Zum Hauptinhalt springen

Löwe

Löwe. Dieses charakteristische Schlagwort für eine modische Berühmtheit oder überhaupt eine Aussehen erregende Erscheinung hat, wie es scheint, Fürst Pückler um das Jahr 1828 aus England eingeführt. So schreibt er in den Briefen eines Verstorbenen 4, 398 (am 8. Juli 1828) über die hölzernen und ungeschliffenen Manieren und die launische Affektation eines englischen Dandy: „Das ungefähr macht den jungen „Lion“ in der Modewelt.“ Und 2, 96 (am 10. Okt. 1828) glossiert er, nachdem er den rok of Cashel mit seiner berühmten Ruine einen der größten „Lions“ von Irland genannt hat: „"Lion“ ist ein Modeausdruck, und bedeutet das Erste, Berühmteste, oder das, was grade im Augenblick am meisten en vogue ist. Das entgegenstehende, gemeinere, heißt "tigre". So nennt man z. B. die jungen Dandys in ihren Kabrioletts in der Hauptstadt Lions, die kleinen Jungen aber, welche hinten aufstehen, tigres. Auch Stutzer von der geringeren Societät werden mit dem letzten Namen bezeichnet.“

Im gleichen Jahre verdeutscht Heine 3, 220 auch bereits das Fremdwort: „Was uns aber an Quantität fehlt, das ersetzen wir durch Qualität. Wir haben nur einen großen Bildhauer — aber es ist ein „Löwe“"!

Seitdem häufen sich die Belege unter der Hand. So berichtet Gaudy 13, 9 (1838) offenbar im Hinblick aus Pückler: „Der Markus-Platz trägt einen aristokratischeren, ethischeren Charakter; er ist, um mich des modernsten Ausdrucks zu bedienen, der Salon der Löwen, welche sich um ihr geflügeltes Vorbild scharen, die Riva der Tiger. Sie ist aber auch die äußerste Schranke des Komfort und der Sitte.“ Alle möglichen Spielarten des Typus tauchen allmählich auf, wie der politische, der parlamentarische, der musikalische Löwe, desgleichen der Löwe der Gesellschaft und der Löwe des Tages. Vergl. Sanders 2, 173 a und Meyer S. 43, Gombert in der ZfdW. 2, 264, sowie meine Bemerkungen in den Grenzb. 1904, 1. Viertelj. S. 536.

Von späteren Belegen sei noch genannt Scheffel, Tromp. (1853) S. 91:

"Und der deutsche Bär erschien ihr
Feiner bald und edler, als die
Sämtlichen Pariser Löwen.“

Ferner Nietzsche 7, 145 (1886): „Die beiden Löwen von Berlin, der Anarchist Eugen Dühring und der Amalgamist Eduard von Hartmann“.

Aber auch das weibliche Seitenstück kommt in Aufnahme. Zunächst in der französischen Form, z. B. bei Gutzkow 12, 66 (1842), welcher Anna Thillon „eine Lionne der Gesangswelt“ nennt. Dann aber auch daneben die Übersetzung. So schreibt Hartmann, Erzählungen (1860) S. 177: „Eine Deutsche und eine der elegantesten, schönsten, blondesten und verrufensten Löwinnen von Paris. Es ist sehr merkwürdig, welchen großen Erfolg unsere schönen Landsmänninnen haben, wenn sie sich mit Energie und Ausdauer daraus werfen, Lionnes zu werden. Sie überstrahlen dann alle französischen Löwinnen, die doch den Ruf größerer Koketterie und höherer Grazie haben.“