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357. Denken¹⁾. Glauben²⁾. Meinen³⁾. Wähnen⁴⁾.

1) To think.
2) Believe.
3) To be of opinion.
4) Imagine, fancy.
1) Penser.
2) Croire.
3) Être d’avis que (croire, penser).
4) S’imaginer (croire).
1) Pensare.
2) Credere.
3) Esser d’opinione, opinare.
4) Immaginare (supporre).

Wähnen (von Wahn, urspr. Glauben, Vermuten, Hoffen; der Nebenbegriff des Unbegründeten trat erst später hinzu und schon ahd. und mhd. bedeutete wân: unbegründete Meinung, Vermutung) heißt, etwas ohne Gründe, meinen (mit lat. mens verwandt; zur Wurzel man = denken gehörig), etwas aus unzureichenden Gründen für wahr halten; denken ist überhaupt, sich von einem Gegenstande eine Vorstellung bilden und diese für wahr halten; glauben (ursp. gutheißen; mhd. gelouben, ahd. gilouben; mit lieb, loben, Urlaub, erlauben verwandt) aber, etwas für unbedingt wahr halten, ohne daß man den Beweis der Wahrheit für nötig erachtet. Da das Wähnen jedes Grundes entbehrt, so ist ein solches Urteil meistens falsch und nur aus Zufall richtig. Meinen ist urteilen, daß etwas wahr sei doch so, daß man sich der Ungewißheit seines Urteils bewußt ist, während der Wähnende der festen Überzeugung lebt, sein Urteil sei unumstößlich wahr. „Wie in Rom außer den Römern noch ein Volk von Statuen war, so ist außer dieser realen Welt noch eine Welt des Wahns, viel mächtiger beinahe, in der die meisten leben.“ Goethe, Spr. i. Pr. 252. „Meint ihr, wenn ich die Kraft gebrauchen wollte, | ich würde mich vor ihren Spießen fürchten?“ Schiller, Tell III, 3. Denken heißt bloß urteilen, es sei mit oder ohne Gewißheit, und ist dem unmittelbaren Wahrnehmen entgegengesetzt. Es wird daher auch häufig für das Vorhersehen von Dingen gebraucht, von denen wir nicht selten in der Folge das Gegenteil durch die Erfahrung wahrnehmen; auf eine solche unerwartete Erfahrung deutet die Frage hin: Wer hätte das gedacht? Da Glauben dem Schauen zum Teil zur Seite, zum Teil aber entgegen gesetzt wird und also eine Erkenntnis anzeigt, die zwar nicht unmittelbar, aber doch ebenso gewiß als die unmittelbare ist, so bedeutet es: etwas so für wahr halten, daß man zugleich das Bewußtsein der Gewißheit hat. Es wird von allem gebraucht, was wir im Vertrauen auf eine Autorität als wahr annehmen, besonders von historischen Wahrheiten, wie auch von Gegenständen, die sich dem menschlichen Erkennen und Begreifen entziehen, z. B. von allen religiösen Angelegenheiten. In dieser Bedeutung ist es dann dem Wissen entgegen gesetzt. Der Astronom, der den Himmel beobachtet, weiß, daß Jupiter vier Trabanten hat; wenn der Ungelehrte, ohne sie selbst am Himmel beobachtet zu haben, es auch für wahr hält, so glaubt er bloß. Oft wird glauben auch im Sinne von vermuten gesetzt, z. B. „Ich kann das Predigen nicht vertragen; ich glaube, ich habe in meiner Jugend mich daran übergessen.“ Goethe, Spr. i. Pr. 534.