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Gute Witze aus grosser Zeit

Über den Kriegsberichterstatter Roda Roda wäre mancherlei zu sagen. Als meine alte Liebe damals in die Pressequartiere der österreichischen Brigaden stieg, trauerte ich tief und anhaltend. Es war schade um den Mann. Er hat dann eine Reihe Feuilletons geschrieben, die ich lieber nie gelesen hätte – und einen Haufen kleiner Geschichten. Sie liegen gesammelt vor und heißen: ›Irrfahrten eines Humoristen‹ (bei Rösl & Co. in München).

Was dieses Buch alles nicht ist, steht bei diesem Autor von vornherein fest. Niemand kann aus seiner roten Weste heraus. Es ist also nicht schneidende Satire und schmerzlich hohnvolle Ablehnung einer viehischen Massenschlächterei, es ist nicht geniale Erfassung von Einzelzügen, die auf den ganzen Bahnhof schließen lassen (wie in den ›Letzten Tagen der Menschheit‹ von Karl Kraus – Blasphemie, das hier zu nennen!): es ist eben etwas andres.

Es ist jene schlagend freche und im tiefsten Grunde doch harmlose Ironie der Kasinostunden, da man sich, Weltkriegsteilnehmer und Adjutant, der man war, langsam vollaufen ließ. Unter diesem Aspekt sah der Weltkrieg schon lustig genug aus. Gut war daran vor allem, dass der bunte Apparat dem Eingeweihten nichts mehr vormachte: Orden, Paraden, Beförderung, siegreiche Schlachten, Extrablätter, Vormärsche – man wußte, wie so etwas ›gemacht‹ wurde. Und es wurde eine ganze Menge gemacht …

Bis auf die wenigen Ausnahmen, wo Roda Roda die Totschläger noch feiert (ich weiß, dass er das nicht so empfindet) – bis auf diese Ausnahmen habe ich das Buch in einem Sitz durchlacht. Er ist noch immer unser Einziger, der kleine Geschichten so erzählen kann, als säße er am Kamin und ließe behaglich einen milden Rotwein in sich heruntergluckern. Er kann alle Leute und alle Dialekte und alle Tiere nachmachen, auch Kommandierende Generale. Die alten guten Armeewitze der Schulter an Schulter kämpfenden Schießvereine sind in dem Buch enthalten (»Hötzendorf hat mit seinen Österreichern die Russen so lange aufgehalten, bis Militär kam«); reizende kleine Worte, die den ganzen Preußen bezeichnen: »Fortiter in re, schnoddriter in modo«; böse Geschichten über die österreichischen Urteilsfabriken, oben stieß man die lebenden Bosniaken hinein, unten fielen die toten Kadaver heraus, und irgend ein Lümmel schmierte dazu Akten – Geschichten aus dem babylonischen Völkerwirrwarr der k. k. Monarchie m. b. H. Fabelhaft gehört ist so eine Ansprache eines preußischen Obersten, der vor dem Einmarsch in die Karpaten seine Offiziere um sich versammelt: »M–e Herr'n!! Wa wern nu Schulteranschulter mit unsan österreichischen Vabündten kämpfen. Ick vabitte mir alle dahinjehenden Bemerkungen. 'ck danke, m-e Herr'n!!« Manchmal ist der Hauptwitz einer Geschichte die Überschrift. Wie sie in Serbien zu zweit in einem Quartier sitzen und Klavier spielen. »Die Gassentür öffnete sich, und ein sächsischer Land-wehrmann erschien darin – nur um gleich mit einem Bückling wieder zu verschwinden: ›Bardon, och, bardon! Ich dachte, es war e Buff!«‹ Überschrift: ›Die Macht der Musik.‹

Dieses Büchlein sollte auf keinem Nachttisch fehlen.

Peter Panter
Die Weltbühne, 21.10.1920, Nr. 43, S. 470.