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〈Die Traumdeutung〉

Über die Traumdeutung kann ich mich kurz fassen. Sie fiel mir zu als Erstlingsfrucht der technischen Neuerung, nachdem ich mich, einer dunklen Ahnung folgend, entschlossen hatte, die Hypnose mit der freien Assoziation zu vertauschen. Meine Wißbegierde war nicht von vornherein auf das Verständnis der Träume gerichtet gewesen. Einflüsse, die mein Interesse gelenkt oder mir eine hilfreiche Erwartung geschenkt hätten, sind mir nicht bekannt. Ich hatte vor dem Aufhören meines Verkehrs mit Breuer kaum noch Zeit, ihm einmal in einem Satze mitzuteilen, daß ich jetzt Träume zu übersetzen verstünde. Infolge dieser Entdeckungsgeschichte war die Symbolik der Traumsprache so ziemlich das letzte, was mir am Traum zugänglich wurde, denn für die Kenntnis der Symbole leisten die Assoziationen des Träumers nur wenig. Da ich die Gewohnheit festgehalten habe, immer zuerst an den Dingen zu studieren, ehe ich in den Büchern nachsah, konnte ich mir die Symbolik des Traumes sicherstellen, ehe ich durch die Schrift von Scherner auf sie hingewiesen wurde. Im vollen Umfange habe ich dieses Ausdrucksmittel des Traumes erst später gewürdigt, zum Teil unter dem Einflüsse der Arbeiten des zu Anfang so sehr verdienstvollen, später völlig verwahrlosten W. Stekel. Der enge Anschluß der psychoanalytischen Traumdeutung an die einst so hochgehaltene Traumdeutekunst der Antike wurde mir erst viele Jahre nachher klar. Das eigenartigste und bedeutsamste Stück meiner Traumtheorie, die Zurückführung der Traumentstellung auf einen inneren Konflikt, eine Art von innerer Unaufrichtigkeit, fand ich dann bei einem Autor wieder, dem zwar die Medizin, aber nicht die Philosophie fremd geblieben war, dem berühmten Ingenieur J. Popper, der unter dem Namen Lynkeus 1899 die „Phantasien eines Realisten“ veröffentlicht hatte.

Die Traumdeutung wurde mir zum Trost und Anhalt in jenen schweren ersten Jahren der Analyse, als ich gleichzeitig Technik, Klinik und Therapie der Neurosen zu bewältigen hatte, gänzlich vereinsamt war und in dem Gewirre von Problemen und bei der Häufung der Schwierigkeiten oft Orientierung und Zuversicht einzubüßen fürchtete. Die Probe auf meine Voraussetzung, daß eine Neurose durch Analyse verständlich werden müsse, ließ oft bei dem Kranken verwirrend lange auf sich warten; an den Träumen, die man als Analoga der Symptome auffassen konnte, fand diese Voraussetzung eine fast regelmäßige Bestätigung.

Nur durch diese Erfolge wurde ich in den Stand gesetzt auszuharren. Ich habe mich darum gewöhnt, das Verständnis eines psychologischen Arbeiters an seiner Stellung zu den Problemen der Traumdeutung zu messen, und mit Genugtuung beobachtet, daß die meisten Gegner der Psychoanalyse es überhaupt vermieden, diesen Boden zu betreten, oder sich höchst ungeschickt benahmen, wenn sie es doch versuchten. Meine Selbstanalyse, deren Notwendigkeit mir bald einleuchtete, habe ich mit Hilfe einer Serie von eigenen Träumen durchgeführt, die mich durch alle Begebenheiten meiner Kinderjahre führten, und ich bin noch heute der Meinung, daß bei einem guten Träumer und nicht allzu abnormen Menschen diese Art der Analyse genügen kann.