Operetten. Komische Opern

Operetten. Komische Opern. Wie die eigentliche Oper, davon der vorhergehende Artikel handelt, aus Vereinigung des Trauerspiels mit der Musik entstanden, so hat die Musik mit der Komödie vereinigt, die Operette hervorgebracht, die erst vor vierzig oder fünfzig Jahren aufgekommen ist, aber seit kurzem sich der deutschen komischen Schaubühne so bemächtigt hat, dass sie die eigentliche Komödie davon zu verdrängen droht. Anfänglich war sie ein bloßes Possenspiel zum Lachen, wozu die Deutschen von dem italienischen Intermezzo und der Opera buffa, den Einfall geborgt haben. Dabei waren Dichter und Tonsetzer allein bemüht recht possierlich zu sein. Man muss gestehen, dass die Musik, ob es gleich scheint, dass sie ihrer Natur nach nur zum fröhlichen oder herzrührenden Ausdruck diene, überaus geschickt ist, das Possierliche zu verstärken und dem Lächerlichen eine Schärfe zu geben, welche weder die Rede noch die Gebärden, noch der Tanz, zu erreichen vermögen. Man wird in keiner Komödie, bei keinem Balett ein so lautes und allgemeines Lachen gehört haben als das ist, dass man im Intermezzo und in der Operette gar oft hört.

 Da das Lachen auch seinen guten Nutzen hat und in manchen Fällen, sowohl der Gesundheit als dem Gemüte sehr zuträglich ist; so würde man nicht wohl tun, wenn man der Musik die Beförderung desselben verbieten wollte. Es gibt Tonkünstler, die sehr gegen die komische Musik eingenommen sind und glauben, dass eine so erhabene Kunst dadurch auf eine unanständige Weise erniedriget werde. Aber sie bedenken nicht, dass eine dem Menschen, nach den Absichten der Natur wirklich nützliche Sache, nicht niedrig sein könne; sie haben nicht beobachtet, dass die Natur selbst bisweilen unter Veranstaltungen, die zu erhabenen Absichten dienen, Freud und Lachen mischt.

 Man muss demnach der komischen Musik ihren Wert lassen und nur darauf bedacht sein, dass sie nicht gar zu herrschend werde und das der gute Geschmack sie beständig begleite. Ich stimme gerne mit ein, wenn man den Tonsetzer, der seine Zuhörer dadurch zum Lachen zu bringen sucht, dass er mit seinen Instrumenten ein Eselsgeschrei nachahmt, aus der Zunft stoßen will; aber, dem würde ich das Wort reden, der durch einen witzigen und launigen Kontrast des Ernst- und Scherzhaften, durch wirklich naive Schilderung lächerlich durch einander laufender Gemütsbewegungen, mich lustig macht.

 Seit kurzem hat man versucht die Operette, die anfänglich bloß komisch war, etwas zu veredeln und daraus entsteht jetzt allmählich ein ganz neues musicalisches Drama, welches von gutem Wert sein wird, wenn es von geschickten Dichtern und Tonsetzern einmal seine völlige Form wird bekommen haben. Es ist der Mühe wert, dass wir uns etwas umständlicher hierüber einlassen.

 Wie die große Oper wichtige und sehr ernsthafte Gegenstände bearbeitet, wobei starke Leidenschaften ins Spiel kommen, so kann die Musik, die jeden Ton mit gleicher Leichtigkeit annimmt, auch dienen sanftere Empfindungen, Fröhlichkeit und bloßes Ergötzen zu schildern. Um dieses mit einer schicklichen Handlung zu verbinden, wähle man den Stoff, wie die Komödie, aus angenehmen oder ergötzenden Vorfällen des gemeinen Lebens. Es ist ja schon von den ältesten Zeiten her ein Hauptgeschäft der Musik gewesen, auch zu fröhlichen gesellschaftlichen Unterhaltungen, es sei durch Tanz oder bloß durch Lieder, das ihrige beizutragen. Wir haben bereits einige Proben von französischen und deutschen Operetten von gemäßigten sittlichen Inhalt, die zwischen der hohen tragischen Oper und den niedrigen Intermezzo gleichsam in der Mitte stehen und uns Hoffnung machen, dass diese Gattung allmählich mehr ausgebildet und endlich zu ihrer Vollkommenheit gelangen werde. Das Rosenfest von Hrn. Herman, der Ärndtekranz und einige andere Stücke von unserem Weiße, sind gute Versuche in dieser Art. Sie nimmt ihren Stoff aus dem Leben des Landvolkes, kann sich aber auch wohl einen Grad höher zu den Sitten und Handlungen der Menschen vom Mittelstand erheben. Wir würden raten diesem Drama der Musik einen Ton zu geben, der sich eben so weit von der Hoheit des Cothurns als von der Niedrigkeit der komischen Maske entfernt. Der Dialog der Handlung wäre prosaisch, folglich ohne Musik, wie es bereits eingeführt ist; und an schicklichen Stellen würde der Dichter Lieder von allerlei Art, auch bisweilen Arien anbringen. Die Lieder würden teils aus dem Inhalt selbst hergenommen, teils als episodische Gesänge erscheinen. Die Arien könnten durch die Handlung selbst veranlasst, von jeder Art des lyrischen Inhalts sein, nur mussten sie sich nie bis zum hohen Ton der großen Oper erheben.

 Der Tonsetzer musste dabei auch den gar zu gemeinen und gassenliedermäßigen Ton verlassen; edel und fein, nur nicht prächtig, feierlich oder erhaben zu sein, sich befleißen. Seine Arien wären weder so ausführlich und ausgearbeitet, noch von so mannigfaltiger Modulation, noch so reich an begleitenden Stimmen als die großen Opernarien.

 Auf diese Weise würde wirklich eine neue sehr angenehme Art eines mehr sittlichen als leidenschaftlichen Schauspiels entstehen, wobei Poesie und Musik vereinigt wären. Außer dem unmittelbaren Nutzen, den es mit anderen dramatischen Schauspielen gemein hätte, würde dieses noch den besonderen Nutzen haben, dass dadurch eine Menge in Poesie und Musik guter Lieder und angenehmer kleiner Arien, die man, ohne eben ein Virtuos von Profeßion zu sein, gut singen könnte, von der Schaubühne in Gesellschaften und in einsame Kabinetter verbreitet würden. Man sieht in der Tat, dass gegenwärtig, seit dem Herr Hiller in Leipzig, so viel sehr leichte und dem gemeinen Ohr gefällige Lieder und Arietten in Weißens Operetten angebracht hat, in Gesellschaften und auf Spaziergängen sehr viel mehr gesungen wird als ehedem geschehen ist.

 


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