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Wilhelm Wundt

Ich möchte an dieser Stelle einige übereinstimmende Sätze einschalten, die ich nach getaner Arbeit bei neueren Forschern gefunden habe. Da ist zunächst Wilhelm Wundt zu nennen, der in diesem Punkte sich den freiesten Sprachwissenschaftlern angeschlossen hat. Er sagt klipp und klar (Völkerpsychologie II, S. 632): "Die Wurzeln sind Produkte der grammatischen Analyse, nicht Urwörter der wirklichen Sprache. Die ihnen beigelegten Bedeutungen sind Resultate logischer Abstraktion, nicht ursprüngliche Begriffe; und das Kulturbild, welches diese angeblichen Bedeutungen von dem Zustand des Menschen in der Zeit der hypothetischen Wurzelsprache gewähren, ist ein innerlich unmögliches, weil es die wirkliche Entwicklung, soweit wir sie aus der Erfahrung kennen, vollständig auf den Kopf stellt, indem es die Wurzeln selbst als die Produkte einer Kultur deutet, die nur auf Grund einer lange vorausgehenden, ohne die Sprache gar nicht denkbaren Entwicklung möglich wäre." Brugmann, Wundts Gewährsmann, will das Wort Wurzel (Grundriß I, S. 38) bereits nur im psychologischen Sinne gebraucht wissen. Und E. Wechßler in seiner vielfach sehr konservativen Abhandlung "Gibt es Lautgesetze?" wendet sich wenigstens in einer Anmerkung (S. 58) gegen die alte Wurzeltheorie von Bopp, Max Müller, Schleicher, Curtius und Misteli. Er sagt mit äußerster Zurückhaltung: "Der Sprachgebrauch des Wortes Wurzel ist heute überhaupt ein zweifacher: man meint darunter entweder, wie Brugmann, den hypothetischen Kern der synthetischen Worte der indogermanischen Ursprache (?), oder, wie hier Misteli, das, was für den Sprechenden nach Abzug der Endung übrig bleibt. Man wird besser tun, das Wort auf den ersten Begriff zu beschränken."