Daphne


Phöbus liebte zuerst die peneïsche Daphne: wofür nicht

Blindes Geschick ihn entflammt, nein wütender Zorn des Kupido.

Delios schaut' ihn neulich, noch stolz von der Schlange Besiegung,

Als er das schnellende Horn einbog mit gestrengeter Senne;

Und: Was soll, mutwilliger Knab', ein so tapfres Gerät dir?

Spottet' er: das zu tragen geziemt nur unseren Schultern,

Die wir scharf das Gewild und scharf die Feinde verwunden!

Die wir ihn, der Hufen mit gräßlichem Bauche belastet,

Jüngst mit unzählbaren Pfeilen gestreckt, den geschwollenen Python!

Wenn dein Fackelchen dir, ich weiß nicht, welcherlei Liebe

Aufreizt, sei du vergnügt, ohn' unseren Ruhm zu begehren!

 

Drauf der Cypria Sohn: Und trifft dein Bogen, o Phöbus,

Alles; der meinige dich! So weit dir alles, was lebet,

Nachsteht, ebensoweit verschwindet dein Ruhm vor dem unsern!

 

Amor sprach's; und die Luft mit geschwungenen Fittichen schlagend,

Kam er in Eil', und stand auf dem schattigen Haupt des Parnassus.

Und er enthob zween Pfeile dem schmerzbeladenen Köcher,

Beide verschiedener Kraft: der scheucht, und jener erregt Glut.

Der sie erregt, ist golden, und blinkt mit spitziger Schärfe;

Der sie verscheucht, ist stumpf, und enthält Blei unter dem Rohre.

Diesen entsandte der Gott der peneïschen Nymphe; doch jenen

Schnellet' er durch die Gebein' in das innerste Mark dem Apollo.

Stracks ist einer verliebt; und den Liebenden meidet die andre,

Nur an Gehölz, und an Jagd, und an prangender Beute des Wildes,

Labend ihr Herz, nacheifernd der stets unbräutlichen Phöbe.

Jüngferlich fesselt ein Band die gesetzlos hängenden Haare.

Viel zwar warben um jene; doch sie, den Werbenden abhold,

Flüchtig und scheu vor dem Manne, durchstreift Einöden der Wälder;

Und nicht Hymen noch Amor bekümmert sie, noch die Vermählung.

Oftmal sagte der Vater: Gewähre mir, Tochter, den Eidam!

Oftmal sagte der Vater: Mein Kind, gewähre mir Enkel!

Jene, die gleich dem Verbrechen die ehliche Fackel verabscheut,

Färbt ihr schönes Gesicht mit schamhaft glühender Röte;

Und um den Hals dem Vater die schmeichelnden Arme geschlungen:

Gib mir, sprach sie, beständig, Geliebtester unter den Vätern,

Mädchen zu sein! Dies gab ihr Vater vordem der Diana!

 

Zwar willfährt dir jener; doch hemmt dir, Mädchen, die Anmut

Deinen Wunsch, und es strebt dem Gelübd' entgegen die Schönheit.

 

Phöbus liebt, und begehrt der gesehenen Daphne Vereinung;

Was er begehrt, das hofft er; ihn täuscht sein eignes Orakel.

Wie nach genommener Ähre die nichtige Stoppel verbrannt wird;

Wie von der Fackel der Zaun aufflammt, die der Wanderer sorglos

Näherte, oder vielleicht in dämmernder Frühe hinwegwarf:

Also entbrannt' in Flamme der Gott; durch Mark und Gebeine

Lodert er auf, und nährt unfruchtbare Liebe mit Hoffnung.

 

Kunstlos schaut er das Haar um den Hals ihr schweben: O was erst,

Rufet er, wär' es gelockt! Er sieht, voll strahlenden Feuers,

Äugelein, hell wie Gestirn; er sieht das rosige Mündlein,

Was nicht genüget zu sehn; er lobt die Finger und Hände,

Lobt die gerundeten Arm', und die halb vorscheinende Achsel.

Besser scheint das Verborgene noch. Sie entflieht, wie des Windes

Hauche dahin, nicht achtend des Flehenden, der sie zurückruft:

 

Bleib, peneïsche Göttin, o bleib! nicht feindlich verfolg' ich!

Göttliche, bleib! So fliehet das Lamm vor dem Wolfe, die Hindin

So vor dem Leun, und die Taube mit zitterndem Flug vor dem Adler;

Jedes dem Feind zu entgehn: mich nötiget Liebe zu folgen.

Wehe mir! falle doch nicht; und die Füß', unwürdig der Kränkung,

Ritze kein Dorn! nicht sei ich dir selbst Ursache des Schmerzes!

