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[Erlösung in Wahrheit Selbstbegnadigung, Selbsterlösung]

134.

Ist nun der Christ, wie gesagt, durch einige Irrtümer in das Gefühl der Selbstverachtung geraten, also durch eine falsche unwissenschaftliche Auslegung seiner Handlungen und Empfindungen, so muss er mit höchstem Erstaunen bemerken, wie jener Zustand der Verachtung, der Gewissensbisse, der Unlust überhaupt, nicht anhält, wie gelegentlich Stunden kommen, wo ihm dies Alles von der Seele weggeweht ist und er sich wieder frei und mutig fühlt. In Wahrheit hat die Lust an sich selber das Wohlbehagen an der eigenen Kraft, im Bunde mit der notwendigen Abschwächung jeder tiefen Erregung, den Sieg davongetragen; der Mensch liebt sich wieder, er fühlt es, — aber gerade diese Liebe, diese neue Selbstschätzung, kommt ihm unglaublich vor, er kann in ihr allein das gänzlich unverdiente Herabströmen eines Gnadenglanzes von Oben sehen. Wenn er früher in allen Begebnissen Warnungen, Drohungen, Strafen und jede Art von Anzeichen des göttlichen Zornes zu erblicken glaubte, so deutet er jetzt in seine Erfahrungen die göttliche Güte hinein: dies Ereignis kommt ihm liebevoll, jenes wie ein hülfreicher Fingerzeig, ein drittes und namentlich seine ganze freudige Stimmung als Beweis vor, dass Gott gnädig sei. Wie er früher im Zustande des Unmutes namentlich seine Handlungen falsch ausdeutete, so jetzt namentlich seine Erlebnisse; die getröstete Stimmung fasst er als Wirkung einer außer ihm waltenden Macht auf, die Liebe, mit der er sich im Grunde selbst liebt, erscheint als göttliche Liebe; Das, was er Gnade und Vorspiel der Erlösung nennt, ist in Wahrheit Selbstbegnadigung, Selbsterlösung.