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Kriegerdenkmal

Karl Kraus. Nichts trostloser als seine Adepten, nichts gottverlassener als seine Gegner. Kein Name, der geziemender durch Schweigen geehrt würde. In einer uralten Rüstung, ingrimmig grinsend, ein chinesisches Idol, in beiden Händen die gezückten Schwerter schwingend, tanzt er den Kriegstanz vor dem Grabgewölbe der deutschen Sprache. Er, der »nur einer von den Epigonen, die in dem alten Haus der Sprache wohnen«, ist zum Beschließer ihrer Gruft geworden. In Tag- und Nachtwachen harrt er aus. Kein Posten ist je treuer gehalten worden und keiner je war verlorener. Hier steht, der aus dem Träneneere seiner Mitwelt schöpft wie eine Danaïde, und dem der Fels, der seine Feinde begraben soll, aus den Händen rollt wie dem Sisyphos. Was hilfloser als seine Konversion? Was ohnmächtiger als seine Humanität? Was hoffnungsloser als sein Kampf mit der Presse? Was weiß er von den wahrhaft ihm verbündeten Gewalten? Doch welches Sehertum der neuen Magier läßt sich vergleichen mit dem Lauschen dieses Zauberpriesters, dem eine abgeschiedene Sprache selbst die Worte eingibt? Wer hat je einen Geist beschworen wie Kraus in den »Verlassenen«, als ob sie vordem nie gedichtet worden wäre, die »Selige Sehnsucht«? So hilflos wie nur Geisterstimmen sich hören lassen, sagt das Raunen aus einer chthonischen Tiefe der Sprache ihm wahr. Jedweder Laut ist unvergleichlich echt, aber sie alle lassen ratlos wie Geisterrede. Blind wie die Manen ruft die Sprache ihn zur Rache auf, borniert wie Geister, die nur die Blutstimme kennen, denen gleich ist, was sie im Reiche der Lebenden anstiften. Aber er kann nicht irren. Unfehlbar sind ihre Mandate. Wer ihm in den Arm läuft, ist schon gerichtet: sein Name selber wird in diesem Mund zum Urteil. Wenn er ihn aufreißt, schlägt die farblose Flamme des Witzes ihm über die Lippen. Und keiner, der die Wege des Lebens geht, stieße auf ihn. Auf einem archaischen Felde der Ehre, einer riesigen Walstatt blutiger Arbeit rast er vor einem verlassenen Grabmonument. Die Ehren seines Todes werden unermeßlich, die letzten sein, die vergeben werden.