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Schopenhauer. — Schopenhauer, der letzte Deutsche, der in Betracht kommt (— der ein europäisches Ereigniss gleich Goethe, gleich Hegel, gleich Heinrich Heine ist, und nicht bloss ein lokales, ein „nationales”), ist für einen Psychologen ein Fall ersten Ranges: nämlich als bösartig genialer Versuch, zu Gunsten einer nihilistischen Gesammt-Abwerthung des Lebens gerade die Gegen-Instanzen, die grossen Selbstbejahungen des „Willens zum Leben,” die Exuberanz-Formen des Lebens in's Feld zu führen. Er hat, der Reihe nach, die Kunst, den Heroismus, das Genie, die Schönheit, das grosse Mitgefühl, die Erkenntniss, den Willen zur Wahrheit, die Tragödie als Folgeerscheinungen der „Verneinung” oder der Verneinungs-Bedürftigkeit des „Willens” interpretirt — die grösste psychologische Falschmünzerei, die es, das Christenthum abgerechnet, in der Geschichte giebt. Genauer zugesehn ist er darin bloss der Erbe der christlichen Interpretation: nur dass er auch das vom Christenthum Abgelehnte, die grossen Cultur-Thatsachen der Menschheit noch in einem christlichen, das heisst nihilistischen Sinne gutzuheissen wusste (— nämlich als Wege zur „Erlösung,” als Vorformen der „Erlösung,” als Stimulantia des Bedürfnisses nach „Erlösung” ...).

 

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Ich nehme einen einzelnen Fall. Schopenhauer spricht von der Schönheit mit einer schwermüthigen Gluth, — warum letzten Grundes? Weil er in ihr eine Brücke sieht, auf der man weiter gelangt, oder Durst bekommt, weiter zu gelangen ... Sie ist ihm die Erlösung vom „Willen” auf Augenblicke — sie lockt zur Erlösung für immer ... Insbesondere preist er sie als Erlöserin vom „Brennpunkte des Willens,” von der Geschlechtlichkeit, — in der Schönheit sieht er den Zeugetrieb verneint ... Wunderlicher Heiliger! Irgend Jemand widerspricht dir, ich fürchte, es ist die Natur. Wozu giebt es überhaupt Schönheit in Ton, Farbe, Duft, rhythmischer Bewegung in der Natur? Was treibt die Schönheit heraus?- Glücklicherweise widerspricht ihm auch ein Philosoph. Keine geringere Autorität als die des göttlichen Plato (— so nennt ihn Schopenhauer selbst) hält einen andern Satz aufrecht: dass alle Schönheit zur Zeugung reize, — dass dies gerade das proprium ihrer Wirkung sei, vom Sinnlichsten bis hinauf in's Geistigste ...

 

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Plato geht weiter. Er sagt mit einer Unschuld, zu der man Grieche sein muss und nicht „Christ,” dass es gar keine platonische Philosophie geben würde, wenn es nicht so schöne Jünglinge in Athen gäbe: deren Anblick sei es erst, was die Seele des Philosophen in einen erotischen Taumel versetze und ihr keine Ruhe lasse, bis sie den Samen aller hohen Dinge in ein so schönes Erdreich hinabgesenkt habe. Auch ein wunderlicher Heiliger! — man traut seinen Ohren nicht, gesetzt selbst, dass man Plato traut. Zum Mindesten erräth man, dass in Athen anders philosophirt wurde, vor Allem öffentlich. Nichts ist weniger griechisch als die Begriffs-Spinneweberei eines Einsiedlers, amor intellectualis dei nach Art des Spinoza. Philosophie nach Art des Plato wäre eher als ein erotischer Wettbewerb zu definiren, als eine Fortbildung und Verinnerlichung der alten agonalen Gymnastik und deren Voraussetzungen ... Was wuchs zuletzt aus dieser philosophischen Erotik Plato's heraus? Eine neue Kunstform des griechischen Agon, die Dialektik. — Ich erinnere noch, gegen Schopenhauer und zu Ehren Plato's, daran, dass auch die ganze höhere Cultur und Litteratur des klassischen Frankreichs auf dem Boden des geschlechtlichen Interesses aufgewachsen ist. Man darf überall bei ihr die Galanterie, die Sinne, den Geschlechts-Wettbewerb, das „Weib” suchen, — man wird nie umsonst suchen ...


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