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Was kleine Kinder sehn!

Ach, wie sieht es manchmal in der Kinderstube aus,
wenn Mama, o Graus!, einmal nicht zu Haus!
Mit dem Finger in der Nase liegt Fritzchen auf dem Bauch,
Gretchen nach altem Brauch, die popelt auch!
Erich hat mit der Trompete sich was ausgeheckt,
ein neues Spiel entdeckt, sie sich wo reingesteckt,
Kurtchen spielt Soldat und reitet um den Tisch Galopp
und trägt auf seinem Kopp 'nen Henkeltopp!
Was kleine Kinder sehn,
das wollen sie haben,
sie stecken alles gleich in ihren Mund!
Wir sind nicht so,
wir geben euch ja gerne,
was man nur irgend Kindern geben kann.
Zuerst, da wollt ihr Sonne, Mond und Sterne,
und wenn ihrs habt, dann guckt ihrs nicht mehr an!

Die Gesellschaft von Berlin, die kenn ich vom vorigen Jahr,
weiß, wie das damals war, kenn jedes einzge Paar!
Kenn den Hausfreund und die Kinder und auch den Opapa,
und sie sind schließlich ja noch alle da!
Aber ach! seh ich mir alle die Damen an
und geh mal näher ran, hat jed' 'nen andern Mann!
Wer was auf sich hält von unserm feineren Publikum,
heiratet still und stumm die Reihe rum!
Was kleine Kinder sehn,
das wollen sie haben,
sie stecken alles gleich in ihren Mund!
Und dabei könnten sies doch billiger haben,
doch nein, sie schließen gleich 'nen Ehebund!
Wir sind nicht so, wir scheiden euch ja gerne,
wen man nur irgend von euch scheiden kann.
Zuerst, da wollt ihr Sonne, Mond und Sterne,
und wenn ihrs habt, dann guckt ihrs nicht mehr an!

Theobald Tiger
Drei-Masken-Verlag, Berlin 1922, S. 2.