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Mit - Leid

Noch einen winzigen Schritt können wir vorwärts wagen. Eine soziale Erscheinung, ein Etwas zwischen den Menschen ist uns die Sprache oder das Denken oder das Erkennen. Als sozial oder altruistisch erschienen den Menschen früher nur moralische Erscheinungen, die dann namentlich von Schopenhauer in der Verzweiflung auf das Mitleid zurückgeführt worden sind. Jetzt, wo wir die Entwicklung alles Denkens auf den Kampf ums Dasein, auf biologische Notwendigkeit, auf die Not des Individuums zurückzuführen suchen, können wir wohl sagen, daß die Gemeinsamkeit der Zufallssinne auf die Verwandtschaft aller Organismen, die Gemeinsamkeit oder Allgemeingültigkeit unseres Denkens auf die gemeinsame Not der Menschenorganismen, auf das Mit-Leiden zurückzuführen seien. Und so dürfen wir als kürzesten Ausdruck dieser Anschauungsweise ein Wort Richard Wagners gebrauchen, freilich in ganz anderem Sinne, als er es selbst, mystisch und mit Verdrehung der Schopenhauerschen Lehre, gemeint hat. "Durch Mitleid wissend, der reine Tor". Überlassen wir Wagner das Wissen und die Reinheit, wie er sie versteht. Uns ist der nach Erkenntnis ringende Mensch im Sinne des gewöhnlichen Sprachgebrauchs ein reiner Tor, weil er nur durch Mit-Leid wissend wurde.

Eine neue kleine Veränderung will auch diese Sprachkritik dem Gesellschaftsspiel des Wissens hinzufügen, eine neue kleine Spielregel. Sie ist das Nichtigste von allem Nichtigen, sie ist der dem Spiele entfremdete Traum eines schlechten Mitspielers, solange sie mein Eigentum bleibt. Ein wenig wirklich kann sie nur werden, wenn andere Mitspieler die kleine Regel annehmen, wenn andere sich die Gedankengänge dieser Sprachkritik aneignen.

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