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Transzendentale Hypothesen

Hypothesen, transzendentale. Über Gegenstände, die jenseits möglicher Erfahrung liegen (intelligible Objekte), lassen sich — in theoretischer Hinsicht — keine erlaubten Hypothesen aufstellen, zu deren Rechtfertigung immer erst die Gewißheit der Möglichkeit des Gegenstandes selbst gehört. Es ist also der Vernunft nicht erlaubt, sich neue ursprüngliche Kräfte zu erdenken (z. B. einen anschauenden Verstand) u. dgl. Solche Begriffe würden zwar „ohne Widerspruch, dennoch auch ohne Gegenstand“, also „leere Hirngespinste“ sein. Die „Ideen“ (s. d.), kritisch bestimmt, enthalten keine theoretischen (spekulativen) Annahmen, sondern lassen uns nur Objekte in gewisser Weise denken (z. B. die Seele als einfache Substanz), nur um eine vollständige Einheit als Prinzip unserer Beurteilung der Erscheinungen zugrunde zu legen. Zur Erklärung gegebener Erscheinungen können nur andere Natur-Erscheinungen benutzt werden. „Eine transzendentale Hypothese, bei der eine bloße Idee der Vernunft zur Erklärung der Naturdinge gebraucht würde, würde daher keine Erklärung sein, indem das, was man aus bekannten empirischen Prinzipien nicht hinreichend versteht, durch etwas erklärt werden würde, davon man gar nichts versteht.“ So z. B. muß man Ordnung und Zweckmäßigkeit in der Natur wiederum „aus Naturgründen und nach Naturgesetzen“ erklären, und hier sind „selbst die wildesten Hypothesen, wenn sie nur physisch sind“, erträglicher als eine „hyperphysische“, d. h. die Berufung auf einen ad hoc vorausgesetzten Urheber. Durch solche transzendentale Hypothesen schneidet man den ganzen Fortgang des Vernunftgebrauchs ab, KrV tr. Meth. 1. H. 3. Abs. (I 641 ff.—Rc 790 ff.). Zulässig sind solche Hypothesen nicht im „dogmatischen“, nur im „polemischen Gebrauch“, d. h. nicht als ernst zu nehmende positive Annahmen, sondern als Möglichkeiten, die man den „Scheineinsichten“ der Gegner als mindestens gleichberechtigt entgegensetzt, zur Abwehr der Anmaßungen dieser, also nur als „Kriegswaffen“, um das Recht der praktischen Interessen der Vernunft zu verteidigen (vgl. Postulat) — auch gegen den Gegner in uns selbst. Solch eine Hypothese ist nur ein „zur Gegenwehr ausgedachter Begriff“, den man verläßt, sobald man damit den dogmatischen Eigendünkel des Gegners abgefertigt hat. Diese Hypothese sind also „keine Privatmeinungen“, können aber doch „nicht füglich (selbst zur inneren Beruhigung) gegen sich regende Skrupel entbehrt, werden. “In dieser Qualität aber muß man sie erhalten und ja sorgfältig verhüten, daß sie nicht als an sich selbst beglaubigt und von einiger absoluter Gültigkeit auftreten und die Vernunft unter Erdichtungen und Blendwerken ersäufen", ibid. (I 645 ff.—Rc 795 ff.). Vgl. Metaphysik.