Sechstes Buch.
Arachne


Pallas hörte den Ruhm der Mäonerin, jener Arachne,

Daß sie ihr selbst nicht weiche mit künstlicher Wollebereitung.

Nicht durch den Adel des Ortes noch der Herkunft war sie gepriesen,

Sondern durch Kunst. Ihr Vater, der Kolophonier Idmon,

Pflegt' in phokäischen Purpur die trinkende Wolle zu tauchen.

Tot war die Mutter bereits, auch sie aus niedrigem Volke,

Und dem Vermähleten gleich. Doch fand in den lydischen Städten

Jene durch edelen Fleiß denkwürdigen Namen, wiewohl sie

Stammt' aus kleinem Geschlecht, und wohnt in der kleinen Hypäpa.

Anzuschaun der Arachne bewunderungswürdige Arbeit,

Kamen die Nymphen daher von den Weinhöhen ihres Tymolos,

Kamen aus ihrem Gewässer daher paktolische Nymphen.

Nicht nur gewordene Zeuge vergnügte sie dort zu betrachten,

Sondern die Werdenden auch: so paarte sich Kunst mit der Anmut!

Ob sie die rohere Wolle zuerst aufwickelt' in Ballen;

Ob mit den Fingern ihr Werk sie lockerte; oder ob krempelnd

Feiner sie zog und feiner die nebelähnlichen Vliese;

Ob sie mit hurtigem Daum umschwang die gerundete Spindel;

Ob mit der Nadel sie stickte: gewitziget schien sie von Pallas.

Doch sie leugnet die Lehrerin ab, und beleidiget ruft sie:

Streite die Göttin mit mir! nichts ist, was besiegt ich verweigre!

 

Pallas nimmt der Greisin Gestalt, und fälscht um die Schläfen

Graues Haar, auch stützet ein Stab ihr die schwächlichen Glieder.

So nun redete sie: Nicht hat das höhere Alter

Unannehmliches nur; die Erfahrung reift mit den Jahren:

Meinen Rat verachte mir nicht. Du suche den Ruhm dir,

Daß vor den Sterblichen du am geschicktesten Wolle bereitest.

Doch der Unsterblichen weich', und in Demut bitte Verzeihung

Deinem entfahrenen Worte; der Bittenden wird sie verzeihen.

 

Düsteren Augs verläßt sie die angefangenen Fäden;

Kaum noch haltend die Hand, und Zorn im Gesichte bekennend,

Ruft sie die Wort' entgegen der eingehülleten Pallas:

Dürftig kommst du des Sinns, und geschwächt vom lastenden Alter!

Wer zu lange gelebt, dem schadet es! Solcherlei Reden

Magst du der Schnur, die du hast, vorpredigen, oder der Tochter!

Rat ersinn' ich mir selber genug! Mit deiner Ermahnung

Wähne mir nicht zu frommen; es bleibt bei unserem Vorsatz!

Warum kommt sie nicht selbst, und meidet den Kampf der Entscheidung?

 

Wohl, ruft Pallas, sie kam! und den Wuchs ablegend der Greisin,

Stellt sie die Himmlische dar. Voll Ehrfurcht huldigen Nymphen

Und mygdonische Frau'n. Sie allein nicht zagte, die Jungfrau.

Dennoch errötete sie; und es flog um der Trotzigen Antlitz

Schleunige Glut, die wieder verschimmerte: so wie in Purpur

Pflegt zu erscheinen die Luft, wann zuerst Aurora herannaht,

Und nach weniger Frist sich erhellt an der Sonne Bestrahlung.

Jene beharrt im Entschluß, und die törichte Palme begehrend,

Rennt sie ins nahe Geschick: Nicht weigert sich Jupiters Tochter.

Weder ermahnt sie hinfort, noch säumet sie jetzt die Entscheidung.

 

Ohne Verzug nun stellen sie beid' an gesonderten Orten,

Und mit zartem Gespinste bespannen sie jede den Webstuhl.

Fest am Baum ist die Web', und der Rohrkamm scheidet den Aufzug;

Mitten hindurch wird geschossen mit spitzigem Schifflein der Einschlag,

Aus der entwickelnden Hand; und gestreckt nun zwischen die Faden,

Drängen ihn dicht mit dem Stoß die gereiheten Stäbe des Kammes.

Jegliche Kämpferin eilt; die Gewand' um den Busen gegürtet,

Regen sie kundige Arm', und die Lust macht leichter die Arbeit.

