Ino und Athamas


Rings war jetzo in Thebe durch Wunderzeichen verherrlicht

Bacchus' Gewalt; und die Base des neuen Gottes erzählet

Allen sein mächtiges Tun; und allein war unter den Schwestern

Teillos Ino des Leids, nur schwesterlich fühlte sie Mitleid.

Hoch erhuben den Mut ihr die Söhn', und des Athamas' Lager,

Und der erzogene Gott. Saturnia sah, und ertrug's nicht.

Also vermochte denn, sprach sie, der Buhlerin heimlicher Bastard,

Daß er entmenscht in die Woge Mäoniens Schiffer versenkte?

Daß er der eigenen Mutter den Sohn zu zerfleischen dahingab?

Daß er die drei Minyaden verschuf in gefittichte Vögel?

Nichts soll Juno vermögen, als still zu beweinen den Kummer?

Das, das wäre genug? Drauf schränkte sich unsre Gewalt ein?

Handeln lehrt er mich selbst! Man darf auch vom Feinde belehrt sein!

Und was die Wut auswirke, das hat durch Pentheus' Ermordung

Mehr denn zu viel er gezeigt! Warum nicht geht mir gestachelt

Ino mit eigener Wut auf der Beispielbahn der Verwandten?

 

Ein abschüssiger Pfad, vom traurigen Taxus umdämmert,

Führt durch schweigende Stille zur unterirdischen Wohnung.

Nebel dampft untätig die Styx. Abscheidende Seelen

Steigen dort in die Tief', und bestatteter Toten Gebilde.

Bläss' und Winter beherrschen den wustigen Ort; und der Geister

Neulinge schwärmen umher, unkundig des Wegs, der sie führe

Nach der stygischen Stadt, und der Burg des düsteren Pluto.

Tausend der Eingäng' hat und ringsum offene Tore

Jene geräumige Stadt. Wie ins Meer die Ströme der Länder,

Also strömen dahin die Gestorbenen alle; der Raum ist

Nie dem Volke zu eng, nie fühlt er den schwärmenden Zuwachs.

Blutlos irren die Schatten, von Fleisch entblößt und Gebeinen.

Manche besuchen den Markt, und manche die Burg des Beherrschers;

Teils auch üben sie Kunst, Nachahmungen vorigen Lebens.

 

Dorthin duldet zu gehn, die himmlischen Säle verlassend,

(So lag Haß ihr am Herzen und Zorn!) die saturnische Juno.

Als sie nunmehr eintrat, und gedrückt von dem heiligen Leibe

Seufzte die Schwelle des Tors; da erhub drei gräßliche Häupter

Zerberus, und dreifaches Gebell scholl. Jene berufet

Stracks das unsühnbare Grauen der nachtgeborenen Schwestern:

Vor dem demantenen Tore des fest verschlossenen Kerkers

Saßen sie, dunkele Schlangen herab aus dem Haare sich kämmend.

Aber sobald sie die Göttin im finsteren Schatten erkannten,

Stauden die Furien auf. Man nennt ihn den Ort der Verdammnis.

Tityos bot zu zerfleischen das innerste Leben, indem neun

Hufen entlang er den Leib ausdehnete. Tantalus haschet

Ewig die Wasser umsonst; es entzieht die umhangende Baumfrucht.

Bald rennt Sisyphus nach, bald drängt er den Fels zu dem Absturz.

Rasch wird Ixion gedreht, und sich selbst verfolgt er, und flieht er.

Und, die tückischen Mord den eigenen Vettern bereitet,

Schöpfen verrinnende Flut rastlos die belischen Jungfrau'n.

 

Aber nachdem sie alle Saturnia düsteren Auges,

Und vor allen Ixion, betrachtete; kehrt sie den Anblick

Wieder dem Sisyphus zu: Warum soll der von den Brüdern,

Ruft sie, unendliche Strafe bestehn, weil Athamas machtvoll

Wohnt in dem stolzen Palast: der samt der Genossin mich immer

Lästerte? - Und sie erzählt, was den Haß und die Reise verursacht,

Und den ersehneten Wunsch, daß die Burg des herrschenden Kadmus

Sänk', und die grausen Geschwister des Athamas zögen zur Untat.

Machtgebot und Verheißung und Flehn miteinander vermischend,

Regt sie die Göttinnen auf. Da Saturnia solches geredet,

Schüttelt Tisiphone wild ihr graues verworrenes Haupthaar,

Und die umringelnden Schlangen zurück vom Gesichte sich werfend:

Keineswegs bedarf's umschweifender Worte, beginnt sie;

Achte geschehn, was du immer gebeutst; und erhebe dich, Göttin,

Aus unfreundlicher Öde zur Luft des besseren Himmels.

 

Froh kehrt Juno zurück; und bevor in dem Himmel sie eingeht,

Sprengt die thaumantische Iris der Reinigung tauende Tropfen.

