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Schnelle Bewegung der Aufmerksamkeit

Ein Schüler Reids, der mit Unrecht vergessene Dugald Stewart, hat sehr scharfsinnig beobachtet, wie blitzschnell die Aufmerksamkeit wechseln kann. Wenn ein Seiltänzer sich auf einem Drahtseil im Gleichgewichte hält und dabei gleichzeitig mit beiden Händen jongliert, so hat er seine Aufmerksamkeit aufs gespannteste auf drei Muskelgruppen zu richten; das wäre unbegreiflich, wenn wir nicht annähmen, "daß beide, die Seele sowohl als das Auge, auf diese verschiedenen Balancen nacheinander achtgäben, aber dabei mit einer ganz außerordentlichen Schnelligkeit verführen, was, wie die Erfahrung lehrt, dieselbe Folge hat, als ob sie beide auf alle diese Gegenstände zugleich unausgesetzt merkten." Sehr fein bemerkt Stewart hierzu, daß die Überraschung der Zuschauer von Taschenspielerkunststücken daher rühre, daß der Zuschauer nicht den Grad der Aufmerksamkeit verwenden könne, welchen der Künstler oder Seiltänzer durch Übung erreicht hat. Wir können dieses Kunststück des Gehirns besser begreifen, seitdem unsere Techniker einen Telegraphen erfunden haben, der durch einen gewissen schnellen Wechsel das scheinbar gleichzeitige Telegraphieren auf einem Drahte ermöglicht. Wie schwer es ist, diese Multiplextelegraphie des Gehirns auf größere Erscheinungen zu übertragen, das kann der gesellige Mensch täglich erfahren, wenn ihm in einer sogenannten Gesellschaft zugemutet wird, zwei Gespräche zu gleicher Zeit zu hören. Der innere Vorgang ist wahrscheinlich derselbe, wie wenn ein Fechtmeister es unternimmt, einen Gang mit zwei Gegnern auf einmal zu machen. So wenig dieser für gewöhnlich mit einem Hiebe zwei Angriffe parieren kann, so wenig kann die Aufmerksamkeit zwei Sätze zugleich aufnehmen ohne hin und her zu springen.

Diese Schnelligkeit der Sprünge, die wir oft an einem ungewöhnlichen Verstande bemerken, ist also ein Vorzug der Aufmerksamkeit. Ich möchte nicht erst das Schulbeispiel von Cäsar bemühen, der mehreren Schreibern zugleich, d. h. abwechselnd diktiert haben soll. Von Napoleon wird ähnliches berichtet. Wir können bessere, gesichertere Erfahrungen aus dem täglichen Leben nehmen. Der Knabe mit einer schnelleren Aufmerksamkeit wird seine Käfersammlung früher vermehren als ein anderer; der Student mit der schnelleren Aufmerksamkeit wird geometrische Sätze als Axiome auffassen, die für einen anderen eines Beweises bedürfen. Keine Forschung ohne Aufmerksamkeit. Der aufmerksamste Gelehrte wird mit der Zeit leicht der zerstreuteste werden für alle Dinge, die außerhalb des Blickfeldes seiner Aufmerksamkeit liegen.