Immanuel Kant
(1724-1804)
Kant, Immanuel, geb. 22. April 1724 in Königsberg als Sohn eines Sattlermeisters, dessen Familie (früher wohl Cant) wahrscheinlich aus Schottland stammt. Er wurde streng religiös, im Geiste des Pietismus erzogen. Er besuchte 1732-1740 das Collegium Fridericianum mit bestem Erfolge und bezog dann die Königsberger Universität, wo er (1740-46) Philosophie, Mathematik, Physik und Theologie studierte und besonders von Martin Knutzen beeinflußt wurde (Bekanntschaft mit den Lehren Newtons). Von 1746 bis 1755 war Kant Hauslehrer, zuletzt im Hause des Grafen Keyserling in Bautenburg. Im Jahre 1755 habilitierte sich Kant in Königsberg, wo er über Mathematik und Physik, dann über Logik, Metaphysik, Moralphilosophie, auch über physische Geographie, Anthropologie u. a. las. Seine Vortrüge waren sehr anregend, so daß er durch sie einen großen Ruf hatte. Trotzdem und trotz seiner Arbeiten bewarb er sich mehrmals vergeblich um eine Professur, die er erst nach fünfzehnjährigem Warten, 1770 erhielt, nachdem er seit 1766 eine bescheidene Stelle als Unterbibliothekar bekleidet hatte. Infolge Altersschwäche, die immer mehr zunahm und Kant schließlich des Gedächtnisses beraubte, gab er 1796 seine Vorlesungen auf.
Unter dem neuen Ministerium Wöllner kam ihm infolge des Erscheinens seiner »Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft« (1793) eine Kabinettsordre zu (1794), welche ihm die Veröffentlichung weiterer Schriften über Religion verbot. Kant, dessen Maxime es war, nur Wahres zu sagen, aber nicht verpflichtet zu sein, alles Wahre, was man denke, auch öffentlich sagen zu müssen, unterwarf sich, ohne aber das Geringste zu widerrufen. Am 12, Februar 1804 starb Kant, der Zeit seines Lebens nicht aus dem Bannkreise von Königsberg herausgekommen war und doch von der Welt die anschaulichste Vorstellung hatte. Er wurde feierlich zu Grabe getragen und erhielt einen Denkstein, später ein Denkmal in Königsberg (von Rauch). Sein Ruhm war damals schon lange weit verbreitet, nachdem es kurze Zeit nach dem Erscheinen der »Kritik der reinen Vernunft« (1781) nicht an Zurückhaltung oder Mißverständnissen seitens der Leser gefehlt hatte. Trotzdem meinte Kant, er sei mit seinen Schriften um ein Jahrhundert zu früh gekommen, man werde sie erst nach hundert Jahren recht verstehen, sie neu studieren und gelten lassen. In der Tat ist, seit Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts, wo der Ruf »Zurück zu Kant« erscholl, der Kantsche »Kritizismus« immer mehr in den Vordergrund getreten, ja es ist eine eigene »Kantphilologie« entstanden, ferner eine eigene »Kantgesellschaft« und auch eine eigene Zeitschrift (»Kant-Studien«, herausgegeben von Vaihinger und Br. Bauch) für das Studium Kants und für Arbeiten, die im Geiste der philosophischen Kritik gehalten sind. Anläßlich des hundertjährigen Jubiläums der »Kritik der reinen Vernunft«, 1881, sind viele Schriften über Kant erschienen, ebenso gelegentlich der Feier des hundertsten Todestages Kants, 1904. Kants Charakter zeichnet sich durch größte Lauterkeit der Gesinnung, strengste Wahrhaftigkeit und Pflichttreue, die sogar bis zur Pedanterie geht, aus. Obzwar Kant das Sittliche »rigoristisch« auffaßt, den Neigungen wenig Einfluß auf das Handeln einräumt, war er doch kein »Mucker«, sondern heiter und gesellig (Freundschaft mit Hamann, Motherby, Hippel u. a.). Kant war eine tief religiöse Natur, stand aber nicht im Banne theologischer Dogmatik. In politischer Beziehung verbindet Kant einen starken Liberalismus - er sympathisierte z.B. mit der französischen Revolution - mit gewissen konservativen Tendenzen, die ihm zum Teil sein (auch in der Ethik sich äußerndes) Preußentum eingab.
Kant ist der Begründer des Kritizismus. Aber er ist nicht gleich zu diesem Standpunkte gelangt, sondern stand erst im Banne der Leibniz-Wolffschen Philosophie und ihres Rationalismus, sowie später unter dem Einflusse der Newtonschen Lehren, Lamberts, Rousseaus, Shaftesburys und des Empirismus und Skeptizismus, bis er endlich - nachdem auch Leibniz' »Nouveaux essais« auf ihn eingewirkt - von Hume aus dem »dogmatischen Schlummer« erweckt wurde und zum Kritizismus überging, der schon in den »Träumen eines Geistersehers« (1766) anklingt, in der Schrift »De mundi sensibilis usw.« (1770) weiter ausgebildet wird und in der »Kritik der reinen Vernunft« gipfelt. Der Kritizismus bedeutet eine Synthese von Rationalismus, Empirismus und Skeptizismus zu einem neuen, allen Momenten dieser drei Geistesrichtungen gerecht werdenden Standpunkte. Über die Entwicklung des Kantschen Denkens vgl. Vaihinger, Kommentar zu Kant I; B. Erdmann, Paulsen, Adickes, Riehl u. a.
Schriften: Gesamtausgabe von Hartenstein, 10 Bde., 1838-39: neue Ausgabe, S Bde., 1867-69; von Rosenkranz und Schubert, 12 Bde., 1838-42; von Kirchmann (Philos. Bibl.), 1868 ff., jetzt ganz neu von verschiedenen Herausgebern, endlich von der Akademie der Wissenschaften in Berlin (vollständigste Ausgabe mit den Vorlesungen zu »Reflexionen«, Briefen; noch nicht vollendet). - Vermischte Schriften, 1799. - Kleinere Schriften, 1800.