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Wir Unverständlichen

371.

Wir Unverständlichen. — Haben wir uns je darüber beklagt, missverstanden, verkannt, verwechselt, verleumdet, verhört und überhört zu werden? Eben das ist unser Los — oh für lange noch! sagen wir, um bescheiden zu sein, bis 1901 —, es ist auch unsre Auszeichnung; wir würden uns selbst nicht genug in Ehren halten, wenn wir’s anders wünschten. Man verwechselt uns — das macht, wir selbst wachsen, wir wechseln fortwährend, wir stoßen alte Rinden ab, wir häuten uns mit jedem Frühjahre noch, wir werden immer Jünger, zukünftiger, höher, stärker, wir treiben unsre Wurzeln immer mächtiger in die Tiefe — in’s Böse —, während wir zugleich den Himmel immer liebevoller, immer breiter umarmen und sein Licht immer durstiger mit allen unsren Zweigen und Blättern in uns hineinsaugen. Wir wachsen wie Bäume — das ist schwer zu verstehen, wie alles Leben! — nicht an Einer Stelle, sondern überall, nicht in Einer Richtung, sondern ebenso hinauf, hinaus wie hinein und hinunter, — unsre Kraft treibt zugleich in Stamm, Ästen und Wurzeln, es steht uns gar nicht mehr frei, irgend Etwas einzeln zu tun, irgend etwas Einzelnes noch zu sein... So ist es unser Los, wie gesagt: wir wachsen in die Höhe; und gesetzt, es wäre selbst unser Verhängnis — denn wir wohnen den Blitzen immer näher! — wohlan, wir halten es darum nicht weniger in Ehren, es bleibt Das, was wir nicht teilen, nicht mitteilen wollen, das Verhängnis der Höhe, unser Verhängnis ...