Rauh sind dort, wo du eilest, die Gegenden: mäßiger, fleh' ich,

Lauf', und hemme die Flucht; dann mäßiger folg' ich dir selber.

Wem du gefällst, erkundige doch! Nicht haus' ich in Berghöhn,

Nicht hier schalt' ich als Hirt, nicht weidende Rinder und Schafe

Hüt' ich in wüster Gestalt! Nicht weißt du es, Törin, du weißt nicht,

Welchen du fliehst: das macht dich entfliehn! Mir huldiget Delphos,

Klaros und Tenedos mir, und die pataräische Hauptstadt!

Jupiter zeugete mich! Was war, was ist, und was sein wird,

Weissag' ich, und heiße das Lied einstimmen den Saiten!

Treffend ist unser Geschoß; nur war ein einziger Pfeil noch

Treffender, welcher die Wund' in das ruhige Herz mir gebohret!

Ich erfand die heilende Kunst; Heilbringer und Retter

Nennt mich die Welt; und die Kraft der Genesungskräuter gehorcht mir!

Ach, kein linderndes Kraut erwächst für die Gluten der Liebe,

Und nichts frommt dem Besitzer die Kunst, die allen umher frommt!

 

Mehreres strebt' er zu reden; da ängstlichen Laufs die Penidin

Floh, und mit jenem verließ die unvollendeten Worte.

Hold erschien sie auch jetzt; es enthülleten Winde die Glieder,

Vor dem begegnenden Hauch entflatterten ihre Gewande,

Und ihr wallte das Haar rückwärts in dem leisen Gesäusel.

Eile vermehrte den Reiz. Nicht trug's der unsterbliche Jüngling,

Daß er noch länger umsonst liebkosete; sondern wie Amor

Antrieb, folgt' er den Spuren mit angestrengterem Schritte.

Wie wenn der gallische Hund im freieren Felde den Hasen

Sah, und jener um Raub sich beschleuniget, dieser um Rettung;

Immer erscheint anhaftend der Hund, nun, nun zu erhaschen

Hofft er, und streitet die Spur mit weit vorragendem Maule;

Jener dünkt sich beinah ein Gefangener, aber er reißt sich

Selbst aus den Bissen hinweg, und verläßt den berührenden Rachen:

Also der Gott und das Weib, die vor Angst hinstürmen und Sehnsucht.

Doch der Verfolgende rennt, wie mit Amors Fittichen fliegend,

Schneller daher, und versaget ihr Ruh; schon nahe dem Rücken

Hängt er, und atmet den Hauch in die fliegenden Haare des Nackens.

 

Jetzt, nach geschwundener Kraft, erblaßte sie, matt von der Arbeit

Jenes geflügelten Laufs, und schauend die Flut des Peneos:

Rette mich, rief sie, o Vater, wenn Macht euch Ströme beseelet!

Du, wo zu sehr ich gefiel, zerspalte dich unter mir, Erde!

Oder verwandele diese Gestalt, die mir Kränkungen bringet!

 

Kaum war geendet das Flehn; und gelähmt erstarren die Glieder.

Zarter Bast umwindet die wallende Weiche des Busens;

Grün schon wachsen die Haare zu Laub', und die Arme zu Ästen;

Auch der so flüchtige Fuß klebt jetzt am trägen Gewurzel;

Und ihr umhüllt der Wipfel das Haupt: nur bleibt ihr die Schönheit.

Phöbus liebt auch den Baum; und mit angelegeter Rechte

Fühlet er noch aufheben in junger Rinde den Busen.

Und mit zärtlichen Armen die Äst', als Glieder, umschlingend,

Reicht er Küsse dem Holz; doch entflieht vor den Küssen das Holz auch.

 

Jetzo sagte der Gott: Da du mein als Gattin nicht sein kannst,

Wenigstens sei als Baum du die Meinige! Immer umwind' uns

Du das Haar, und die Leier, und du den Köcher, o Lorbeer!

Du sei dem latischen Führer gesellt, wann froh der Triumphton

Hallt, und ein langer Zug hochfeierlich zum Kapitol steigt!

Selbst augustischen Pfosten hinfort der treueste Hüter,

Sollst an der Pforte du stehn, die umschlossene Eiche beschützend!

Und, wie jugendlich blüht mein ungeschorenes Haupthaar,

Trag' auch du beständig die dauernde Ehre des Laubes!

 

Päan endigte so; der jüngst entsprossene Lorbeer

Nickte dazu, und schien wie ein Haupt zu bewegen den Wipfel.


 © textlog.de 2004 • 19.03.2024 04:24:17 •
Seite zuletzt aktualisiert: 05.12.2006 
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