 

Dort wird Purpurgespinst, das den tyrischen Kessel gekostet,

Eingewebt, und daneben die sanft abgleitenden Schatten:

Wie nach Regenerguß von prallender Sonne den Bogen

Pflegt mit gewaltiger Krümmung entlang zu färben den Himmel;

Da in geschiedenen Räumen ihn tausend Farben durchschimmern,

Fließen sie doch ineinander, das spähende Auge verwirrend;

So sehr scheint, was grenzet, sich gleich, und Entfernteres ungleich.

Dort auch laufen hindurch die geschmeidigen Faden des Goldes;

Und im Gewirk erhebt sich ein altertümlicher Inhalt.

 

Auf der cekropischen Burg wirkt Pallas färbend des Mavors

Fels, und den längst besungenen Streit um den Namen des Landes.

Zwölf Unsterbliche sitzen, und Jupiter mitten, auf Thronen,

Mit ehrwürdigem Ernst, hochfeierlich. Jeden der Götter

Zeichnet die eigne Gestalt, und den Jupiter königlich Ansehn.

Aber der Meergott steht, und mit langgeschaftetem Dreizack

Schlägt er den schroffigen Fels, daß hervor aus der Wunde des Felsens

Springt die gesalzene Flut; und der Leistende eignet die Stadt sich.

Selbst erscheint sie mit Schild und spitziger Lanze gewaffnet,

Und auf dem Haupte den Helm, an der Brust die schützende Ägis.

Und das geähnlichte Land, von der mächtigen Spitze geschmettert,

Treibet hervor mit Beeren den Sproß des ergrauenden Ölbaums.

Staunend sehn es die Götter. Das Werk umkränzet ihr Siegslaub.

 

Doch die Mäonerin zeigte vom Stiere getäuscht die Europa:

Wahrhaft schien zu leben der Stier, und zu wallen die Meerflut;

Wahrhaft schaute daher zum verlassenen Lande die Jungfrau.

So, wie sie angstvoll rief den Gespielinnen, und die Benetzung

Scheute der hüpfenden Flut, und die furchtsame Ferse zurückzog.

Auch Asteria schuf sie, gefaßt vom ringenden Adler;

Leda dem Schwan, und Antiope hold dem geheuchelten Satyr;

Wie in Amphitryons Bild einst Jupiter warb um Alkmene;

Wie er, ein Hirt, Mnemosyne täuscht', und im Feuer Ägina,

Wie um Danäe Gold, und ein Drach' um Proserpina spielte.

Aber den Bord umringte mit Blumen durchflochtener Efeu.

 

Selbst nicht Pallas vermag, noch die Mißgunst, sagten die Nymphen,

Dir zu tadeln das Werk. An belebender Kunst und Gestaltung

Gleichst der Unsterblichen du; doch mit edlerer Seele belebt sie.

 

Auch dies Lob ereiferte dich, blondlockige Männin;

Mehr ihr trotzender Blick, und der Bildungen höhnender Inhalt,

Welcher des Vaters Schmach dir vorwarf, Tochter und Jungfrau!

Zornig zerriß die Göttin der Lästerung schnödes Gemäld' ihr,

Und in der Hand noch haltend das Schiff aus cytorischem Buxus,

Schlug sie dreimal die Stirn dem idmonischen Mädchen Arachne.

 

Nicht erträgt es die Arme; das Seil anknüpfend, umschlingt sie

Mutig die Kehl'. Es enthebt die Hangende Pallas voll Mitleid,

Und: So lebe demnach, doch hange du, Frevlerin! ruft sie.

Und nach gleichem Gesetz (nicht schmeichele dir mit der Zukunft!)

Werde bestraft dein ganzes Geschlecht, und die spätesten Enkel.

 

Hierauf geht sie hinweg, und den Saft hekateïschen Krautes

Sprenget sie ihr; und sofort, da der traurige Seim sie berührte,

Floß herunter das Haar, und die Nase zugleich und die Ohren.

Winzig verschrumpft ihr Haupt, am kleinlichen Körper das Kleinste;

Schmächtige Fingerchen haften wie Bein' an jeglicher Seit' ihr.

Übrigens waltet der Bauch. Aus ihm auch sendet Arachne

Faden, und fleißiger noch als Spinn' ihr altes Gewebe.


 © textlog.de 2004 • 19.03.2024 08:51:35 •
Seite zuletzt aktualisiert: 05.12.2006 
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