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Technik der Natur

Technik der Natur. „Die selbständige Naturschönheit entdeckt uns eine Technik der Natur, welche sie als ein System nach Gesetzen, deren Prinzip wir in unserem ganzen Verstandesvermögen nicht antreffen, vorstellig macht, nämlich dem einer Zweckmäßigkeit, respektiv auf den Gebrauch der Urteilskraft in Ansehung der Erscheinungen, so daß diese nicht bloß als zur Natur in ihrem zwecklosen Mechanism, sondern auch als zur Analogie mit der Kunst gehörig, beurteilt werden müssen. Sie erweitert also wirklich zwar nicht unsere Erkenntnis der Naturobjekte, aber doch unseren Begriff von der Natur, nämlich als bloßem Mechanism, zu dem Begriff von ebenderselben als Kunst; welches zu tiefen Untersuchungen über die Möglichkeit einer solchen Form einladet“, KU § 23 (II 89). „Wir wollen, indem wir das Verfahren (die Kausalität) der Natur wegen des Zweckähnlichen, welches wir in ihren Produkten finden, Technik nennen, diese in die absichtliche (technica intentionalis) und in die unabsichtliche (technica naturalis) einteilen. Die erstere soll bedeuten, daß das produktive Vermögen der Natur nach Endursachen für eine besondere Art von Kausalität gehalten werden müsse; die zweite, daß sie mit dem Mechanism der Natur im Grunde ganz einerlei sei, und das zufällige Zusammentreffen mit unseren Kunstbegriffen und ihren Regeln als bloß subjektive Bedingung, sie zu beurteilen, fälschlich für eine besondere Art der Naturerzeugung ausgedeutet werde.“ Die Systeme betreffs dieser Technik der Natur, d. h. ihrer „produktiven Kraft nach der Regel der Zwecke“, sind der Idealismus und der Realismus der Naturzwecke; nach dem ersten ist alle Zweckmäßigkeit der Natur unabsichtlich, nach dem zweiten ist einige derselben (in organisierten Wesen) absichtlich, woraus dann hypothetisch die Absichtlichkeit auch des Naturganzen gefolgert werden kann. Der Idealismus der (objektiven) Zweckmäßigkeit ist entweder der der „Kausalität“ oder der „Fatalität“ der Naturbestimmung in der zweckmäßigen Form ihrer Produkte. „Das erstere Prinzip betrifft die Beziehung der Materie auf den physischen Grund ihrer Form, nämlich die Bewegungsgesetze; das zweite auf ihren und der ganzen Natur hyperphysischen Grund.“ Das System der Kausalität (Epikur u. a.), des blinden Zufalls, ist „ungereimt“, das der Fatalität (Spinoza u. a.) leistet nicht das, was es will, denn es nennt bloß die Einheit des Subjekts, dem die Dinge inhalieren (die „Substanz“ Spinozas z. B.), welche Einheit noch nicht „Zweckeinheit“ ist und diese nicht begreiflich macht, weil sie eine Ursache, die Verstand hat, voraussetzt. — Der Realismus der Zweckmäßigkeit ist auch entweder physisch (Hylozoismus) oder hyperphysisch (Theismus). Die Möglichkeit einer „lebenden Materie“, deren Begriff wegen der Leblosigkeit (inertia) der Materie einen Widerspruch enthält, läßt sich nicht einmal denken. Der Theismus kann die Möglichkeit der Naturzwecke nicht dogmatisch begründen; man müßte erst für die bestimmende Urteilskraft hinreichend die Unmöglichkeit der Zweckeinheit in der Materie durch den bloßen Mechanismus derselben beweisen, um berechtigt zu sein, den Grund derselben über die Natur hinaus auf bestimmte Weise zu setzen. Wir können aber nur behaupten, daß „nach der Beschaffenheit und den Schranken unserer Erkenntnisvermögen“ wir die Erzeugung der Naturprodukte nicht anders als durch einen obersten Verstand als Weltursache beurteilen können, KU §§ 72 f. (II 253 ff.). Dogmatisch ist eine Teleologie der Natur nicht möglich, nur kritisch, regulativ. Vgl. Zweck, Zweckmäßigkeit, Organismus.

Es wird gefordert, daß nicht nur die formalen, die Natur erst „ermöglichenden“ Gesetze, sondern auch die besonderen Gesetze in ihrer Mannigfaltigkeit und Ungleichartigkeit sich zu einem System zusammenschließen. Da aber die Natur hinsichtlich der letzteren „von allen Einschränkungen unseres gesetzgebenden Erkenntnisvermögens“ frei ist, ergibt sich der Begriff einer „Angemessenheit zum Vermögen der Urteilskraft“ oder einer „Technik der Natur“. „Der ursprünglich aus der Urteilskraft entspringende Begriff ist ... der von der Natur als Kunst, mit anderen Worten der Technik der Natur in Ansehung ihrer besonderen Gesetze, welcher Begriff keine Theorie begründet und, ebensowenig wie die Logik, Erkenntnis der Objekte und ihrer Beschaffenheit enthält, sondern nur zum Fortgange nach Erfahrungsgesetzen, dadurch die Nachforschung der Natur möglich wird, ein Prinzip gibt“, Erste Einl. in die KU II, WW ed. Cassirer-Buek (V 187). Vgl. Urteilskraft, System, Spezifikation.