Pentheus

 

Beifall lacht der frevelnde Schwarm. Jetzt hebet sich Bacchus

(Denn kein anderer war's), als ob vom Geschrei sich der Schlummer

Lösete, und nach dem Rausch in die Brust umkehrte Besinnung:

Welch ein Lärm? Was, ruft er, geschieht? Wie, saget mir, Schiffer,

Wie doch kam ich hierher? und wohin mich zu bringen gedenkt ihr?

Sei nicht bange, mein Sohn, sprach Prorcus. Nenne den Hafen,

Den zu erreichen du strebst, wir setzen dich dort an das Ufer.

Steurt, antwortete Liber, den Lauf des Schiffes gen Naxos.

Dort gehör' ich zu Haus; auch findet ihr gute Bewirtung.

Trughaft schwören sie das, bei dem Meer und allen Gewalten.

Und ich spanne gemahnt dem bebilderten Schiffe die Segel.

Rechts war Naxos entfernt. Da ich rechtshin stelle die Leinwand:

Was, o Rasender, machst du? wie plagt dich, Acötes, der Wahnsinn?

Schreit ein jeder daher. Links wende dich! winken die meisten

Mir durch Blick' und Gebärd', und zischeln ins Ohr mir die andern.

Staunend der Tat: So empfang' ein anderer jetzo die Lenkung!

Rief ich, und zog mich zurück vom Dienste der Kunst und des Frevels.

Alle schelten und schmähn, und umher rauscht dumpfes Gemurmel.

Aber Äthalion ruft: Fürwahr, ganz trägest du einer

Unser gemeinsames Wohl! und der Höhnende tritt an das Steuer,

Mein Geschäft zu versehn, und abwärts lenkt er von Naxos.

 

Siehe, der täuschende Gott, als ob er nun den Betrug erst

Ahnete, schaut von der Wölbung des Hinterverdecks in die Meerflut.

Und dem Weinenden gleich: Nicht dort die Gestade verhießt ihr,

Ruft er, Genossen des Schiffs; nicht dort zu landen begehrt' ich.

Was Strafwürdiges tat ich an euch? Was habt ihr des Ruhmes,

Wenn mich Knaben ihr Jünglinge täuscht, mich einen so viele?

 

Längst schon floß mir die Träne. Des Weinenden lachen die Frevler

All, und drängen die Woge mit schnell geschwungenen Rudern.

Bei ihm selber nunmehr (denn nicht ein anderer Gott ist

Näher denn er) beschwör' ich, so wahr ist meine Verkündung,

Als sie den Schein des Wahren verläßt. Unbewegt in den Wogen

Stand nicht anders das Schiff, als ständ' es auf trockenem Werfte.

Voll Verwunderung schwingen sie rasch die Ruder, und rollen

Schleunig die Segel herab, um mit doppelter Kraft zu enteilen.

Efeugerank umstrickt in verschlungenen Knoten die Ruder

Kriechend umher, und streift mit doldigen Blumen die Segel.

Selbst die Stirn' in den Kranz vollbeeriger Trauben gehüllet,

Schwingt er den grünenden Schaft mit zierlich gewundenem Weinlaub.

Rings umruhn ihn Tiger, und nichtige Schatten der Lüchse,

Auch graunvolle Gestalten der buntgesprenkelten Pardel.

Wild nun sprangen die Männer empor; ob es wirkte der Wahnsinn,

Oder die Angst. Und Medon zuerst trägt dunkelnde Flossen

Am hinsinkenden Leib', und krümmt den gewölbeten Rückgrat.

Ihm ruft Lykabas zu: In was für Wundergestalt doch

Wandelst du dich? Breit zog sich des Redenden Maul mit geschweifter

Schnauze herum, und Schuppen gewann die erhärtende Haut ihm.

Libys, mit Macht andrängend die fest anstehenden Ruder,

Schaut, wie in kürzeren Raum einlaufen die Händ', und wie Hände

Jene nicht mehr, nein, schon Floßfittiche können genannt sein.

Einer der Arm' ausstreckend, umwickelte Seile zu lösen,

Sieht sich der Arme beraubt; mit gestümmeltem Rumpfe sich buckelnd,

Springt er hinab in die Wog'; und es läuft zur Sichel der Schwanz aus,

Mit dem gehalbeten Monde sich krumm einschmiegen die Hörner.

