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Physikalische Trägheit

Trägheit, physikalische. Was man fälschlich für eine Ruhe in bezug auf den stoßenden Körper gehalten hat, ist in Wahrheit eine Bewegung (s. d.) in bezug auf ihn. So leuchtet es ein, daß die Trägheitskraft „ohne Not erdacht sei“. „Gleichwohl dienet diese angenommene Kraft ungemein geschickt dazu, alle Bewegungsgesetze sehr richtig und leicht daraus herzuleiten.“ Zugestanden kann werden, „daß alle Körper in Ansehung der gegen sie bewegten eine Trägheitskraft haben, d. i. eine Kraft, der Handlung in gleichem Grade entgegenzuwirken, denn dieses ist nichts als ein Erfahrungsgesetz; allein sie scheinen nur sie in völliger Ruhe als eine innere Kraft an sich zu haben, denn sie haben sie in der Tat bloß darum, weil sie gegen den anlaufenden in wirklicher und gleicher Bewegung sein, und sie haben solche nimmer, insoferne sie sich respective auf ihn in Ruhe befinden“. Das Gesetz der Kontinuität ist von dem Begriffe der Trägheitskraft unzertrennlich, Lehrbegriff der Bewegung und Ruhe (VII 402 ff.). „Die Kraft der Trägheit hat in jedem Elemente eine bestimmte Größe, die bei verschiedenen Elementen sehr verschieden sein kann.“ Die Kraft der Trägheit eines Elements kann im Vergleich mit der eines Elementes anderer Art größer oder kleiner sein. Die „Masse“ der Körper ist nur „die Größe ihrer Trägheitskraft, durch welche sie teils der Bewegung widerstehen, teils mit einer gegebenen Geschwindigkeit bewegt, den Anstoß (impetus) zur Bewegung anderer geben können“, Phys. Monadologie Satz XI (VII 358 ff.).

„Wenn ein bewegter Körper auf einen andern trifft, würde er keine Wirkung außern und schon durch ein unendlich kleines Hindernis in Ruhe versetzt werden, wenn er nicht eine Kraft der Trägheit besäße, vermöge welcher er in dem Zustande der Bewegung zu beharren strebt.“

Das zweite Gesetz der Mechanik ist das der Trägheit. „Alle Veränderung der Materie hat eine äußere Ursache (Ein jeder Körper beharrt in seinem Zustande der Ruhe oder Bewegung, in derselben Richtung und mit derselben Geschwindigkeit, wenn er nicht durch eine äußere Ursache genötigt wird, diesen Zustand zu verlassen)“, Anfangsgr. d. Naturw. 3. H. Lehrs. 3 (VII 391). Die Materie (s. d.) hat „keine anderen Bestimmungen als die der äußeren Verhältnisse im Raume, und erleidet also auch keine Veränderungen als durch Bewegung“ Die Ursache der Bewegung kann nicht innerlich sein, denn die Materie (als solche) hat keine schlechthin innerliche Bestimmungen. „Die Trägheit der Materie ... ist und bedeutet nichts anderes als ihre Leblosigkeit als Materie an sich selbst.“ Alle Materie als solche ist „leblos“. „Auf dem Gesetze der Trägheit (neben dem der Beharrlichkeit der Substanz) beruht die Möglichkeit einer eigentlichen Naturwissenschaft ganz und gar. Das Gegenteil der ersteren und daher auch der Tod aller Naturphilosophie wäre der Hylozoism.“ Die mechanische Trägheit ist nicht (wie die psychische) ein positives Bestreben, seinen Zustand zu erhalten, ibid. Anmerk. (VII 292 f.). Eine besondere „Trägheitskraft (vis inertiae)“ gibt es nicht. „Einer Bewegung kann nichts widerstehen als entgegengesetzte Bewegung eines anderen, keineswegs aber dessen Ruhe. Hier ist also nicht Trägheit der Materie, d. i. bloßes Unvermögen, sich von selbst zu bewegen, die Ursache eines Widerstandes. Eine besondere ganz eigentümliche Kraft, bloß um zu widerstehen, ohne einen Körper bewegen zu können, wäre unter dem Namen einer Trägheitskraft ein Wort ohne alle Bedeutung“, ibid. Lehrs. 4 Anmerk. 2 (VII 301 f.).

„Alle unsere Begriffe von Materie enthalten nichts als bloß Vorstellungen von äußeren Verhältnissen.“ Das im Raume existierende Etwas hat als bloße Materie nichts schlechthin Innerliches (Vorstellungskraft u. dgl.). „Hieraus folgt, daß, da alle Veränderung eine Ursache voraussetzt und eine schlechthin innerliche Ursache der Veränderung äußerer Verhältnisse (kein Leben) in der bloßen Materie nicht gedacht werden muß, die Ursache aller Veränderung (aus der Ruhe in Bewegung und umgekehrt, zusamt den Bestimmungen der letzteren) in der Materie außerhalb liegen müsse, mithin ohne eine solche keine Veränderung stattfinden könne; woraus folgt, daß kein besonderes positives Prinzip der Beharrlichkeit der Bewegung, in der ein Körper einmal ist, erforderlich sei, sondern bloß das negative, daß keine Ursache der Veränderung da ist“, An C. F. Hellwag, 3. Januar 1791.