Fünftes Buch.
Perseus

 

Tragend die ruchtbare Beute des natterlockigen Scheusals

Flog durch Dünne der Luft mit rauschenden Fittichen Perseus,

Über die libyschen Sande. Da siegreich jener sich fortschwang,

Tröpfelten blutige Tropfen vom Haupt der Gorgo Medusa,

Welche die Erd' aufnehmend in mancherlei Schlangen beseelte:

Darum wimmelt das Land von der Brut feindseliger Würmer.

 

Durch Unermeßliches dann, in dem Sturm mißhelliger Winde,

Hierhin nun, nun dort, wie Gewölk voll schwellenden Regens,

Schwebet er; und tief unten entfernt aus der Höhe des Äthers

Schaut er die liegenden Land', und ganz umfliegt er den Erdkreis.

Dreimal den klauigen Krebs, und die frostigen Bärinnen sah er;

Oft zu dem Niedergang, oft ward er enttragen zum Aufgang.

 

Jetzt am sinkenden Tage besorgt, sich der Nacht zu vertrauen,

Stand er, wo Atlas gebot, im Bezirk des hesperischen Landes,

Wenige Frist sich nehmend zur Ruh', bis die Gluten Auroras

Lucifer rufe hervor, und Aurora die tagende Sonne.

 

Dort, vor den Sterblichen allen mit Riesenwuchse sich hebend,

War der gewaltige Sohn des Japetus. Unter dem König

War das äußerste Land, und das Meer, das unter der Sonne

Keichenden Rossen sich streckt, die ermüdeten Achsen empfahend.

Tausend Herden der Schaf' und des Hornviehs irreten jenem

Durch die Gefild'; und kein Anwohnender drängte die Gegend.

Laubige Sprossen des Baums, von blinkendem Golde gerötet,

Spielten um goldene Äste, die Frucht aus Golde beschattend.

 

Gastfreund, redete Perseus ihn an, wenn Ehre dich rühret

Eines erhabnen Geschlechts; von Jupiter stammt das Geschlecht mir.

Wenn du der Taten Bewunderer bist, so bewundre die meinen.

Pflege begehr' ich und Ruh'. - Doch Atlas dachte des alten

Götterspruchs, den ihm einst die parnassische Themis geweissagt:

Kommen wird, Atlas, die Zeit, da beraubt des wachsenden Goldes

Steht dein Baum, und ein Sohn des Jupiter prangt mit der Beute.

Dessen besorgt, hatt' Atlas mit sicheren Mauern den Obsthain

Fest umschirmt, und die Hut dem gewaltigen Drachen vertrauet;

Und er verbot ungastlich den Fremdlingen allen den Zugang.

 

Hebe dich fort! rief jener: daß nicht die Ehre der Taten,

Welche du lügst, dir entfernt, nicht Jupiter selbst dir entfernt sei!

Drohungen mischt er Gewalt, und versucht aus der Pforte zu treiben

Ihn, der weilt, und sanfte zu tapferen Worten gesellet.

Aber an Kraft ihm weichend (denn wer wohl gliche dem Atlas

Je an Kraft?). Nun, weil dir so weniges unsere Lieb' ist,

Saget er, nimm ein Geschenk! und er zeiget ihm, links von der Seite,

Selber zurück sich wendend, das wustige Haupt der Medusa.

Groß wie er war, ward Atlas ein Berg. Sein Bart und das Haupthaar

Wallen in Wälder dahin; Felshöh'n sind Schultern und Hände;

Was sonst Scheitel ihm war, ist oberster Gipfel des Berges;

Knochen erstarren zu Stein; an jeglichem Teile vergrößert,

Wächst er ins Ungeheure, (so wolltet ihr, Götter!) und ganz nun

Ruht mit allen Gestirnen auf seinem Haupte der Himmel.

 

Äolus hatte die Wind' im ewigen Kerker gebändigt

Und, ein Ermahner zum Fleiß, erschien am Gewölbe des Himmels

Lucifer, strahlend von Licht. Jetzt heftet sich jener die Flügel

Wieder an jeglichen Fuß, und schnallt die gebogene Wehr um;

Dann durch lautere Lüfte bewegt er gefittichte Fersen.

 

Völker, unendlich an Zahl, diesseits verlassend und jenseits,

Schauet er Cepheus Reich, die Äthiopengeschlechter.

Dort war jetzt unschuldig Andromeda, Strafe zu dulden

Für die Zunge der Mutter, vom grausamen Ammon verurteilt.

Als an dem harten Gestein sie zurück mit den Armen gefesselt

Sah der abantische Held; wenn nicht in den Haaren ein Lüftchen

Spielete, nicht die Augen von zitternden Tränen ihr flössen,

Hätt' er ein marmornes Bild sie gewähnt! Unwissend entbrannt er,

Staunet sie an, und, verloren im Reiz der betrachteten Bildung,

Denket er kaum zu schwingen in tragender Luft das Gefieder.

So wie er stand: Oh, sprach er, nicht solcherlei Ketten verdienst du,

Sondern womit sich einander entflammete Liebende fesseln!

Öffne dem Fragenden doch den Namen des Lands und den deinen;

Auch warum du in Banden erscheinst! - Erst schweigt sie, und wagt nicht

Anzureden den Mann, die Jungfrau. Gerne das Antlitz

Deckte sie scheu mit den Händen, wenn nicht gebunden sie wäre;

Was sie vermag, die Augen erfüllt sie mit quellender Wehmut.