Ringsum heben sie Sprüng', und taun mit besprengendem Tropfen,

Tauchen hinab in die Flut, und tauchen empor zu der Fläche,

Walzen und drehn, wie im Tanze, sich wild, und die üppigen Leiber

Tummeln sie, hoch aufblasend das Meer aus offenen Nüstern.

Und von Zwanzigen eben, denn soviel führte die Barke,

War ich übrig allein. Da ich bang' und erkaltet vor Schrecken

Zittere, kaum bei mir selbst, erweckt mich der Gott durch den Zuspruch:

Schütt' aus dem Herzen die Furcht, und halt' auf Dia. Gelandet

Zünd' ich Opferaltäre, dem bacchischen Dienste mich weihend.

 

Willig liehn wir das Ohr, sprach Pentheus, deinem gedehnten

Umschweif, daß durch Verweilung der Zorn die Kräfte verlöre.

Rasch ihn hinweg, ihr Diener, gerafft! mit den gräßlichsten Foltern

Quält ihm den Leib, und sendet zur stygischen Nacht ihn hinunter!

 

Stracks wird von dannen geschleppt, und gesperrt, der Tyrrhener Acötes,

In ein gediegnes Verschloß. Und indem des befohlenen Todes

Schreckliches Martergerät sie bereiten, Eisen und Flamme,

Schlossen von selbst die Pforten sich auf, und entsanken den Armen,

Also verkündet der Ruf, von selbst ungelöset die Fesseln.

 

Dennoch beharrt der Tyrann. Nicht heißt er gehen; er selber

Wandelt dahin, wo, gewählt zur heiligen Feier, Cythäron

Laut vom Gesang aufschwoll, und dem schwärmenden Ruf der Bacchanten

So wie ein feuriges Roß, wann aus hallendem Erze der Kriegsruf

Schmetterte, mutvoll braust, und begieriger strebt in die Feldschlacht:

So ward Pentheus erregt, da langes Geheul durch den Äther

Rollt'; und der gellende Hall, der daherklang, schürte den Zorn auf.

 

Fast um die Mitte des Bergs, in dem Kreis' umgürtender Wälder,

Ist, von Bäumen entblößt, ein rings durchsehbares Blachfeld.

Als er das Heilige dort mit entweihenden Augen betrachtet,

Schaut ihn zuerst, wird zuerst von des Wahnsinns Trieben erreget,

Schwingt den verletzenden Thyrsus zuerst auf Pentheus die Mutter.

Kommt doch, Io! ruft diese, heran kommt beid', ihr Geschwister!

Jenen gewaltigen Eber, der uns die Gefilde durchschweifet,

Stürzt ihn, den Eber, in Blut! Hin rennen sie all auf den einen,

Tobend im Schwarm; und alles vereinet sich, alles verfolgt ihn,

Der schon zagt, schon Worte geminderter Heftigkeit redet,

Schon sich selber verdammt, schon selbst das Vergehen bekennet.

Rette mich! rief er, verwundet: Autonoe, Schwester der Mutter,

Rette mich doch! dir rühre das Herz der Schatten Aktäons!

Doch nichts weiß von Aktäon ihr Herz; und des Flehenden Rechte

Riß sie hinweg; und die andre verstümmelte Ino entraffend.

Nicht kann Arme nunmehr der Elende strecken zur Mutter;

Sondern den Rumpf nur zeigend, entblößt der zerstreueten Glieder,

Schaue doch, ruft er, o Mutter! Es schaut und heulet Agaue,

Schwingt im Taumel den Hals, und bewegt durch die Lüfte das Haupthaar;

Und das entrissene Haupt mit blutigen Fingern umfassend,

Schreit sie: Io! ihr Gespielen, der Sieg ist unser, ist unser!

Schnell, wie die Blätter des Baums, die gestreift durch herbstliche Kälte,

Kaum an dem Stiel noch haften, der Wind abreißet vom Wipfel,

Wurden die Glieder des Manns von frevelnden Händen zerrissen.

 


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Seite zuletzt aktualisiert: 05.12.2006 
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