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Zahl, Verbum und Nomen

Für das hohe Alter unserer Grundzahlwörter spricht es, dass wir sie als Begriffsworte, das heißt als konkrete Metaphern wie Hand, Fuß usw. nicht mehr nachweisen können, so wenig wir mit Sicherheit die unregelmäßigen Zahlwörter Schock, Mandel, Stiege und dergleichen etymologisch bestimmen können. Es ist aber wohl möglich eine Urzeit sich vorzustellen, in welcher ein zahlenerfindendes Volk es bis zu 3 gebracht hatte, aber darüber noch nicht herausgekommen war, oder gar nur bis zu 2, so dass die 3 bereits die allgemeine Mehrzahl war, wie für den Grönländer das, was über 20 ist. Dann hätten wir uns in jene Zeit die Entstehung der Anzahlbezeichnung unserer Substantive und Verben zu denken. Es scheint sich noch niemand darüber gewundert zu haben, dass diese sonst so durchaus verschiedenen Redeteile beide die Zahl bezeichnen können, was doch nach unserer Psychologie nur dem Substantiv natürlich ist. Wie aber, wenn in jener Urzeit Substantiv und Verbum noch gar nicht geschieden war, dagegen aber bei jedem Ding und bei jeder Handlung von Wichtigkeit schon, ob Ding oder Handlung einmal, zweimal oder vielemal, das heißt dreimal da war? Wie wenn in allen solchen Fällen der Singular, Dual oder Plural bezeichnet worden wäre, und durch Analogie diese Formen auf alle Substantive und Verben übertragen worden Wären? Wie nun gar, wenn die Menschen jener Urzeit bei dieser primitiven Vergleichung der Einheitsverhältnisse so wenig an ein Zählen gedacht hätten, dass sie das Verhältnis dieser drei Zahlen für das pronominale Verhältnis hielten und 1 mit ich, 2 mit du (dva), 3 mit er gleichgesetzt hätten? Worauf gleich zurückzukommen. Wenn dieser Gedanke nur einen Schimmer von Ähnlichkeit mit der Wahrheit in sich hat, so muß er uns lehren: dass der Zahlbegriff den Menschen nicht immer eigen war, dass außerordentlich große Zeiträume vergingen, bevor der Mensch auch nur die niedersten Gruppen der Einheit vergleichen lernte, dass also vielleicht nur die ererbte Gewohnheit, mit diesem Redeteil, den Zahlwörtern, zu operieren, uns dazu verleitet, die Kategorie der Zahl in die Wirklichkeit selbst hineinzudenken. Ich füge die kleine Bemerkung hinzu, dass die sogenannten unbestimmten Zahlwörter mit den unbestimmten Fürwörtern (z.B. etwas im adjektivischen Gebrauch) noch heute zusammenfließen.

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