Dringend erneut er die Frag'; und, damit nicht eigne Verbrechen

Sie zu verheimlichen scheine, den Namen des Lands und den ihren,

Und wie hoch sich die Mutter vermaß im Stolze der Schönheit,

Meldet sie. Aber noch nicht war alles verkündiget; plötzlich

Rauschte die Flut, und es kam ans unendlichen Wogen ein Untier,

Ragend das Haupt, breit unter der Brust die Gewässer bedeckend.

Laut aufschreie die Gebundne: der Vater in Gram und wie sinnlos

Eilt die Mutter daher, beid' elend, schuldiger jene.

Aber Errettung nicht, nur wohlverdienete Tränen,

Jammer nur bringen sie mit, und schmiegen sich fest um die Tochter.

Jetzo begann der Fremdling: Zu Tränen ist immer hinfort noch

Zeit euch genug; doch zur Rettung ist wenige Frist uns vergönnet!

Würb' ich Perseus um diese, von Jupiter stammende und jener,

Welcher der Gott im Verschloß mit befruchtendem Golde genahet.

Ich, der umschlängelten Gorgo Eroberer Perseus, der herzhaft

Durch die ätherischen Höh'n mit geschwungenen Flügeln einherging;

Allen ja trät' ich zuvor als Eidam. Solcherlei Aussteu'r

Durch ein Verdienst zu erhöh'n, willfahren mir Himmlische, tracht' ich.

Mir zu eigen gelobt sie, wofern mein Arm sie errettet.

 

Gern empfahn die Bedingung (wer zweifelte jetzo?) und flehend

Bieten sie noch ihr Reich zur Brautaussteuer, die Eltern.

Siehe, wie schnell anrauschend ein Schiff mit spitzigem Schnabel

Spaltet die Flut, wann in Schweiß die Arme der Jünglinge rudern:

Also schoß mit der Brust durch getrennete Wogen das Scheusal,

Nicht mehr weiter vom Felsen entfernt, als mächtig die Luft durch

Fliegt das gewirbelte Blei aus der balearischen Schleuder.

Plötzlich erhebt sich der Held, der das Land mit den Füßen zurückstößt,

Hoch zu den Wolken empor. Doch sobald auf dem Meere das Untier

Sah den Schatten des Mannes, so wütet es gegen den Schatten.

Wie wenn Jupiters Vogel, sobald er im freien Gefilde

Sah an der Sonne gestreckt mit bläulichem Rücken den Drachen,

Rasch den gewendeten faßt; und damit er das gräßliche Haupt nicht

Drehe, dem schuppigen Hals eindrängt die begierigen Krallen,

So in beschleunigtem Flug, vorwärts durch die Leere sich schwingend,

Drängt' er den Rücken des Tiers, der inachische Kämpfer, und tauchte

Rechts in des schnaubenden Bug bis zum krummen Hefte das Eisen.

Schwer von der Wunde verletzt, erhebt es sich bald in die Lüfte

Hochauf; bald fährt's unter die Flut; bald dreht's wie ein Eber

Wild sich herum, den der Hunde Gewühl umscheucht mit Gebelfer.

Doch, wie begierig es schnappt, er entflieht auf hurtigen Flügeln.

Rings darin, jetzt ihm den Rücken, umstarrt von geschildeten Muscheln,

Jetzt die Rippen der Seit', und jetzt, wo der Schwanz sich verdünnend

Endet zum Fisch, zerfetzt er mit sichelförmigem Säbel.

Aber das Untier speit mit purpurnem Blute vermischte

Ström' empor; und es triefen, beschwert von Bespritzung, die Flügel.

Perseus wagt nicht länger der schlürfenden Fersenbefiedrung

Sich zu vertraun; er erblickte den Fels, des oberster Gipfel

Ragt aus der stehenden Flut, vom wallenden Meere bedeckt wird.

Dort gestemmt, mit der Linken die vordersten Zacken umfassend,

Dränget er drei-, viermal in die Weichen des Bauchs ihm das Eisen.

 

Jubel erschallt und Klatschen vom Strande des Meers zu der Götter

Himmlischen Wohnungen auf. sie freun sich, und grüßen den Eidam,

Danken dem Schutz des Hauses, und preisen ihn Retter und Heiland,

Cepheus der Vater zugleich und Kassiope. Frei nun der Fessel,

Wandelt die Jungfrau her, Ursach' und Belohnung der Arbeit.

 

Selbst nun spület der Held die siegenden Händ' in der Woge.

Aber damit er nicht schade dem Schlangenhaupt in dem Meerkies,

Lockert er Laub auf die Erd', und im Abgrund wachsende Reiser

Streut er, und leget darauf das Gesicht der Phorkide Medusa.

Siehe das Reis, noch frisch, und mit saugendem Marke belebet,

Raffte des Scheusals Kraft, und erhärtete von der Berührung;

Äste zugleich und Blätter umzog fremdartige Starrheit.

Staunend nahn die Nymphen des Meers, und versuchen das Wunder

Noch an mehreren Reis, und freuen sich gleichen Erfolges.

Samen davon erneun sie, umher durch die Wogen ihn streuend.

Und auch jetzt ist gleiche Natur den Korallen geblieben:

Daß von berührender Luft sie Härt' annehmen, und, was erst

Schmeidig am Meergrund wuchs, gleich über dem Meer sich versteinert.

 


 © textlog.de 2004 • 19.03.2024 05:11:39 •
Seite zuletzt aktualisiert: 05.12.2006 
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