Aber Tisiphone rafft die mit Blut gefeuchtete Fackel

Ungestüm; und den Mantel, von triefendem Morde gerötet,

Leget sie an, und gürtet den Leib mit gewundener Schlange;

Und sie entstürmet dem Hause. Der Gehenden folget der Gram nach,

Angst und Schrecken zugleich, und die Wut mit krampfigem Antlitz.

Als sie die Schwelle betrat, da erzitterten, sagt man, die Pfosten

Äolus' Sohn'; es erblaßten die Doppelflügel von Ahorn,

Sol auch wandte den Lauf. Geschreckt durch die Zeichen erhub sich

Athamas und die Genossin; sie wollten entfliehn aus der Wohnung.

Aber es droht scheusälig und hemmt die Erinnys den Ausgang.

Schrecklich die Arm' ausbreitend, von Natternknoten umzingelt,

Schüttelte jene das Haar; und es scholl das bewegte Geschlängel.

Teils auf die Schulter gerollt, und teils um die Schläfen sich windend,

Zischen sie her, und speien ihr Gift, die züngelnden Schlangen.

Jetzt aus der Mitte des Haars zwei Ungeheuer sich raufend,

Faßt der Verderberin Hand, und schwingt sie entgegen, Doch jene,

Vorn der Ino Gewand und des Athamas beide durchirrend,

Atmen sie strengen Gedüfts Anhauch. Nicht Wunden den Gliedern

Geben sie, aber der Geist empfindet die gräßlichen Bisse.

Ferner brachte sie mit des lautersten Giftes Erfindung:

Schaum aus Zerberus' Maul, und fressenden Schleim der Echidna;

Unstet irrenden Wahn, und Vergessenheit dumpfer Betäubung,

Frevel zugleich, und Tränen, und Grimm, und Begierde des Mordes:

Alles zusammengemengt mit frisch vergessenem Blute,

Hatt' in Erz sie gekocht, und gequirlt mit dem Schafte des Schierlings.

Und weil zagend sie stehn, da gießt sie die Beize des Rasens

Beiden hinab in die Brust, und regt das innerste Herz auf

Dann in denselbigen Kreis mehrmals umwirbelnd die Fackel,

Schürt sie heftiger noch die erregete Flamme mit Flammen.

Siegreich nun, des Gebots Vollenderin, kehrt sie zum öden

Reiche des mächtigen Dis, und löst die umgürtende Schlange.

Siehe, des Äolus Sohn schreit mutvoll mitten im Vorhof:

Auf, ihr Genossen, Io ! hier spannet die Netz' in den Wäldern!

Eben erblickt' ich allhier mit Zwillingsjungen die Löwin!

Sinnlos dann, wie des Wildes, verfolgt er die Spur der Gemahlin;

Und aus dem Busen der Mutter den lächelnden kleinen Learchus

Da er die Händchen ihm streckt, entrafft er, und hoch, wie die Schleuder,

Dreht er ihn dreimal herum, und am starrenden Felsen zermalmt er

Grimmig des Knaben Gebein. Erst jetzt wird erreget die Mutter;

Ob dies wirkte der Schmerz, ob die Kraft des verbreiteten Giftes:

Laut aufheult sie, und rennt wahnsinnig mit fliegenden Haaren.

Dich, ihr Kind, Melicertes, in nackenden Armen, ertönt sie:

Evoe, Bacchus, Io! Es lacht bei dem Namen des Bacchus

Juno, und: Solchen Gewinn verleihe dir, ruft sie, der Zögling!

 

Vorwärts ragt in das Meer ein Geklipp, das unten gehöhlt wird

Von anschlagender Flut, wie ein Dach vor dem Regen sich schirmend;

Oben erstreckt's rauchzackig die Stirn in die offene Woge.

Diesen erklomm wahnsinnig (der Wahnsinn kräftigte) Ino;

Und in die wallende Tief', ungehemmt von Bangigkeit, stürzt sie

Selbst sich hinab und die Last; weiß schäumt die geschlagene Flut auf.

 

Venus, im Herzen gerührt von der Enkelin leidender Unschuld,

Schmeichelte jetzo dem Ohm: Obwaltender Gott der Gewässer,

Welcher zunächst dem Himmel Gewalt ausübet, Neptunus!

Großes begehr' ich fürwahr; doch blick' auf die Meinen erbarmend,

Die des ionischen Sunds endloses Gewog' umherwirft!

Laß dir Götter sie sein! Ich selbst bin dem Meere nicht unlieb;

Wenn ja in heiliger Tief' ich einst aus gerinnendem Meerschaum

Aufwuchs, und Aphrodite daher mich nennet der Grajer!

 

Huldreich winkt Neptunus der Bittenden. Alles entnimmt er

Jenen, was sterblich war, und erteilt ehrwürdige Hoheit

Ihrer Gestalt; und den Namen zugleich mit der Bildung erneuend

Nennt er die Mutter des Gottes Leukothea, jenen Palämon.


 © textlog.de 2004 • 19.03.2024 06:34:57 •
Seite zuletzt aktualisiert: 05.12.2006 
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