und Hogarth recht: im Grunde genommen ist es nur Fleiß.

Seht mich an! – wie ich arbeitete, wie ich schuftete, wie ich schrieb. Schrieb ich vielleicht nicht, o Götter? Das Wort »Muße« war mir unbekannt. Bei Tage klebte ich an meinem Pult, und bei Nacht arbeitete ich, blaß und überwacht, beim Scheine des Öllämpchens, noch um Mitternacht. Ihr solltet mich damals gesehen haben. Ich stützte mich rechts auf, ich stützte mich links auf, ich stützte mich nach vorn auf beide Ellenbogen. Ich lehnte mich zurück. Ich saß »tête baissée« (wie es bei den Kickapoos heißt) und neigte meinen Kopf dicht auf das alabasterweiße Papier. Und bei alledem – ich schrieb, schrieb. Bei Freude und bei Schmerz – ich schrieb. Bei Hunger und Durst – ich schrieb. Bei guten Erzählungen und schlechten Nachrichten – ich schrieb. Bei Sonnenschein, bei Mondschein – ich schrieb. Was ich schrieb, tut nichts zur Sache. Der Stil ist das Wesentliche. Ich verdanke ihn Meister Fettquaker – st! st! – und hier habt ihr ein Pröbchen davon.


  1. Für »Heil« und »Hagel« hat die englische Sprache das gleiche Wort (hail). Der Parallelismus ist im Deutschen nicht wiederzugeben. (Anm. d.Ü.)