Bewegung des Herzens und der Arterien


Damit man aber sehen könne, wie ich diese Materie behandelt, so will ich hier die Theorie von der Bewegung des Herzens und der Arterien geben. Denn da diese Bewegung die erste und allgemeinste ist, die man in den Tieren beobachtet, so wird man leicht beurteilen können, was man von den anderen zu denken hat. Und um das Folgende leichter zu verstehen, mögen die in der Anatomie gar nicht Bewanderten, bevor sie diese Erklärung hier lesen, sich die Mühe nehmen, das Herz irgendeines großen, mit Lungen begabten Tieres vor ihren Augen zerschneiden zu lassen, denn es ist dem des Menschen in allen Punkten ähnlich; sie mögen sich die beiden darin befindlichen Kammern oder Höhlungen zeigen lassen, zuerst die rechte, der zwei sehr breite Röhren entsprechen, nämlich die hohle Vene, die das hauptsächlichste Blutgefäß ist und gleichsam den Stamm des Baumes bildet, dessen Zweige alle übrigen Adern (Venen) des Körpers sind, und die arteriöse Vene, mit Unrecht so genannt, weil sie in der Tat eine Arterie ist, die aus dem Herzen entspringt und nach ihrem Austritt sich in mehrere Zweige teilt, die sich überall in den Lungen verbreiten; dann die linke Kammer, der in derselben Weise zwei Röhren entsprechen, ebenso breit oder noch breiter als die vorigen, nämlich die venöse Arterie, mir Unrecht so genannt, weil sie bloß eine Vene ist, die aus den Lungen kommt, wo sie in mehrere Zweige geteilt ist, die sich mit denen der arteriösen Vene verflechten und mit denen der sogenannten Luftröhre, wodurch die Luft, die wir atmen, eintritt, und die große Arterie, die vom Herzen ausgeht und ihre Zweige durch den ganzen Körper sendet. Ich möchte auch, dass man euch die elf kleinen Häute sorgfältig zeige, die als ebenso viele kleine Pforten die vier Öffnungen in den beiden Höhlungen öffnen und schließen, nämlich drei beim Eintritt der Hohlvene, wo sie dergestalt geordnet sind, dass sie keineswegs hindern können, dass das darin enthaltene Blut in die rechte Herzkammer fließt, und doch aufs genaueste hindern, dass es hier herausströmen kann, drei beim Eintritt der arteriösen Vene, die ganz entgegengesetzt geordnet, zwar das Blut in dieser Höhlung in die Lungen gehen, aber nicht das Blut in den Lungen dorthin zurückkehren lassen, und ebenso zwei andere beim Eintritt der venösen Arterie, die das Lungenblut nach der linken Herzkammer fließen, aber nicht zurückströmen lassen, und drei beim Eintritt der großen Arterie, die das Blut aus dem Herzen herausströmen lassen, und man braucht für die Zahl dieser Häutchen keinen weiteren Grund zu suchen, außer dass die Öffnung der venösen Arterie bei ihrer wegen des Orts, wo sie sich befindet, ovalen Form bequem mit zweien geschlossen werden kann, während es bei den anderen wegen ihrer runden Form am besten mit dreien geschieht. Außerdem wünschte ich, man machte euch darauf aufmerksam, dass die große Arterie und die arteriöse Vene von einer viel härteren und festeren Bildung sind als die venöse Arterie und die Hohlvene und dass diese beiden letzten vor ihrem Eintritt in das Herz sich erweitern und hier gleichsam zwei Beutel, die sogenannten Herzohren, bilden, die aus einem ähnlichen Fleisch wie das Herz selbst gebildet sind, und dass im Herzen immer mehr Wärme ist als irgendwo anders im Körper; endlich wie diese Wärme es mit sich bringt, dass, sobald ein Blutstropfen in die Herzkammer eintritt, er anschwillt und sich ausbreitet, so wie es alle Flüssigkeiten machen, wenn man sie tropfenweise in irgendein sehr heißes Gefäß fallen läßt.

Nach diesen Erörterungen brauche ich nichts weiter hinzuzufügen, um die Bewegung des Herzens zu erklären, außer dass, wenn seine Höhlungen nicht voll Blut sind, dieses notwendig aus der Hohlvene in die rechte und aus der venösen Arterie in die linke Kammer einströmt, da diese beiden Gefäße immer voll Blut sind und ihre dem Herzen zugewendeten Öffnungen alsdann nicht geschlossen sein können. Aber sobald auf diese Weise zwei Tropfen Blut, jeder in eine der beiden Kammern eingedrungen sind, so müssen sich diese Tropfen, die nur sehr dick sein können, weil die Öffnungen, durch die sie eindringen, sehr breit und die Gefäße, aus denen sie kommen, sehr voll von Blut sind, verdünnen und ausbreiten wegen der Wärme, die sie dort finden. So lassen sie das Herz anschwellen, und daher kommt es, dass sie die fünf kleinen Pforten zustoßen und schließen, die sich am Eingang jener beiden Gefäße befinden, aus denen sie kommen. So verhindern sie, dass mehr Blut in das Herz herabströmt, und fahren fort, sich immer mehr zu verdünnen. Daher kommt es, dass sie die sechs anderen kleinen Pforten aufstoßen und öffnen, die sich am Eingang der beiden anderen Gefäße befinden, durch die jene beiden Tropfen wieder ausströmen. So lassen sie alle Zweige der arteriösen Vene und der großen Arterie fast in demselben Augenblicke anschwellen wie das Herz selbst. Dieses, wie auch die Arterien, zieht sich gleich nachher wieder zusammen, weil das eingedrungene Blut sich abkühlt; ihre sechs kleinen Pforten schließen und die fünf der Hohlvene und der venösen Arterie öffnen sich wieder und lassen wieder zwei andere Tropfen Blut hindurch, die das Herz und die Arterien ganz wie die vorigen von neuem anschwellen. Und weil das Blut, das auf diese Weise in das Herz eindringt, durch jene beiden Beutel, die man Herzohren nennt, hindurchgeht, so ist deshalb die Bewegung der letzteren der des Herzens entgegengesetzt, und sie ziehen sich zusammen, während dieses sich ausdehnt. Übrigens damit diejenigen, welche die Stärke der mathematischen Beweise nicht kennen und nicht gewöhnt sind, die wahren Gründe von den wahrscheinlichen zu unterscheiden, dieser meiner Erklärung nicht auf gut Glück hin widersprechen, ohne sie zu prüfen, so will ich ihnen bemerken, dass diese soeben von mir erklärte Bewegung bloß aus der Ordnung der Organe, die man mit seinem Auge im Herzen sehen, und der Wärme, die man mit seinen Fingern dort fühlen, und der Natur des Blutes, die man erfahren kann, ebenso notwendig folgt, wie die Bewegung eines Uhrwerks aus der Kraft, der Lage und der Gestalt seiner Gewichte und Räder.


 © textlog.de 2004 • 19.03.2024 11:55:21 •
Seite zuletzt aktualisiert: 21.12.2006 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright