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Identität

Identität. Die Identität des reinen Bewußtseins ist eine Urbedingung der Möglichkeit der Erkenntnis und Erfahrung. Diese Identität ist nur durch eine Synthese (s. d.) möglich. Nur dadurch, „daß ich ein Mannigfaltiges gegebener Vorstellungen in einem Bewußtsein verbinden kann, ist es möglich, daß ich mir die Identität des Bewußtseins in diesen Vorstellungen selbst vorstelle“. Nur durch die Möglichkeit solcher Synthesis der Apperzeption (s. d.) nenne ich die Vorstellungen meine Vorstellungen. „Synthetische Einheit des Mannigfaltigen der Anschauungen, als a priori gegeben, ist also der Grund der Identität der Apperzeption selbst, die a priori allem meinem bestimmten Denken vorhergeht.“ Ohne diese Synthesis kann die „durchgängige Identität des Selbstbewußtseins“ nicht gedacht werden, KrV tr. Anal. § 16 (I 152 f.—Rc 175 f.). Die Einheit (s. d.) des Bewußtseins wäre unmöglich, „wenn nicht das Gemüt in der Erkenntnis des Mannigfaltigen sich der Identität der Funktion bewußt werden könnte, wodurch sie dasselbe synthetisch in einer Erkenntnis verbindet“. Das ursprüngliche und notwendige „Bewußtsein der Identität seiner selbst“ ist zugleich „ein Bewußtsein einer eben so notwendigen Einheit der Synthesis aller Erscheinungen nach Begriffen, d. i. nach Regeln, die sie nicht allein notwendig reproduzibel machen, sondern dadurch auch ihrer Anschauung einen Gegenstand bestimmen, d. i. den Begriff von etwas, darin sie notwendig zusammenhängen; denn das Gemüt könnte sich unmöglich die Identität seiner selbst in der Mannigfaltigkeit seiner Vorstellungen, und zwar a priori, denken, wenn es nicht die Identität seiner Handlung vor Augen hätte, welche alle Synthesis der Apprehension (die empirisch ist) einer transzendentalen Einheit unterwirft“, KrV. 1. A. tr. Anal. 1. B. 2. H. 2. Abs. 3 (I 714—Rc 188 f.). Die „numerische Identität“ des reinen Selbstbewußtseins ist a priori gewiß, weil nichts ohne sie in die Erkenntnis kommen kann. Da diese Identität „notwendig in die Synthesis alles Mannigfaltigen der Erscheinungen, sofern sie empirische Erkenntnis werden soll, hineinkommen muß, so sind die Erscheinungen Bedingungen a priori unterworfen, welchen ihre Synthesis (der Apprehension) durchgängig gemäß sein muß“, ibid. 2. Abs 4 (I 718—Rc 196 f.). Der Satz von der „Identität meiner selbst bei allem Mannigfaltigen, dessen ich mir bewußt bin“, ist ein analytischer Satz. Aber diese „Identität des Subjekts, deren ich mir in allen seinen Vorstellungen bewußt werden kann“, betrifft nicht die Anschauung desselben als Objekt, kann also auch nicht die „Identität der Person“ bedeuten, nicht die Identität einer beharrlichen Seelensubstanz, KrV tr. Dial. 2. B. 1. H. (I 356—Rc 429 f.).

„Wenn ich die numerische Identität eines äußeren Gegenstandes durch Erfahrung erkennen will, so werde ich auf das Beharrliche derjenigen Erscheinung, worauf als Subjekt sich alles Übrige als Bestimmung bezieht, acht haben und die Identität von jenem in der Zeit, da dieses wechselt, bemerken“. Das Ich (s. d.) ist sich der numerischen Identität seiner selbst in verschiedenen Zeiten bewußt, und sofern „Person“ (s. d.). Ich beziehe alle meine sukzessiven Bestimmungen aufs „numerisch identische Selbst in aller Zeit“. Dies sagt aber nicht mehr als: „in der ganzen Zeit, darin ich mir meiner bewußt bin, bin ich mir dieser Zeit, als zur Einheit meines Selbst gehörig, bewußt, und es ist einerlei, ob ich sage: diese ganze Zeit ist in mir als individueller Einheit, oder: ich bin mit numerischer Identität in aller dieser Zeit befindlich“. Diese Identität der Person ist nicht erschlossen, sondern ein „identischer Satz“. Als Gegenstand äußerer Anschauung aber bin ich „in der Zeit“, ist also die Zeit nicht (wie bei der Apperzeption) „in mir“. Der äußere Beobachter wird also aus dem „Ich, welches alle Vorstellungen zu aller Zeit in meinem Bewußtsein, und zwar mit völliger Identität, begleitet“, noch nicht auf die objektive Beharrlichkeit meiner selbst schließen. „Denn da alsdann die Zeit, in welche der Beobachter mich setzt, nicht diejenige ist, die in meiner eigenen, sondern die in seiner Sinnlichkeit angetroffen wird, so ist die Identität, die mit meinem Bewußtsein notwendig verbunden ist, nicht darum mit dem seinigen, d. i. mit der äußeren Anschauung meines Subjekts verbunden.“ Es ist also die Identität des Bewußtseins meiner selbst in verschiedenen Zeiten nur eine formale Bedingung meiner Gedanken und ihres Zusammenhanges, beweist aber gar nicht die numerische Identität meines Subjekts, in welchem, unerachtet der logischen Identität des Ich, doch ein solcher Wechsel vorgegangen sein kann, der es nicht erlaubt, die Identität desselben beizubehalten, obzwar ihm immer noch das gleichlautende Ich zuzuteilen, welches in jedem anderen Zustande, selbst der Umwandlung des Subjekts, doch immer den Gedanken des vorhergehenden Subjekts aufbehalten und so auch dem folgenden überliefern könnte (durch Einflößung der Vorstellungen einer Substanz an andere, deren letzte sich der Zustände der ihr vorhergehenden als ihrer eigenen bewußt sein würde — analog der Übertragung der Bewegung einer elastischen Kugel an andere). Wir können nicht ausmachen, ob das Ich, das als identisches Selbst nur ein Gedanke ist, „nicht ebensowohl fließe als die übrigen Gedanken, die dadurch aneinander gekettet werden“. Aus der „Identität des Ich in dem Bewußtsein aller Zeit“ folgt nicht die „Identität der Person“, also auch nicht die Substantialität der Seele (s. d.). Nur zum „praktischen Gebrauche“ ist der Begriff der identischen Persönlichkeit nötig und hinreichend, KrV 1. A. tr. Dial. 2. B. 1. H. 3. Paralogismus (I 739 ff.—Rc 442 ff.). — „Die Identität der Person betrifft das intelligible Subjekt bei aller Verschiedenheit des empirischen Bewußtseins“, N 6319. Vgl. Ich, Person, Apperzeption, Einheit, Seele, Kausalitaet.